Hermann Deckert

Hermann Siegfried Joachim Deckert (* 31. August 1899 in Samtens auf Rügen; † 11. November 1955 in Hannover) war ein deutscher Kunsthistoriker und Denkmalpfleger.

Leben und Wirken

Hermann Deckert studierte Kunstgeschichte an der Universität Marburg bei Richard Hamann. Er promovierte dort 1927 über Die lübisch-baltische Skulptur im Anfang des 16. Jahrhunderts und habilitierte sich bereits im Folgejahr ebendort. Bis zum Wintersemester 1933/34 lehrte er als Privatdozent am kunstgeschichtlichen Seminar.[1] Er wurde 1934 beurlaubt und verzichtete auf die venia legendi, nachdem er der Unterschlagung bezichtigt worden war.[2] Sein Marburger Kollege Karl Löwith[3] beschrieb ihn in seinen Memoiren als einen „unserer begabtesten jungen Dozenten“.[4]

Deckert ging nach Hannover und wirkte ab 1934 mit bei der Inventarisation der Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Nach dem Tod von Heinrich Siebern und der nur kurzen Amtszeit von Gustav Darr wurde Deckert 1938 zunächst kommissarischer, 1939 endgültig Provinzialkonservator für die preußische Provinz Hannover und anschließend 1946 bis 1951 erster Niedersächsischer Landeskonservator.

Als Denkmalpfleger ließ er Ausstattungsteile der romanischen St. Michaelis-Kirche in Hildesheim auslagern und schützte diese so vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

Nach dem Krieg nahm er als Landeskonservator ähnlich wie Rudolf Hillebrecht eine Position ein, die sich sehr kritisch gegenüber Bauten der Jahrhundertwende und Gründerzeit verhielt, die er und seine Generation noch nicht als historische und eigenwertige Objekte erkannte. Häuser der Karmarschstraße bezeichnete er als „Schandmale der Gründerzeit“, die alte Markthalle und das Pfarrhaus der Kreuzkirche hätte er gern abreißen lassen, wenn das nicht der Zweite Weltkrieg besorgt hätte.[5]

1949 wurde Deckert als Professor für Bau- und Kunstgeschichte an die Technische Hochschule Hannover berufen und stand der Hochschule von 1951 bis 1952 als erster geisteswissenschaftlicher Rektor vor.[6] Ebenfalls 1949 war er Fachjuror im Architekturwettbewerb um den Wiederaufbau des Opernhauses Hannover.[7] 1953 war er Gründungsvorsitzender der Laves-Gesellschaft.[8] Seit 1952 war er ordentliches Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.

Hermann Deckert war mit Anna Deckert verheiratet.

Schriften (Auswahl)

  • Studien zur hanseatischen Skulptur im Anfang des 16. Jahrhunderts. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. Bd. 1, 1924, S. 55–98.
  • Die lübisch-baltische Skulptur im Anfang des 16. Jahrhunderts. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. Bd. 3, 1927, S. 1–75 (= Dissertation).
  • mit Robert Freyhan und Kurt Steinbart: Religiöse Kunst aus Hessen und Nassau: Kritischer Gesamtkatalog der Ausstellung Marburg 1928. 3 Bände, Kunstgeschichtliches Seminar Marburg/Lühe Leipzig 1928.
  • Zum Begriff des Porträts. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. 5, 1929, S. 261–282.
  • Opus interrasile als vorromanische Technik. Kunstgeschichtliches Seminar Marburg, 1930.
  • Dom und Schloß zu Merseburg: Auf Grund der Ergebnisse des ersten kunstgeschichtlichen Schulungslagers in Halle 1934. Hopfer, Burg 1935.
  • Zur Altstadtgesundung in Hannover. In: Die Denkmalpflege in der Provinz Hannover. 1936, S. 6ff.
  • Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Bd. 27: Die Kunstdenkmale des Kreises Soltau. Selbstverlag der Provinzialverwaltung/Schulze, Hannover 1939. (Neudruck: Wenner, Osnabrück 1980, ISBN 3-87898-188-0)
  • Einige spätromanische Sitzmadonnen in Niedersachsen. In: Festschrift Richard Hamann zum sechzigsten Geburtstage 29. Mai 1939, überreicht von seinen Schülern. Hopfer, Burg 1939, S. 23–30.
  • Die Dorfkirche in Niederhausen. 1940.
  • mit Hans Roggenkamp: Das alte Hannover. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1952.

Literatur

  • Michael Jung: Eine neue Zeit. Ein neuer Geist? Eine Untersuchung über die NS-Belastung der nach 1945 an der Technischen Hochschule Hannover tätigen Professoren unter besonderer Berücksichtigung der Rektoren und Senatsmitglieder. Hrsg. v. Präsidium der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, ISBN 978-3-7319-1082-4 (vollständig als PDF-Dokument), S. 140.
  • Nachruf. In: Niederdeutsches Heimatblatt 1956, S. 73.
  • Hans Vogel: Hermann Deckert. In: Kunstchronik 9, 1956, S. 174–176.
  • Catalogus professorum 1831-1981. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 2, Stuttgart 1981, S. 43.
  • Stefanie Lindemeier: Die ausführenden Kunst- und Kirchenmaler, sowie Kurzbiographie Deckert, Hermann Siegfried Joachim, in dies.: Studien zur Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe – und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen : Darstellung von historischen Methoden, Technikem und Materialien, Dissertation 2009 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Band 2 (Textband), passim, v. a. S. 306f.; Digitalisat der Hochschule für Bildende Künste Dresden

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kunstgeschichte im Nationalsozialismus: Marburg. (Memento vom 28. Juni 2007 im Internet Archive) abgerufen am 27. März 2010
  2. Karl Löwith: Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht, neu herausgegeben von Frank-Rutger Hausmann, mit einem Vorwort von Reinhart Koselleck. 2. Auflage. 2007, ISBN 978-3-476-02181-6, S. 69.
  3. Hans-Georg Gadamer: Marburger Erinnerungen: IV. Dozentenjahre. In: alma mater philippina. Wintersemester 1974/75, Marburg 1974, S. 22.
  4. Karl Löwith: Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht, S. 69.
  5. Friedrich Lindau: Planen und Bauen der 50er Jahre in Hannover. Schlütersche, Hannover 1998, ISBN 3-87706-530-9, S. 30.
  6. Rektoratsreden im 19. und 20. Jahrhundert – Online-Bibliographie: Hermann Deckert, abgerufen am 27. März 2010
  7. Friedrich Lindau: Hannover. Wiederaufbau und Zerstörung. Die Stadt im Umgang mit ihrer bauhistorischen Identität. Schlütersche, Hannover 2001, ISBN 3-87706-659-3, S. 56.
  8. Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein: Geschichte der Stadt Hannover. Schlütersche, Hannover 1994, ISBN 3-87706-319-5, S. 236.

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