Hochlandlager

Das Hochlandlager war von 1936 bis 1945 ein Hitlerjugendlager (HJ-Lager), später auch BDM-Lager, auf dem Gelände der jetzigen Jugendsiedlung Hochland bzw. Jugendbildungsstätte Königsdorf bei Königsdorf im heutigen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Vor 1936 hatten zwei Großzeltlager an anderen Orten Oberbayerns stattgefunden.

Erste Hochlandlager 1934 und 1935

Das Hochlandlager war ein Großzeltlager, das vom HJ-Gebiet 19 veranstaltet wurde. Da dieses HJ-Gebiet für das Einzugsgebiet der NSDAP-Gaue München-Oberbayern und Schwaben zuständig war, trug diese HJ-Einheit den Beinamen „Hochland“.

Das erste Großzeltlager veranstaltete das HJ-Gebiet 19 unter Leitung des Gebietsführers Emil Klein im August 1934 im Bereich der Gemeinden Riegsee und Aidling bei Murnau am Staffelsee. 6.000 Jungen wohnten für vier Wochen in der urwüchsigen Wald- und Moorlandschaft zwischen den Ortschaften. Als einzige HJ-Sondereinheit nahm die Marine-HJ aus München teil. Die Mitglieder hielten auf dem Riegsee Übungen ab.[1]

Das Hochlandlager des Jahres 1935 fand in der Jachenau, Gemeinde Lenggries statt. An zwei Lagerblöcken nahmen jeweils 4.000 Jungen teil. Während des ersten Lagerblocks waren die Teilnehmer des „Deutschlandlagers“ zu Gast im Hochlandlager. Die Hitlerjugend besaß 55 Auslandsorganisationen. Hitlerjungen aus 48 Staaten, darunter aus den USA und sogar aus Südwestafrika (heute Namibia) besuchten 1935 das Deutsche Reich.[2] Von einem Zeltlager in Kuhlmühle (Brandenburg) ausgehend, unternahmen diese Jungen eine Deutschlandreise, während der die Teilnehmer von Parteifunktionären begleitet wurden. In Lenggries entstanden ernste Konflikte mit Jagdpächter und den Anwohnern.[3]

Im Zeltlager herrschte Kasernenhofton. Vier Wochen lang erlebten die Teilnehmer Sport, Geländespiele, aber in erster Linie weltanschauliche Schulung. Dabei sollten die Jungen in Vorträgen, in Sprechchören und Liedern die militaristische und rassistische NS-Ideologie verinnerlichen.[4] Auf einem Thingplatz stand in Riegsee 1934 eine schwarze Ehrenwand. Darauf prangte in weißen Buchstaben der Spruch: „Wir sind zum Sterben für Deutschland geboren“. Auf dem Platz davor wurden von den Jungen zwei ideologisch geprägte Theaterstücke aufgeführt: „Fähnlein Langemarck“ und „Eine deutsche Passion“. Die Teilnehmer sollten nicht nur für den Militarismus begeistert werden, sondern auch zu fanatischen Anhängern des Nationalsozialismus geformt werden. Am Ende der vier Wochen lud die HJ-Führung die Dorfbevölkerung und die Eltern zu einer harmlosen Klamaukveranstaltung, dem „Zirkus Holala“ ein. Sport, militärischer Drill und eine beeindruckende Präsentation der NS-Ideologie sollten auch die künftigen Hochlandlager prägen.[5]

Rothmühle bei Königsdorf 1936 bis 1945

Im nächsten Jahr fand das Hochlandlager wegen der Konflikte mit den Anwohnern und aus finanziellen Gründen erstmals auf eigenem Gelände bei Königsdorf statt.[6] Hier erwarb die NSDAP – allerdings erst im November 1936 – für das HJ-Gebiet 19 eine 90 ha große Fläche von der Landeshauptstadt München. Erstmals waren alle Sondereinheiten des HJ-Gebietes 19 beteiligt: Die Marine-HJ, die Nachrichten-HJ, die Motor-HJ, die Flieger-HJ und die Streifen-HJ. Das Motto des Lagers lautete: „Disziplin und Glaube“. Betreut wurde das Zeltlager in diesem Jahr von der Wehrmacht.[7] Nachdem das Areal um die Rothmühle Eigentum der Hitlerjugend geworden war, trug bald das komplette Gelände – nicht zu verwechseln mit den alljährlichen Zeltlagern – die Bezeichnung „Hochlandlager.“[4]

