Hill/Huntington-Verfahren

Das Hill/Huntington-Verfahren (auch: Divisorverfahren mit geometrischer Rundung) ist eine Methode der proportionalen Repräsentation (Sitzzuteilungsverfahren), wie sie z. B. bei Wahlen mit dem Verteilungsprinzip Proporz (siehe Verhältniswahl) benötigt wird, um Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate umzurechnen.

Geschichte

Der Chef-Statistiker der US-amerikanischen Zensusbehörde (Bureau of the Census) Joseph A. Hill schlug das Verfahren 1911 in einem Brief an das Repräsentantenhaus für die bevölkerungsproporzgemäße Verteilung seiner Abgeordnetensitze auf die Bundesstaaten vor. Der US-amerikanische Mathematiker und Physiker Edward Vermilye Huntington unterstützte 1921 den Vorschlag Hills. Seit 1941 ist das nach beiden Personen benannte Verfahren zu o. g. Zweck gesetzlich vorgeschrieben. Bis dahin wurde das Webster-Verfahren (in Deutschland Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren) verwendet. Bis 1900 wurde die Größe des Repräsentantenhauses so gewählt, dass die Sitzzuteilung nach dem Webster-Verfahren und dem Hamilton-Verfahren (in Deutschland Hare/Niemeyer-Verfahren) identisch war. Bis 1880 wurde ausschließlich das Hamilton-Verfahren verwendet, bis 1840 das Jefferson-Verfahren (in Deutschland D’Hondt-Verfahren).

Seit 1911 besteht das Repräsentantenhaus aus 435 Sitzen, deren Verteilung auf die Bundesstaaten in allen durch 10 teilbaren Jahren auf Basis eines bundesweiten Zensus neu bestimmt wird. Beim Beitritt eines neuen Bundesstaates werden diesem bis zum nächsten Zensus vorübergehend zusätzliche Sitze zugeordnet.

Im ersten Schritt werden die Verhältnisse der Einwohnerzahlen der Bundesstaaten zur bundesweiten Einwohnerzahl bestimmt und mit den 435 zu verteilenden Sitzen multipliziert. Hieraus ergeben sich die idealen Sitzansprüche der Bundesstaaten. Aufgrund der nicht bestehenden Ganzzahligkeit müssen die Idealansprüche auf ganze Zahlen gerundet werden, die schließlich die tatsächlichen Sitzansprüche darstellen. Zur Berechnung der Rundung wird seit dem Zensus 1950 das Hill/Huntington-Verfahren eingesetzt.

Beschreibung

Die Berechnung einer Sitzzuteilung nach dem Hill/Huntington-Verfahren wird im Folgenden am Beispiel einer Verhältniswahl erläutert.

Zu vergebende Sitze: 50

Abgegebene gültige Stimmen: 1000

Partei A: 450 Stimmen, Partei B: 350 Stimmen, Partei C: 199 Stimmen, Partei D: 1 Stimme

Die Stimmenzahlen der Parteien werden durch einen geeigneten Divisor geteilt. Dieser muss empirisch (durch Probieren) ermittelt werden. Als Richtgröße für den Divisor kann der Quotient aus abgegebenen Stimmen und zu vergebenden Sitzen genommen werden, im Beispiel also 20. Die sich aus der Division ergebenden Quotienten werden geometrisch auf ganze Zahlen gerundet. Wenn die Summe dieser ganzen Zahlen 50 ergibt, ist die Berechnung der Sitzzuteilung korrekt. Jede Partei erhält Sitze in der Höhe der für sie berechneten ganzen Zahl. Ergibt die Summe dieser ganzen Zahlen mehr oder weniger als 50, ist der Divisor ungeeignet und muss vergrößert bzw. verkleinert werden – so lange, bis genau 50 Sitze verteilt werden.

Geometrische Rundung: Für eine geometrische Rundung wird das geometrische Mittel der beiden Zahlen berechnet, auf die eine Zahl auf- oder abgerundet werden soll. Das geometrische Mittel bildet die Rundungsgrenze: Liegt die zu rundende Zahl über der Rundungsgrenze, wird aufgerundet, und andernfalls abgerundet. Das geometrische Mittel aus zwei Zahlen ergibt sich aus der Quadratwurzel des Produkts der beiden Zahlen. Das geometrische Mittel aus 2 und 3 ist demnach die Quadratwurzel aus 2 × 3 mit einem Wert von rund 2,4495. Die Zahl 2,45 geometrisch gerundet ergibt 3, da 2,45 größer als die Rundungsgrenze von 2,4495 ist.

