Hochdeutsche Dialekte

Deutsches Sprachgebiet (nach Peter Wiesinger und Werner König[1][2]) mit den folgenden dialektalen Großgruppen:
  • Niederfränkisch
  • Niederdeutsche Dialektgruppen:
  • Friesisch
  • Hochdeutsche Dialektgruppen:
  • Mitteldeutsch
  • Die hochdeutschen Dialekte oder Mundarten werden südlich der Benrather Linie (vereinzelt wird auch die Uerdinger Linie zur Trennung genommen) gesprochen und zerfallen wiederum in mittel- und oberdeutsche Subdialekte. Sie umfassen regionale Sprachvarietäten der höher gelegenen Gebiete des deutschen Sprachraumes und weisen als gemeinsames Charakteristikum die vollständig oder teilweise durchgeführte zweite oder (alt)hochdeutsche Lautverschiebung auf.

    Die allgemein gebräuchliche Kurzbezeichnung „Hochdeutsch“ kann leicht missverstanden werden, da sie von manchen Sprechern gleichbedeutend mit „Standarddeutsch“ bzw. „Schriftdeutsch“ gebraucht wird. In diesem Artikel geht es ums „Hochdeutsche“ im Sinne einer regionalen Sprachvarietät in den höher gelegenen Gebieten des deutschen Sprachraums, das sich, historisch betrachtet, in einem engen Dialektkontinuum mit den nördlich von ihm befindlichen regionalen Sprachvarietäten (Niederdeutsch und Niederfränkisch) in den niederen Gebieten des deutschen und niederländischen Sprachraums befand.

    Begriff

    Zu den Sprachen, die aus hochdeutschen Mundarten entstanden sind, gehören das Standarddeutsche (meist einfach „Deutsch“, „Hochdeutsch“ oder „Schriftdeutsch“ genannt), das Jiddische und das Luxemburgische. Die heutige hochdeutsche Schriftsprache ist in den vergangenen 500 Jahren nach der Erfindung des Buchdrucks entstanden. Als Amts- und Schulsprache verdrängt sie seitdem zunehmend die gesprochenen deutschen Dialekte.

    Hochdeutsche Dialekte werden in den mittleren und südlichen Gebieten des deutschen Sprachraums gesprochen, nämlich in Deutschland, Österreich, der Deutschschweiz, Liechtenstein, Luxemburg, im Elsass und in Lothringen (Frankreich), im Südteil von Ostbelgien und in Südtirol (Italien). Darüber hinaus gibt es oder gab es hochdeutsche Sprachinseln, beispielsweise in Norditalien auch außerhalb von Südtirol (Zimbern, Südwalser), Polen (Oberschlesien), Rumänien (Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Sathmarer Schwaben), Ungarn, Russland, den USA und Kanada (zum Beispiel Pennsylvania Dutch und Hutterisch) und in Brasilien (Riograndenser Hunsrückisch).

    Das hoch in der Bezeichnung hochdeutsch bezieht sich auf die Mundarten in den höhergelegenen (bergigen) Regionen des mittleren und südlichen deutschen Sprachraums, entsprechend dem nieder in der Bezeichnung niederdeutsch, das sich auf die tiefer gelegenen, flachen Regionen im Norden des deutschen Dialektraums bezieht. Die Begriffe tauchen bei Übertragungen vom Hochdeutschen ins Niederländische im 15. Jahrhundert auf – hochdeutsch erstmals 1440: „Uut hoghen duutsche ghetransfereert / Ende in onser talen ghekeert“[3] und niederdeutsch erstmals 1457: „vanden hooghen duutsche int neder duutsche“.[3]

    Deutsch bedeutet etymologisch „zum Volk gehörig“, „volkstümlich“ und bezeichnete im Gegensatz zu anderen Nationalitätsadjektiven zuerst eine Sprache, hiervon leiteten sich später die Bezeichnungen für deren Sprecher und das von ihnen bewohnte Gebiet ab: Der lateinische Begriff theodiscus dafür tritt zuerst 786 auf, als der päpstliche Nuntius Georg von Ostia dem Papst Hadrian I. über zwei Synoden in England berichtete. Dabei wurden die Beschlüsse sowohl lateinisch als auch in der Volkssprache (latine und theodisce) verlesen, damit alle sie verstehen konnten; hierbei bezeichnet das Wort aber eine Variante des Altenglischen bzw. Angelsächsischen. 813 empfiehlt Karl der Große den Geistlichen, nicht nur lateinisch zu predigen, sondern auch in rusticam Romanam linguam aut Theodiscam. Diesem theodiscus der Gelehrtensprache entspräche ein westfränkisches Adjektiv *theodisk (zu got. þiuda, ahd. diot „Volk“).

    Für die germanische Sprache gab es im Altfranzösischen bis zum 15. Jh. den Begriff tiedeis, tieis, tiois, im Flämischen dietsch (daher das englische Dutch heutzutage für die niederländische Sprache). Ende des 9. Jahrhunderts taucht im Lateinischen der Begriff teutonicus auf, der sich neben theodiscus stellt. Erhalten blieb es bis heute im italienischen tedesco (von theodiscus).

    Geschichte

    Althochdeutsche Glossen aus dem 8. Jahrhundert gehören zu den frühesten Belegen hochdeutscher Sprache.

    Um das Jahr 1200 gewann das auf schwäbischen Varietäten beruhende Mittelhochdeutsch als Dichtersprache überregionale Bedeutung bis in den norddeutschen Raum.

