Hotel Waldhaus Vulpera

Bauten der Hotelgesellschaft Waldhaus Vulpera, um 1900

Das Hotel Waldhaus Vulpera war ein Kurgebäude und Grandhotel in Graubünden. Das im Neorenaissance-Stil erbaute Gebäude mit kunstvollen Sgraffito-Elementen galt europaweit lange Zeit als erste Adresse im Bädertourismus der Alpen und Wahrzeichen der Belle Époque. Mit 270 Betten war es das grösste Hotel in Scuol-Tarasp-Vulpera. Es ging als einer der bedeutendsten Hotelneubauten des 19. Jahrhunderts in die Architekturgeschichte ein. 1989 brannte es, vermutlich infolge einer Brandstiftung, ab.

Geschichte

Gedenkstein des Hoteliers Duri Pinösch im Kurpark Vulpera

Erbaut wurde das Grandhotel Waldhaus Vulpera 1896–1897 im Auftrag der Hotelgesellschaft Waldhaus Vulpera durch den Architekten Nikolaus Hartmann senior (1838–1903). Eröffnet wurde es am 8. Juni 1897. Zu den regelmässigen Gästen gehörte ab 1959 auch Friedrich Dürrenmatt, der seine Aufenthalte nutzte, um sie in seinen letzten Roman Durcheinandertal einfliessen zu lassen. Der Roman, laut Schlusszeile fertiggestellt am 19. April 1989, endet mit dem Niederbrennen eines dem Grandhotel nachempfundenen Kurhauses.

Im Jahr 1883 übernahmen die Gebrüder Duri und Caspar Pinösch aus Ardez die Pension Waldhaus in Vulpera. Der Keller und die Parterre-Räume der Pension Waldhaus wurden teilweise in den Südflügel des Hotelneubaus von 1896–1897 integriert, der Rest der Pension Waldhaus wurde abgerissen.

Villa Wilhelmina

Im Jahr 1886 wurde ein Holz-Chalet als «Villa Dependance» des Hotels Waldhaus Vulpera im Auftrag der Gebrüder Pinösch durch die Baumeister Baur und Nabholz (Seefeld Zürich) errichtet. Vom 10. Juni bis 11. Juli 1894 war in diesem Chalet die Königin der Niederlande Wilhelmina zu Gast. Aufgrund dessen trägt die Villa nun den Namen Villa Wilhelmina oder Villa Wilhelmine.

Im Jahr 1894 erhielt Vulpera ein eigenes Kraftwerk von Brown, Boveri & Cie und Escher Wyss & Cie. 1930 erbaute die Hotelgesellschaft Waldhaus Vulpera das dritte Hotel-Freibad in der Schweiz (auch Strandbad genannt).

Am 27. Mai 1989 wurde das Hotel durch einen durch Brandstiftung verursachten Grossbrand zerstört. Laut Jahresbericht der Gebäudeversicherung Graubünden folgte daraus ein Totalschaden mit einer Schadenssumme von 23 Mio. Fr. Die Täterschaft wurde nie ermittelt.

Heute liegt dort eine Parkanlage, in der sich noch Elemente des Grandhotels (Brunnenanlage und Gusseisensäulen) sowie die Villa Wilhelmina befinden.

Heute noch im Betrieb befindliche Hotels der ehemaligen Hotelgesellschaft Waldhaus Vulpera sind das Hotel Schweizerhof (erbaut 1898–1900 durch Karl Gottlieb Koller), das Hotel Villa Post (erbaut 1901 als Postbüro von Vulpera) und das Hotel Villa Engiadina (erbaut 1901 durch Karl Gottlieb Koller). Das noch im Originalzustand existierende Hotelfreibad, die 1923 geschaffenen Golfanlagen des Golf Clubs Vulpera und das Kraftwerkmuseum zeugen ebenfalls noch von der Schaffenskraft der Hoteliersdynastie Pinösch. Vor allem durch diese einzigartigen Hotelbauten wurde Vulpera in das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommen.

Die Gästekarteikarten, aus dem Privatbesitz des letzten Hoteldirektors Rolf Zollinger, wurden erstmals 2007 in der Ausstellung «Grand Hotel Bühne der Literatur» im Literaturhaus München gezeigt.[1] 2021 fand die lange verschollen geglaubte Gästekartei Eingang in das Werk Keine Ostergrüsse mehr.[2][3] Sie wird von Historikern als «kultureller Schatz» bewertet, da sie unter anderem ein Dokument des Antisemitismus in der Schweiz sei. So finden sich unter anderem bei vielen Kunden jüdischer Herkunft entsprechende antisemitische Kommentare.[4][5][6]

Ausstellungen

  • Wie es dem Gast gefällt. Hotelarchitektur einst und heute. Gelbes Haus (Flims), 2008–2009. (Die Ausstellung präsentierte zehn Hotelbiographien, unter anderem: Waldhaus Vulpera – heiss abgebrochen?)
  • Grand Hotel Abgrund: Dichtung und Dichter im Hotel. Stiftung Schloss Neuhardenberg. 1. September 2009 bis 25. Oktober 2009. (Die vom Literaturhaus München konzipierte Ausstellung umfasste unter anderem Ausstellungsstücke aus dem Hotel Waldhaus Vulpera, ergänzt um weitere Ausstellungsstücke aus Grand Hotels in Berlin; erweitert um eine bildkünstlerische Installation von Udo Lindenberg.)
  • Architektur einer Familie. Ausstellung über den Architekten des Waldhaus Vulpera. Rätisches Museum in Chur, 30. Oktober 2015 – 7. Februar 2016.