Möglicherweise sorgte der Umstand, dass die Hitlerjugend am 1. Dezember 1936 per Gesetz zur Staatsjugend wurde, für eine deutlich niedrigere Zahl der Teilnehmer im Jahr 1937 und in den Folgejahren: Etwa 1.800 bis 2.400 HJ-Führer, das sommerliche Großzeltlager in Königsdorf war nun Führerlager. Eines der Mannschaftslager fand am Lautersee bei Mittenwald statt.[8] Im Juni 1937 fand in Königsdorf erstmals ein Großzeltlager für die Mädchen des BDM statt.[9]

1942 wurde auf dem Gelände des Hochlandlagers ein Wehrertüchtigungslager eingerichtet. Im April 1945 sollten innerhalb des Lagergeländes Hitlerjungen und Pimpfe zu „Werwölfen“, also Partisanen ausgebildet werden. Diese Kindersoldaten sollten Anschläge auf alliierte Soldaten verüben. Das Lagergelände an der Rothmühle wurde vermutlich am 1. Mai 1945 von Angehörigen der US-Streitkräfte befreit.[10]

Das Gelände an Rothmühle nach 1945

Nach dem Krieg wurden auf dem Gelände des ehemaligen HJ-Hochlandlagers jüdische Displaced Persons einquartiert und für Siedlungsprojekte im neu zu schaffenden Staat Israel vorbereitet. Die zionistische paramilitärische Untergrundorganisation Hagana richtete hier unter Billigung der amerikanischen Besatzungsmacht eine Ausbildungsstätte für Offiziere ein, die auf die erwarteten Auseinandersetzungen mit den Palästinensern im Zuge der Gründung des Staates Israel vorbereitet werden sollten.[11]

Seit 1950 unterhält der Trägerverein Jugendsiedlung Hochland e.V. auf dem Gelände die Jugendsiedlung Hochland.

Jugendsiedlung Hochland Königsdorf an der Rothmühle

1950 gründeten junge Männer aus dem Umfeld der katholischen Jugendarbeit den Verein Jugendsiedlung Hochland Königsdorf e. V. mit dem Ziel, „Kindern und Jugendlichen in den Nöten ihrer Zeit beizustehen“ (Eugen Polz). Der Freistaat Bayern verpachtete das ca. 30 ha große Gelände in der Nähe der Isar an den Verein.

Der Vereinsname „Jugendsiedlung Hochland“ wurde auf dem Hintergrund der Geschichte des Geländes gewählt. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945) fanden dort ab 1936 die sogenannten Hochlandlager mit bis zu 6.000 „Pimpfen“ (12- bis 14-jährige Jugendliche) statt. Die Zeltlager wurden zur ideologischen Ausrichtung der Hitlerjugend auf den Nationalsozialismus und zur Vorbereitung auf den Krieg benutzt. Vor dem Hintergrund dieser Geschichte steht der Verein seit seiner Gründung für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Zeit. Bis heute prägt dies in besonderer Weise den Bildungsauftrag, der sich in den Angeboten, den Möglichkeiten der individuellen Förderung, den Freiräumen und den vielfältigen Entfaltungsmöglichkeiten spiegelt.

Die Jugendsiedlung Hochland bietet im Jahr bis zu 55.000 Übernachtungen für ihre Gäste (19.000 in der Jugendbildungsstätte, 20.000 in Hütten, 16.000 im Zeltlager). Der Verein und die ca. 40 Angestellten bieten Kinder- und Jugendgruppen sowie Familien und Schulen individuelle Rahmenbedingungen für ihre vielfältigen Aktivitäten. Die Einrichtung steht aber auch für Seminare und Fortbildungen oder einen individuellen Aufenthalt zur Verfügung. Im Rahmen der Jugendbildungsstätte wird ein umfangreiches Programm für ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende angeboten.

1975 wurde der Verein als freier Träger der Jugendhilfe anerkannt. Die Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf ist seit 1981 eine der zwölf vom Bayerischen Jugendring anerkannten und geförderten Jugendbildungsstätten in Bayern. 1996 wurde sie vom Bezirk Oberbayern zur bezirklichen Jugendbildungsstätte für Oberbayern ernannt und eine Umweltstation eingerichtet.