    In der frühen Neuzeit entwickelte sich die moderne hochdeutsche Sprache auf Grundlage ostmitteldeutscher, ostfränkischer und bairischer Kanzleisprachen als überregionale Schriftsprache, die sich bis ins 17. Jahrhundert in Norddeutschland (bei Verdrängung des Niederdeutschen), bis ins 18. Jahrhundert im gesamten heutigen Sprachraum durchsetzte.

    Die hochdeutschen Sprachepochen werden beispielsweise wie folgt unterteilt (für mehr siehe den Artikel Sprachstufe):

    1. Althochdeutsch (Ahd.) 750 bis 1050
    2. Mittelhochdeutsch (Mhd.) 1050 bis 1350
    3. Frühneuhochdeutsch (Frnhd., Fnhd.) 1350 bis 1650
    4. Neuhochdeutsch (Nhd.) 1650 bis Gegenwart

    Die Datierungen sind nur als Annäherungswerte zu verstehen. Zum einen ist mit dem Jahr 750 nur der vermutete Beginn althochdeutscher Sprache bezeichnet, da der bisherige Forschungsstand die ältesten bekannten schriftlichen Sprachquellen in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts lokalisiert, zum Beispiel das Abrogans-Glossar um das Jahr 770 herum.[4] Zum andern sind die Übergänge zwischen den einzelnen Epochen fließend – Sprachwandel vollzieht sich auf vielen Ebenen und geht in den verschiedenen Sprachräumen auch nicht gleichzeitig vonstatten.

    Gliederung

    Die verschiedenen Varietäten der hochdeutschen Sprachen sind stark gegliedert. Oft sind nur benachbarte Varietäten gegenseitig verständlich (Kontinuum), während sich Sprecher entfernterer Varietäten nicht in ihren eigenen Dialekten miteinander verständigen können, sondern sich einer sogenannten Dachsprache bedienen müssen.

    Die hochdeutschen Varietäten sind von der hochdeutschen Lautverschiebung in sehr unterschiedlichem Ausmaß betroffen: Nur Bairische (z. B. Tirolerisch), höchst- und hochalemannische Dialekte haben die Lautverschiebung vollständig durchgeführt, die meisten hochdeutschen Varietäten jedoch nur teilweise. Insbesondere in Westmitteldeutschland ist die Auswirkung der hochdeutschen Lautverschiebung vielfach abgestuft, mit zunehmend größerem Einfluss gegen Süden (Rheinischer Fächer). Der Grund hierfür ist das deutsche Dialektkontinuum, in dem sich die Mundarten kontinuierlich ein wenig von Ort zu Ort ändern, ohne dass eine Veränderung auf den ersten Blick zu erkennen wäre. Erst mit zunehmender Entfernung lassen sich Unterschiede ausmachen. So gibt es auch keine allgemein anerkannte Dialektgrenze zwischen hoch- und niederdeutschen Mundarten.

    Literatur

    • Rudolf Ernst Keller: German Dialects. Phonology and Morphology. With selected texts. Manchester University Press, Manchester 1961, Nachdruck 1979.
    • Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundartkarten. dtv, München 1978, ISBN 3-423-03025-9, zahlreiche Neuauflagen.
    • Charles V. J. Russ (Hrsg.): The Dialects of Modern German. Routledge, London 1990.
    • Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Werner Besch u. a.: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektogie. De Gruyter, Berlin/New York 1983 (HSK 1), S. 807–900.

    Quellen

    1. Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Werner Besch, Ulrich Knoop, Wolfgang Putschke, Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, 2. Halbband. De Gruyter, Berlin / New York 1983, ISBN 3-11-009571-8, S. 807–900.
    2. Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. 19. Auflage. dtv, München 2019, ISBN 978-3-423-03025-0, S. 230.
    3. a b Raphael Berthele (Hrsg.): Die Deutsche Schriftsprache und die Regionen. Walter de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017497-9, S. 137.
    4. Werner König: dtv-Atlas deutsche Sprache. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004, ISBN 3-423-03025-9, S. 66 f.

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    Map of German dialects (according to Wiesinger & König).png
    Autor/Urheber: Vlaemink, Lizenz: CC BY-SA 4.0
    A map describing the principal dialect groupings of German (that is to be precise, the Westgermanic dialects of which Standard High German is the Dachsprache) after 1945 and the expulsions of the Germans from the East.
    • P. Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, Berlin, New York, pp. 807-900
    • W. König: dtv-Altas Deutsche Sprache, 2019, Munich, pp. 230.
    • J. Goossens: Deutsche Dialektologie, Walter de Gruyter, 1977, pp. 48.

    Legend:

    Lines: the thin white/black dashed line represents the area in which two Dachsprachen are present: Luxemburgish and Standard German. Striped lines: transitional dialect areas.

    Low Franconian varieties: (purple) 1. Lower Rhenish

    Frisian varieties: (orange) 2. Saterlandic, the last surviving dialect of East Frisian 3. North Frisian

    Low German varieties: (blue) 4. Westphalian 5. North Low German 6. Eastphalian 7. Mecklenburgish-Western Pomeranian 8. Brandenburgish 9. Middle Pomeranian

    Middle/Central German varieties: (yellow) 10. Ripuarian 11. Luxemburgish 12. Moselle Franconian 13. Rhine Franconian 14. Central Hessian 15. Northern Hessian 16. Eastern Hessian 17. Thuringian 18. Northern Upper Saxon 19. South Märkisch 20. Upper Saxon

    Upper German varieties: (ochre) 21. East Franconian 22. Northern Bavarian 23. Central Bavarian 24. Southern Bavarian 25. Swabian 26. Low Alemannic 27. Middle Alemannic 28. High Alemannic 29. Highest Alemannic

    Sorbian varietes: (white) Upper Sorbian, Lower Sorbian

    Cp.: