Hilde Schewior

Hilde Schewior (* 30. August 1896; † 6. Februar 1955 in Krefeld) war eine deutsche Tänzerin, Choreografin, Schauspielerin und Souffleuse.

Leben

Schewior wurde nach Anfängen am Stadttheater in Bochum und in Duisburg in den 1920er Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus als Schauspielerin und Tänzerin bekannt.[1] Als Schauspielerin von Rang trat sie etwa in Rudolf Borchardts Die geliebte Kleinigkeit (1919) auf, ein Stück, das 1925 unter der Regie von Ludwig Strauss am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt wurde.[2] In Düsseldorf unterrichtete sie Tanz und Rhythmische Gymnastik an der „Hochschule für Bühnenkunst“, der privaten Theaterakademie von Luise Dumont und Gustav Lindemann. Auch gehörte sie dort zu einer avantgardistischen Künstlerszene um die Maler Gert Heinrich Wollheim und Arthur Kaufmann. Letzterer nahm sie 1924/1925 im Kostüm der Jeanne d’Arc in sein Gruppen- und Freundschaftsbild Zeitgenossen auf.[3]

Ihre pantomimischen tänzerischen Darbietungen,[4] die einer Grauzone zwischen Tanz und Schauspielkunst angehören[5] und zum modernen Solo- und Ausdruckstanz der 1920er Jahre zählen,[6] wie etwa auch zeitgenössische Fotos von Nini und Carry Hess zeigen,[7][8] stießen seinerzeit durchaus auf ein geteiltes Echo. Während die Kritiker Alfred Jürgens und Luigia Gagliard ihre Tanzsoli, die sie auf Einladung der Vereinigung für junge Kunst im Februar 1925 im Oldenburgischen Staatstheater bei einem Gastspiel auf die Bühne brachte, lobten,[9] schrieb der Kritiker und Tanzhistoriker John Schikowski 1926:[10]

„Hilde Schewior, die man als ‚stumme Schauspielerin‘ feiert, hat sich im Laufe der Jahre eine treue Gemeinde geworben. Sie ist sicher eine kluge und geistvolle Künstlerin, der aber zum Tanz nicht nur die elementarste technische Schulung, sondern vor allem auch das rhythmische Körpergefühl mangelt. Sie gibt meist klug ersonnene Mosaiken von kleinen Momentbildern aus dem Leben. Manche ihrer Stellungen und Bewegungsfolgen mögen die Phantasie bildender Künstler anregen. Auch verdienen ihre mimische Verwandlungsfähigkeit und die sehr ausdrucksvollen Masken und Kostüme Anerkennung. Sympathisch wirkt, wenigsten in den seriösen Nummern ihres Programms, der Ernst der künstlerischen Gestaltung und eine zurückhaltende Bescheidenheit, die die vorhandenen spärlichen Mittel nicht überhitzt. Mit eigentlicher Tanzkunst aber haben die Darbietungen der Schewior im Grunde nichts zu tun.“

Ab Mitte der 1920er Jahre wurde sie für Stummfilmrollen engagiert. Ihr Filmdebüt hatte sie in Gerhard Lamprechts Sozialdrama Menschen untereinander (1926).[11] In dem Streifen Unter der Laterne (1928) trat sie als „Frieda“ auf, in Der Mann mit dem Laubfrosch (1929) als „Zimmermädchen“, in Geschminkte Jugend (1929) als „Mädchen bei Hillers“.