Teilung der Stimmenzahlen der Parteien durch den Divisor 20:

Partei A: 22,5; Partei B: 17,5; Partei C: 9,95; Partei D: 0,05

Die erhaltenen Zahlen werden geometrisch auf ganzzahlige gerundet:

Partei A: 23; Partei B: 18; Partei C: 10; Partei D: 1; Summe: 52

Anmerkung zu Partei D: Das geometrische Mittel aus 0 und 1 ergibt sich entsprechend o. g. Regel aus der Quadratwurzel aus 0 × 1 und ist 0. Daher wird jede noch so kleine positive Zahl ganzzahlig auf 1 aufgerundet und das Hill/Huntington-Verfahren teilt jeder Partei mit auch nur einer einzigen Stimme einen Sitz zu – sofern die Anzahl der Parteien mit mindestens einer Stimme nicht größer ist als die Gesamtanzahl der zu vergebenden Sitze.

Die Summe der geometrisch gerundeten Quotienten ergibt 52, der Divisor von 20 ist also zu klein. Ein geeigneter Divisor ist 20,5. Es ergeben sich folgende Quotienten:

Partei A: 21,95; Partei B: 17,07; Partei C: 9,71; Partei D: 0,05

Die geometrische Rundung ergibt folgendes Sitzzuteilungsergebnis:

Partei A: 22 Sitze; Partei B: 17 Sitze; Partei C: 10 Sitze; Partei D: 1 Sitz; Summe: 50

Höchstzahlverfahren

Alternativ kann die Sitzzuteilung nach Hill/Huntington wie bei jedem anderen Divisorverfahren auch auf Basis des entsprechenden Höchstzahlverfahrens berechnet werden. Dabei werden die Stimmenzahlen der Parteien durch eine Divisorreihe geteilt. Die sich hieraus ergebenden Quotienten bezeichnet man als Höchstzahlen. Die Sitze werden in der Reihenfolge der größten Höchstzahlen an die Parteien verteilt. Dieser Algorithmus ist aufwendiger als der oben beschriebene. Der Vorteil besteht darin, dass man für den Fall einer Vergrößerung oder Verkleinerung des zu wählenden Gremiums um z. B. 1 Sitz auf den ersten Blick erkennen kann, welche Partei einen zusätzlichen Sitz erhalten würde bzw. auf einen Sitz verzichten müsste.

Die Divisorreihe für das Höchstzahlverfahren nach Hill/Huntington lautet:

0; 1,4142; 2,4495; 3,4641; 4,4721; 5,4772; 6,4807; 7,4833; 8,4853; 9,4868 usw.

Die Divisoren ergeben sich aus den geometrischen Mitteln der aufeinander folgenden Sitzansprüche. Der Divisor für den n-ten Sitz ist gleichzeitig die Rundungsgrenze zwischen dem n-ten und dem (n + 1)-ten Sitz nach dem oben beschriebenen Algorithmus.

Division durch null: Zwar ist eine Division durch 0 mathematisch im Allgemeinen nicht definiert, im konkreten Fall kann der Quotient als unendlich betrachtet werden. Die erste Höchstzahl einer jeden Partei mit mindestens einer Stimme ist somit unendlich, sodass keine Partei – sei sie noch so groß – einen zweiten Sitz zugeteilt bekommt, bevor nicht alle anderen mit mindestens einer Stimme ihren ersten Sitz erhalten haben.

Vergleich mit dem Dean-Verfahren

Das Hill/Huntington-Verfahren generiert i. d. R. dieselbe Sitzverteilung wie das Dean-Verfahren (Divisorverfahren mit harmonischer Rundung). Dies liegt daran, dass die Differenz des geometrischen und harmonischen Mittels zweier aufeinander folgender ganzer Zahlen sehr klein ist und mit steigender Größe der Zahlenpaare gegen null strebt. Demnach liegen die Rundungsgrenzen und die Divisorreihen für das Höchstzahlverfahren bei den beiden Verfahren sehr nah beieinander.

Zur Illustration ein Vergleich der Divisorreihen nach Hill/Huntington (erster Zahlenwert) und Dean (zweiter Zahlenwert):

0/0; 1,4142/1,3333; 2,4495/2,4000; 3,4641/3,4286; 4,4721/4,4444; 5,4772/5,4545; 6,4807/6,4615; 7,4833/7,4667; 8,4853/8,4706; 9,4868/9,4737 usw.

Die Nachkommastellen bzw. Rundungsgrenzen streben bei beiden Verfahren gegen den Nachkommawert 5, werden diesen aber nie ganz erreichen. Die Rundungsgrenze nach Hill/Huntington ist stets größer als nach Dean. Die Differenz liegt beim 10. Divisor nur noch bei 0,0131.

Weblinks