Heritage Foundation

Die Heritage Foundation ist eine Denkfabrik (Think Tank) mit Sitz in der US-amerikanischen Bundeshauptstadt Washington. Das einflussreiche politische Forschungsinstitut, dessen Motto Leadership for America („Führung für Amerika“) lautet, verfolgt nach eigenen Worten die Förderung „konservativer Politik auf der Grundlage der freien Marktwirtschaft, des minimalen Staats, der individuellen Freiheit, traditionellen amerikanischen Werten und einer starken nationalen Verteidigung“. Die Funktionsweise der Heritage Foundation hat das traditionelle Konzept der Denkfabriken grundlegend verändert und einen signifikanten Effekt auf die Innen- und Außenpolitik der Vereinigten Staaten ausgeübt.

Die Stiftung ist Mitglied des Atlas Network[1] und spielte eine führende Rolle in der konservativen Bewegung während der Regierung von Ronald Reagan, dessen Politik signifikant durch die Heritage-Studie Mandate for Leadership beeinflusst war.[2] Auch in späteren Jahren behielt Heritage einen signifikanten Einfluss auf die US-Politik und wird zu den einflussreichsten Forschungsorganisationen der Vereinigten Staaten gerechnet. Dieser Einfluss war dementsprechend besonders stark während der republikanischen Regierung von George W. Bush.[3] Die Heritage Foundation ist nach einer Umfrage von James McGann (Universität von Pennsylvania) von Politikern, Medienleuten, Unterstützern und Wissenschaftlern im Jahr 2018 einer der führenden Think Tanks und weltweit der Think Tank mit dem größten Einfluss auf die Politik.[4]

Die Organisation hat sich aktiv für Privatisierung, Deregulierung, einen Rückgang in den Sozialleistungen sowie militärische Präventivschläge eingesetzt; sie spielte eine Schlüsselrolle bei der politischen Entwicklung hin zum Irakkrieg.[5]

Geschichte und Schwerpunkte

Die Stiftung wurde 1973 gegründet. Anfangs wurde sie von dem konservativen Geschäftsmann Joseph Coors, dem Besitzer der Coors Brewing Company finanziert. Ab 1975 war der Milliardär Richard Mellon Scaife der bedeutendste Geldgeber, der bis 1998 etwa 23 Millionen Dollar spendete.[6]

Führung

Der erste Präsident der Stiftung war der konservative Aktivist Paul Weyrich. Von 1977 an stand Edwin Feulner der Heritage Foundation vor, der früher Stabsleiter des Republican Study Committee und davor Referent für den republikanischen Kongressabgeordneten Phil Crane aus Illinois war. Von 2013 bis 2017 war Jim DeMint Präsident der Denkfabrik. Seit 2017 leitet Kay Coles James die Heritage Foundation, sie ist die erste Frau und die erste Afroamerikanerin in dieser Funktion.[7]

Dem 14-köpfigen Leitungsgremium gehört unter anderem Edwin Meese, Justizminister im Kabinett Reagan, an.

Kalter Krieg und außenpolitisches Engagement

In den 1980ern war die Organisation Architekt und Befürworter der Reagan-Doktrin, die vorsah, dass die US-Regierung antikommunistische Widerstandsbewegungen an Orten wie Afghanistan, Angola, Kambodscha und Nicaragua und allgemein den globalen Antikommunismus während des Kalten Kriegs unterstützte. Außenpolitische Experten der Heritage Foundation lieferten auch politische Ratschläge für jene Rebellionskräfte und für Dissidenten in Ostblocknationen und sowjetischen Republiken. Als Bastion der Neokonservativen vertrat die Organisation eine Politik der Abschreckung und militärischen Aufrüstung gegenüber der Sowjetunion. Schon im Kalten Krieg forderten ihre Forscher die militärische Überlegenheit über ihren kommunistischen Widersacher.[8]

Die Stiftung spielte eine wichtige Rolle bei der Förderung des Glaubens von Ronald Reagan, dass die ehemalige Sowjetunion ein „Reich des Bösen“ sei und dass ihre Niederlage und nicht bloß ihre Eindämmung ein realistisches Politikziel sei. Heritage war ebenfalls wichtig bei dem Ausbau der Unterstützung für Reagans Pläne, einen satellitengestützten Abwehrschirm gegen Interkontinentalraketen zu bauen (Strategic Defense Initiative, oder im Volksmund „Star-Wars-Programm“).

Vertreter der Trump-Regierung wählten Heritage als Plattform für außenpolitische Reden, so etwa bei der Verkündung neuer Strategien gegenüber Europa[9] oder Iran.[10]

Innenpolitische Wirtschaftspolitik

In der Innenpolitik befürwortet Heritage eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und argumentiert, dass eine Absenkung des Grenzsteuersatzes für das Wirtschaftswachstum förderlich sei. (Siehe auch: Reaganomics)

1994 beriet Heritage konservative Politiker wie Newt Gingrich bei der Entwicklung des Contract with America, des Wahlprogramms, mit dem die Republikaner bei den Zwischenwahlen 1994 die Mehrheit im Kongress zurückgewannen.

