Heuschreckenplage 2019/2020

Ein Heuschreckenschwarm (Aufnahme von 2004)

Seit 2019 verursacht eine katastrophale Plage von Wüstenheuschrecken speziell am Horn von Afrika und in Pakistan große Schäden in der Landwirtschaft und gefährdet damit akut die Nahrungsmittelversorgung in der ohnehin krisengebeutelten Region.

Entstehung

Ihren Ursprung hat die Krise in der südlichen Arabischen Halbinsel im Bereich der Wüste Rub al-Chali.[1] Im Mai und Oktober 2018 brachten der Zyklon Mekunu und der Zyklon Luban intensive Niederschläge in diese Wüstenregion. Die dadurch ausgelöste starke Vegetationsentwicklung bot für mindestens neun Monate (Juni 2018 bis März 2019) reichlich Nahrung für die Wüstenheuschrecken, deren Population sich stark vergrößerte. Erste Schwärme verließen im Januar 2019 die Wüstenregion in Richtung südwestlichem Iran, Saudi-Arabien und Jemen. Wiederum begünstigt durch reichlichen Regen bildeten sich dort in den Monaten Februar bis Juni mehrere große Schwärme. Diese bewegten sich im Juni bis Dezember in Richtung der indo-pakistanischen Grenze weiter, wo das weitere Wachstum durch eine länger als normal andauernde Monsunperiode begünstigt wurde. Vom Jemen aus bewegten sich im Oktober bis Dezember 2019 Schwärme über das Rote Meer in Richtung Nord-Somalia und Äthiopien. Ein weiterer Wirbelsturm traf im Dezember 2019 auf das Horn von Afrika und ermöglichte ein weiteres Anwachsen der Schwärme, die Ende des Monats Kenia erreichten und Anfang Februar 2020 in Uganda und Tansania eintrafen.[2]

Im Dezember 2020 zogen erneut erste Schwärme von Heuschrecken über Kenia. Zuvor waren Bekämpfungsmaßnahmen in mehreren Staaten gescheitert. Eine weitere Verstärkung wird erwartet.[3]

Wissenschaftler machen gehäuft auftretende positive Phasen des Indischer-Ozean-Dipols für die starken Niederschlagsereignisse verantwortlich und vermuten hier auch einen Zusammenhang mit der globalen Erwärmung.[4]

Auswirkungen

Seit Oktober 2019 herrscht am Horn von Afrika eine massive Heuschreckenplage.[5] Am schlimmsten ist die Situation in Somalia, Kenia und Äthiopien. Weitere betroffene Gebiete liegen u. a. in Dschibuti, Uganda, Kongo, Sudan, Südsudan und Eritrea, auf der südlichen Arabischen Halbinsel, im westlichen Indien und Pakistan.[6] Viele dieser Länder haben den Notstand ausgerufen.[7][8][9][10][11][12]

Im Januar 2020 hatte ein Schwarm mit hunderten Millionen Insekten in Kenia eine Ausdehnung von 2.400 km², was ungefähr der Fläche des Saarlandes entspricht. Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) vertilgt ein Quadratkilometer eines Heuschreckenschwarms die gleiche Nahrungsmenge wie 35.000 Menschen.[13] Im Februar 2020 waren bereits 5.000 km² Land zerstört.[14] Es gilt als die schlimmste Plage durch Wüstenheuschrecken seit 70 Jahren in Kenia und seit 25 Jahren in Äthiopien und Somalia.[15] Laut UN könnte die Heuschrecken-Population bis Juni 2020 sogar noch um das 500-fache steigen. Dann wären bis zu 13 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht, und das in Regionen, die sich bereits jetzt in einer kritischen Ernährungssituation befinden.[7] Es wird zudem befürchtet, dass die Plage noch mehrere Jahre anhalten könnte.[14] Die FAO bewertete die Situation im April 2020 als „weiterhin alarmierend“. Die Regenzeit in Ostafrika werde voraussichtlich zu einem dramatischen Anstieg von Heuschrecken führen. Bedingt durch die globale Erwärmung, steigt laut Klimaforschern die Anzahl der Zyklone jährlich an, was eine Heuschreckenkrise begünstigt.[16]

Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen der betroffenen Gebiete derzeit Bürgerkriege herrschen (siehe etwa in Südsudan, Somalia und Jemen, wo derzeit zusätzlich eine Cholera-Epidemie ausgebrochen ist). Dadurch wird nicht nur die Bekämpfung der Plage erschwert, sondern es befinden sich bereits Millionen Menschen auf der Flucht, deren Situation sich nun weiter zu verschlechtern droht. Hinzu kommt seit Anfang 2020 die weltweite COVID-19-Pandemie. Ebenfalls verstärkt wurden die Auswirkungen der Heuschreckenplage 2019/2020 durch die Überschwemmungen im Sudan 2020, da hierdurch viele Felder überflutet wurden, die zuvor von den Heuschrecken verschont geblieben waren.[17]