Im Rahmen der Jugendbildungsstätte wurden vielfältige Angebote und Projekte entwickelt: Demokratiewerkstatt, Entwicklung von Konzepten für die Aus- und Fortbildung für Ehrenamtliche in der Jugendarbeit, Fort- und Weiterbildung in Erlebnispädagogik (Wasser) und Kulturpädagogik (Zirkus und Fotografie), pädagogische Begleitung für die „Alte Schule Morsbach“ als Angebot  für Nord-Oberbayern, Angebote für Schulklassen (Klassengemeinschaft, Berufsorientierung, SMV etc.), Berufsorientierung und Familienbildung, ökologischer Fußabdruck, konzeptionelle Vorarbeiten für die Sportjugendherberge Bad Tölz und Verantwortung für die Bildungsangebote in Kooperation mit Deutschen Jugendherbergswerk LV Bayern und vieles mehr.

Im Jahr 2003 gründet sich der Förderkreis der Jugendsiedlung Hochland, dessen erster Vorsitzender Willy Bäßler wurde. 2019 übernahm erst kommissarisch, dann als gewählter Vorsitzender Josef Birzele den Vorsitz des Förderkreises https://www.jugendsiedlung-foerderkreis.de/.

2014 konnte die Sternwarte (http://isartalsternwarte.de) auf dem Gelände der Jugendsiedlung als Partnereinrichtung eröffnet werden.

Die Jugendsiedlung Hochland Königsdorf e. V. ist in besonderer Weise der Jugendverbandsarbeit und dem Bezirk Oberbayern verbunden. Sie sucht im ökumenischen Miteinander den Kontakt zu den Kirchen. Sie ist aber auch für alle anderen offen, die mit ehrenamtlichen oder hauptberuflichen Mitarbeitenden die Einrichtungen für ihre eigenen Angebote nutzen möchten.


Verein Jugendsiedlung Hochland Königsdorf e. V.

Der Verein wurde und wird von Menschen geprägt, die sich für die Jugendsiedlung engagieren. Neben sogenannten geborenen Mitgliedern gibt die Satzung eine Beschränkung auf 30 Personen vor. Ziel des Trägervereins war und ist es, gute Rahmenbedingungen in der Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf für Kinder- und Jugendgruppen zu ermöglichen. Zum ersten Vorsitzenden des Bayerischen Jugendringes wurde Eugen Polz (1920 bis 2000) gewählt. Nach seiner Wahl zum Präsidenten des Bayerischen Jugendrings übergab er den Vorsitz im Jahr 1953 an Kurat Richard Lippold (Diözesanjugendpfarrer der Erzdiözese München und Freising). Später wurden u. a. der BJR-Präsident Hermann Kumpfmüller sowie zahlreiche weitere engagierte Frauen und Männer der Jugendarbeit Mitglieder des Vereins.

In den ersten Jahren wurde für heimatlose Jugendliche eine Unterkunft mit Ausbildung als Schreiner, Weber und kurzzeitig auch Musikinstrumentenbau geschaffen und Lehrstellen in der Region (Königsdorf, Geretsried) vermittelt. Mitte der 1950er Jahr lief dieses Angebot aus. Die Nutzung des Zeltlagergeländes wurde intensiviert und die Methode des Zeltlagers als Ort zum Lernen von Demokratie immer stärker einbezogen. Gruppen konnten das Zeltplatzgelände und zum Teil auch das Übernachtungshaus (heutiges Tagungshaus) nutzen. Eine über 200 Meter lange Baracke diente ursprünglich als Lehrwerkstätte, später als Speisesaal mit Küche und Lager für Zeltlagermaterial.

Im Jahr 1956 wurde das damalige Übernachtungshaus an das katholische Jugendwerk Köln verpachtet. Die Verpachtung endete 1977. Die Jugendsiedlung konzentrierte sich auf die Nutzung und Belegung des Zeltplatzes. Die Organisation des Zeltlagers übergab der Verein u. a. an Antonia Wagenhuber, die seitens der Erzdiözese München und Freising dafür freigestellt wurde. Sie gestaltete das Leben auf dem Gelände entscheidend mit und erhielt dafür 1976 das Bundesverdienstkreuz.