Filme

  • 1941: Entstehung und Wirkung der Quellen von Tarasp-Schuls-Vulpera. Lehrfilm mit Trickfilmsequenzen und Aufnahmen des Kurortes Tarasp-Vulpera. Stummfilm mit Untertiteln, schwarz-weiss. Produziert von den Kurärzten des Grand Hotels Waldhaus Vulpera, Pauline Lenz und M. S. Meier. In Zusammenarbeit mit der Schmalfilm AG, Zürich.
  • 1985: Tender is the Night. (deutscher Titel: Zärtlich ist die Nacht) BBC-Verfilmung als Mini-Serie mit 6 Folgen. Nach dem gleichnamigen Roman von F. Scott Fitzgerald. Das Hotel Waldhaus Vulpera diente der Produktion als Kulisse.
  • 1989: Brand des Hotel Waldhaus in Vulpera. Fernsehdokumentation von Claudia Knapp. Rätoromanische Sprache, Länge 6 Min.

Literatur

  • Lois Hechenblaikner, Andrea Kühbacher, Rolf Zollinger (Hrsg.): Keine Ostergrüsse mehr! Die geheime Gästekartei des Grand Hotel Waldhaus in Vulpera. Edition Patrick Frey, Zürich 2021, ISBN 978-3-907236-19-2.[7]
  • Jochen Philipp Ziegelmann: Zur Baugeschichte des Grandhotels Waldhaus Vulpera. In: Bündner Monatsblatt. 3/2021, S. 215–246.
  • Roland Flückiger-Seiler: Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen. Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920. Hier und Jetzt, Baden 2003, ISBN 3-906419-68-1, S. 166–219.
  • Kristiana Hartmann: Baumeister in Graubünden: Drei Generationen Nicolaus Hartmann (1850 bis 1950). Desertina, Chur 2015, ISBN 978-3-85637-474-7.
  • Jochen Philipp Ziegelmann: Waldhaus Vulpera: Geheimnisse eines Grandhotels. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2020, ISBN 978-3-750425-69-9.
  • Marcella Maier: Alte Gärten in der Schweiz: Kurpark Vulpera. In: Anthos. Zeitschrift für Freiraumgestaltung, Grün- und Landschaftsplanung. 1995, Band 34 (2), S. 39.
  • Ulrich Weber: Das Kurhaus im «Durcheinandertal». Friedrich Dürrenmatt und das «Waldhaus Vulpera». In: Cordula Seger (Hrsg.): Grand Hotel. Bühne der Literatur. Dölling und Galitz, München 2007, ISBN 978-3-937904-54-2, S. 159–171.
  • M. Jakob: Der Park der Villa Wilhelmina. In: Graubünden Magazin. Sommer 2005, S. 8–17.
Romane
  • Friedrich Dürrenmatt: Durcheinandertal. Diogenes, Zürich 1989; Neuausgabe 1998, ISBN 3-257-23067-2.
  • Pauline Lenz: Die Kurärztin. Ein Roman nach dem Leben. Die Rose, München-Unterhaching 1959.

Weblinks

Commons: Hotel Waldhaus Vulpera – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Im Raum der Illusion. Abgerufen am 2. April 2021.
  2. Joachim Riedl: Der erste Bergsteiger hieß Moses. In: Die Zeit. Nr. 18/2009 vom 23. April 2009.
  3. Luzia Stettler: Geheime Gästekartei überlebt Hotelbrand – und birgt Zündstoff. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 8. April 2021, abgerufen am 9. April 2021.
  4. Walter Mayr: Abgereist in den Tod. In: Der Spiegel. Nr. 13/2021 vom 27. März 2021, S. 78f.
  5. Peer Teuwsen: Die geheime Gästekartei eines Engadiner Hotels ist aufgetaucht. In: NZZ am Sonntag. 3. April 2021, abgerufen am 3. April 2021.
  6. Literatur — Grandhotel mit Abgründen. Abgerufen am 5. April 2021.
  7. Keine Ostergrüsse mehr! Die geheime Gästekartei des Grandhotel Waldhaus in Vulpera (Engadin). Buchbeschreibung des Autors mit historischen Fotos und Abbildungen einiger Concierge-Karteikarten. In: Website von Lois Hechenblaikner, ohne Datum, abgerufen am 29. März 2021.

Koordinaten: 46° 47′ 15,5″ N, 10° 17′ 20,8″ O; CH1903: 817608 / 185784

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Duri Pinösch Gedenkstein 2009.JPG
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Gedenkstein des Hoteliers Duri Pinösch (geboren 1845 gestorben 1923) im Kurpark Vulpera.
Lower Engadine Vulpera and Fetan Grisons Switzerland (1) (cropped).jpg
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Lower Engadine Vulpera and Fetan Grisons Switzerland Grand Hotel Waldhaus Vulpera
Villa Wilhelmina Vulpera Baumeister Baur & Nabholz.jpg
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Chalet Baute im Jahr 1886 im Auftrag der Gebrüder Pinösch durch die Baumeister Baur und Nabholz (Seefeld Zürich) erbaut. Eröffnung im Frühling 1887 als Villa Dependance des Hotel Waldhaus Vulpera. Vom 10. Juni 1894 bis 11. Juli 1894 war in diesem Chalet die Königin der Niederlande (Wilhelmina Helena Pauline Maria von Oranien-Nassau) zu Gast. Aufgrund dieses Besuchs trägt die Villa nun den Namen "Villa Wilhelmina" bzw. "Villa Wilhelmine".