Als Schauspielerin und Assistentin des Regisseurs und Theaterleiters Otto Falckenberg an den Münchner Kammerspielen entwarf sie in den 1930er und 1940er Jahren Kostüme und choreografierte Tänze,[12][13] so etwa 1941 für Falckenbergs Inszenierung der Hochzeit des Figaro in Salzburg.[14] Auch als Regisseurin setzte er sie ein.[15]

Zu ihrer tänzerischen Darstellung des Orest, einer Pantomime in drei Akten und einem Vorspiel, lieferte Alfred von Beckerath 1940 die Musik.[16][17]

Literatur

  • Schewior, Hilde. In: Paul S. Ulrich: Theater, Tanz und Musik im Deutschen Bühnenjahrbuch. Ein Fundstellennachweis von biographischen Eintragungen, Abbildungen und Aufsätzen aus dem Bereich Theater, Tanz und Musik, die von 1836 bis 1984 im Deutschen Bühnenjahrbuch, seinen Vorgängern oder einigen anderen deutschen Theaterjahrbüchern erschienen sind. Berlin Verlag, Berlin 1985, ISBN 978-3-8706-1266-5, Band 2, S. 1331.
  • Emil Schaeffer: Tänzerinnen der Gegenwart. Zürich 1931 (Abbildung mit Porträt Schewiors der Fotografinnen Nini und Carry Hess).

Einzelnachweise

  1. Otto Brües: Luise Dumont. Umriß von Leben und Werk (= Schaubühne. Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte, Band 47). Emsdetten 1956, S. 100
  2. Christoph Schmitt-Maaß: Zwischen Vitalismus und Verfall: Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges und der Barockliteratur bei Dichtergermanisten des George-Kreises (1915–1945). In: Fabian Lampart, Dieter Martin, Christoph Schmitt-Maaß (Hrsg.): Der Zweite Dreißigjährige Krieg. Deutungskämpfe in der Literatur der Moderne (Klassische Moderne, Band 38). Ergon Verlag, Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-95650-491-4, S. 94 (Google Books)
  3. Gisela Müller-Kipp: Von schöner Hoffnung, frommer Provokation und schnöder Konkurrenz. Nachlese zum jungen Rheinland im Kunstpalast. In: Jan Wellem. Jahrgang 2009, Heft 2, S. 10 (PDF)
  4. Hilde-Schewior-Abend. In: Das Theater. 1928, S. 236
  5. Deutsches Musikjahrbuch. 1923, S. 243
  6. Karl Toepfer: Pantomime: The History and Metamorphosis of a Theatrical Ideology. Vosuri Media, San Francisco/Kalifornien 2019, ISBN 978-1-7332497-5-1, S. 682 (Google Books)
  7. Werner Suhr: Warum tanzen die Menschen? In: Tempo. Band 1927, Heft 2, S. 37 (Digitalisat)
  8. Anja Hellhammer: Von den Konturen des Körpers. Tanzfotografien von Nini und Carry Hess. In: Tanzdrama 12 (1999), Nr. 49, S. 18–22
  9. Gloria Köpnick: „… die Moderne will aber ekstatischen Seelenausdruck“ – Die Tanzgastspiele der Vereinigung für junge Kunst. In: Tanzwissenschaft. S. 6 f. (PDF)
  10. John Schikowski: Geschichte des Tanzes. Verone (Nachdruck), Berlin 1926, S. 153 (Google Books)
  11. Aus der Werkstatt. In: Kinematograph. Das älteste Film-Fach-Blatt. 20. Jahrgang, Nr. 995 (14. März 1926), S. 19 (PDF)
  12. Illustierter Beobachter. 1941, Folge 21, S. 615 (Google Books)
  13. Deutsches Bühnen-Jahrbuch, 1946, S. 360 f.
  14. Theater / Musik / Kunst. In: Innsbrucker Nachrichten. Nr. 110 (12. Mai 1941), S. 6 (PDF)
  15. Stefan Eickhoff: Max Schreck. Gespenstertheater. Belleville Verlag, München 2009, ISBN 978-3-9362-9854-3, S. 211, 471
  16. Zeitschrift für Musik, G. Bosse, 1940, Band 107, S. 182
  17. Alfred von Beckerath: Orest. Pantomime in 3 Akten und einem Vorspiel von Hilde Schewior. W. Müller, Heidelberg 1944