Bekämpfung und Hilfsmaßnahmen

Eine frühe Bekämpfung des Schwarms mit Pestiziden im Jemen war wegen des Bürgerkriegs nicht möglich, so dass sich die Tiere dort ungestört vermehren konnten.[2]

Zur Bekämpfung werden in Ostafrika verstärkt Pestizide versprüht,[18][19] daneben wird eine biologische Bekämpfung durch den parasitischen Pilz Metarhizium acridum getestet.[15] Die FAO hat zu staatlichen Spenden in Höhe von 153 Millionen US-Dollar aufgerufen[15]; 144 Millionen waren im Mai 2020 insgesamt von Staaten zugesagt worden.[15]

Gegen die Plage eingesetzte Pestizide in afrikanischen Staaten (Auswahl)[15]
Stand: 26. Mai 2020
PestizideÄthiopienUgandaKeniaSudanSüdsudan
Chlorpyrifos220.000 Liter025.000 Liter
Deltamethrin050.000 Liter305.600 Liter
Fenitrothion008.000 Liter
Malathion110.000 Liter100.000 Liter015.000 Liter

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Locust watch: Current upsurge (2019–2020). Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), abgerufen am 15. März 2020 (englisch).
  2. a b Erik Stokstad: In Somalia, an unprecedented effort to kill massive locust swarms with biocontrol. In: sciencemag.org. 12. Februar 2020, abgerufen am 11. März 2020, doi:10.1126/science.abb2759 (englisch).
  3. Furcht vor zweiter Heuschreckenplage in Ostafrika. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Dezember 2020. Abgerufen am 6. Dezember 2020.
  4. Alexander Freund: Wetterphänomen sorgt für Brände, Starkregen und Heuschreckenplage. In: dw.com. 14. März 2020, abgerufen am 14. März 2020.
  5. Desert Locust Bulletin No.496, 3. February 2020. (PDF; 946 kB) FAO Desert Locust Information Service, 3. Februar 2020, abgerufen am 11. März 2020 (englisch).
  6. Eine Gefahr für Millionen Menschen. Abgerufen am 27. Mai 2020.
  7. a b Kerstin Bandsom: Heuschreckenplage in Ostafrika und Südasien. In: welthungerhilfe.de. 11. März 2020, abgerufen am 11. März 2020.
  8. Areas affected by the desert locust crisis in the Greater Horn of Africa: FAO in Emergencies. In: fao.org. März 2020, abgerufen am 8. März 2020 (englisch).
  9. Die Schweiz unterstützt die Bevölkerung Ostafrikas im Kampf gegen die Heuschreckeninvasion. In: eda.admin.ch/deza. 18. Februar 2020, abgerufen am 19. Februar 2020.
  10. Kamran Chaudhry: Pakistan proclaims national emergency following locust invasion. In: asianews.it. 4. Februar 2020, abgerufen am 11. März 2020 (englisch).
  11. Pakistan declares national emergency over locust swarms. In: dw.com 1. Februar 2020, abgerufen am 11. März 2020 (englisch).
  12. Somalia declares emergency after worst desert locusts invasion. In: garoweonline.com. 2. Februar 2020, abgerufen am 11. März 2020 (englisch).
  13. Die achte Plage. Abgerufen am 27. Mai 2020.
  14. a b Welthungerhilfe: Heuschrecken könnten Jahre bleiben. In: tagesschau.de. 8. März 2020, abgerufen am 8. März 2020.
  15. a b c d e Christoph Seidler, DER SPIEGEL: Verheerende Heuschreckenplage: Die fliegende Gefahr - DER SPIEGEL - Wissenschaft. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  16. Welthungerhilfe - Kampf gegen die Heuschreckenplage. Abgerufen am 20. Mai 2020.
  17. "Keine Erholung zwischen den Katastrophen". In: Tagesschau.de, 29. September 2020. Abgerufen am 30. September 2020.
  18. Heuschrecken mit Pestiziden bekämpft. In: schweizerbauer.ch. 4. Februar 2020, abgerufen am 5. Februar 2020.
  19. Lennart Pyritz: Heuschreckenplage in Ostafrika – „Die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen ist in Gefahr“. In: deutschlandfunk.de. 26. Februar 2020, abgerufen am 8. März 2020.

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Criquet migrateur Schistocerca gregaria Juncus maritimus at Imililik, Western Sahara (April, 1944).png
Autor/Urheber: Magnus Ullman, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Outbreak of desert locust (Schistocerca gregaria) in southwestern Morocco in November 2004. Photo credit: Magnus Ullman