1977 übernahm Karl Weigl, Jugendpfleger von Bad Tölz den Vorsitz. Zusammen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Willy Bäßler entwickelten sie die Konzeption für eine Jugendbildungsstätte. Eine zentrale Entscheidung, die die Zukunft der Einrichtungen der Jugendsiedlung dauerhaft sicherte. Nach der Generalsanierung des Tagungsgebäudes und der Neuerrichtung eines Übernachtungshauses (anstelle der langen Lagerbracke) wurde in der Jugendsiedlung Hochland Königsdorf einer der ersten Jugendbildungsstätte in Bayern errichtet. Als Leitung wurde Jörg Trottmann mit seiner Frau eingestellt; erste Bildungsangebote wurden entwickelt. 1983 wurde Willy Bäßler (1942 bis 2019) als Vorsitzender gewählt, der bis Ende der 1990er Jahre die Entwicklung des Vereins und der Jugendsiedlung mitprägte. In dieser Zeit wurden drei Übernachtungshütten und ein Hüttendorf auf dem Gelände des Zeltplatzes errichtet sowie ein Speisesaal für das Zeltlager. 1984 übernahm Franz Mittermayer die Leitung, der durch innovative Bildungsangebote im Bereich der politischen und ökologischen Bildung erste Zeichen zur Nachhaltigkeit setzte, z. B. durch den selbst entwickelten Bau zweier thermischer Solaranlagen. Im folgte 1991 Josef Birzele als Leiter. Er stellte seine Arbeit unter das Motto „Sachen klären, Handeln lernen, Menschen stärken“.

Im Jahr 1999 wurde Klaus Schultz (* 1956) zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Neben der Ausweitung der pädagogischen Angebote wurden die Entwicklungen der Rahmenbedingungen für die Arbeit in der Jugendsiedlung verstetigt. Die sanitären Gebäude im Zeltlager wurden erneuert, eine ökologische Pflanzenkläranlage errichtet, ein großes Zirkuszelt für die Nutzung von Gruppen aufgestellt, das Tagungshaus um einen Saal erweitert und das Übernachtungshaus neu möbliert und teilweise saniert (2003). Die „Arche“ des Ökumenischen Kirchentags 2010 fand auf dem Gelände der Jugendsiedlung Hochland ihren festen Platz und die Generalsanierung des Tagungshauses wurde 2020 abgeschlossen. 2018 übernahmen Roland Herzog und Robert Wenzelewski die Leitung der Einrichtung mit ihrem Leitmotiv „Mensch und Natur im Mittelpunkt“.

Einzelnachweise

  1. Thomas Wagner: Hochlandlager 1934 Aidling/Riegsee. Erstes Großzeltlager der Hitlerjugend im bayerischen Oberland. St. Ottilien 2005, ISBN 3-00-017626-8, S. 49–70.
  2. Thomas Wagner: Hochlandlager 1934 Aidling/Riegsee, S. 103.
  3. Thomas Wagner: Das HJ-Hochlandlager auf der Rothmühle. In: Damals, hier und heute. Stadtbergen 2007, S. 53f. Hierzu auch: Michael Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg. Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. Berlin 2002, S. 172.
  4. a b Thomas Wagner: Hochlandlager 1934 Aidling/Riegsee. S. 87–96.
  5. Thomas Wagner: Hochlandlager 1934 Aidling/Riegsee, S. 88.
  6. Thomas Wagner, Zum Sterben für Deutschland geboren. Die Hitlerjugend in Südbayern und ihre Hochlandlager, München 2013, 127.
  7. Thomas Wagner: Das HJ-Hochlandlager auf der Rothmühle. In: Damals, hier und heute. Stadtbergen 2007, S. 53f.
  8. Thomas Wagner: Das HJ-Hochlandlager auf der Rothmühle. In: Damals, hier und heute. Stadtbergen 2007, S. 81f.
  9. Thomas Wagner: Das HJ-Hochlandlager auf der Rothmühle. In: Damals, hier und heute. Stadtbergen 2007, S. 84ff.
  10. Thomas Wagner, Das HJ-Hochlandlager auf der Rothmühle. In: Damals, hier und heute. Stadtbergen 2007, S. 90f.
  11. Häuserkampf an der Isar: Die geheime Rekrutierung jüdischer Soldaten bei haGalil.com

Weblinks

Koordinaten: 47° 49′ 38″ N, 11° 31′ 7″ O