In dieser Tradition blieb Heritage auch in Zeiten der Trump-Regierung: „We are ramping up our efforts to get them conservative policy solutions that will shrink the size of government, reform the tax code...“

Innenpolitische Gesellschaftspolitik

Unter der Trump-Regierung warb Heritage um neue Mitglieder mit dem Aufruf: „Join the fight to drain the swamp – Donald Trump and many Republican Congressmen promised they’d drain the swamp. And Heritage is here to help them do just that! ... dismantle Obamacare, and secure our borders.“

Index für wirtschaftliche Freiheit

Seit 1995 veröffentlicht die Organisation in Zusammenarbeit mit dem Wall Street Journal den Index für wirtschaftliche Freiheit (englisch Index of Economic Freedom), der den Grad wirtschaftlicher Freiheit in einem Staat anhand von Verfügungsrechten (property rights) und dem Ausmaß staatlicher Regulierung des Marktes misst. Weitere Parameter sind staatliche Korruption, Beschränkungen des Außenhandels, Einkommens- und Körperschaftssteuer, sowie das Rechtsstaatsprinzip.

Haltung zur Umweltpolitik

Die Heritage Foundation arbeitet gemäß der Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes seit langer Zeit daran, Umweltschutzvorschriften zu untergraben.[11] Die Organisation zählt zu den konservativen US-Think-Tanks, die seit mindestens Anfang der 1990er Jahre Klimawandelleugnung betreiben. Unter anderem spielt die Organisation mit weiteren Think Tanks eine entscheidende Rolle bei Aktivitäten, die gegen die Klimaforschung gerichtet sind, beispielsweise die Produktion von Publikationen, die die Klimaforschung angreifen, Sponsoring von klimaskeptischen Wissenschaftlern, Bereitstellen von vermeintlichen Klimaexperten für Debatten, Organisieren von Frontgruppen für spezifische Kampagnen oder Angriffe auf Klimaforscher, um die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung zu untergraben.[12]

Personalauswahl für die Trump-Administration

Die New York Times schätzte die Heritage Foundation als die einflussreichste Organisation ein, was die Auswahl von hochrangigen Regierungsmitarbeitern für Präsident Donald Trump in seiner Regierungzeit (2017 bis 2021) betraf. Als Trump gewählt wurde, hatte er kein Regierungsteam vorbereitet, das für die Transition und die Regierungsübernahme bereitstand. Die Heritage-Foundation hingegen hatte schon seit 2014 eine Liste von rund 3000 konservativen Politikern und Verwaltungsmitarbeitern vorbereitet. Mehrere hundert davon sollen, nach Schätzungen von Heritage-Mitarbeitern, Stellen unter Trump erhalten haben. Mindestens 66 eigene Mitarbeiter der Stiftung und Ehemalige wurden von der Regierung Trump berufen. Einige erhielten Ministerämter oder andere hochrangige Posten, zum Beispiel Elaine Chao, Scott Pruitt, Betsy DeVos, Mick Mulvaney, Rick Perry und Jeff Sessions.[13] Außerdem stellte das zu Heritage gehörende Meese Center for Legal and Judicial Studies eine Liste von Juristen zusammen, die für den Supreme Court empfohlen wurden. In der Folge kündigte Trump an, mit dem Meese Center bei der Auswahl von Bundesrichtern zusammenarbeiten zu wollen, und zog die Liste zur Besetzung von Richterposten der Bundesgerichte heran.[13][14]

Medien

Die Heritage Foundation betreibt das Online-Portal The Daily Signal. Die konservative Nachrichtenseite ging im Juni 2014 online und konzentriert sich auf Politik und Kultur aus konservativer Sicht.[15]

Project 2025

Im Juli 2023 wurden Pläne für ein federführend von der Heritage Foundation geplantes Regierungsprogramm für einen etwaigen republikanischen US-Präsidenten bekannt, die vorsehen, alle Handlungsfelder der US-Regierung zusammenzustreichen. Die Handlungsempfehlung, die die Heritage Foundation zusammen mit rechten Gruppierungen und mehr als 350 Autoren aus der rechten Szene verfasste, sehen unter anderem die Unterstützung der Öl- und Gasindustrie vor, während die Energiewende behindert werden soll. Dafür sollen beispielsweise drei für die Energiewende zentrale Behörden des Energieministeriums aufgelöst und Gelder für den Ausbau des Stromnetzes gekürzt werden, um die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auszubremsen. Gleiches gilt für die Klimainvestitionen durch den milliardenschweren Inflation Reduction Act. Die Umweltbehörde EPA soll entkernt und durch Entlassung von Mitarbeitern verkleinert werden. Ihr Fokus soll nicht mehr auf der Bekämpfung des Klimawandels liegen und verschiedene Aufgaben in den Bereichen Umweltgerechtigkeit und öffentliches Engagement sollen beendet werden. Parallel sollen fossile Energiequellen besser unterstützt und die Regularien für die Bohrung nach Öl und Gas gelockert werden.[11]

Des Weiteren soll die Macht des US-Präsidenten erweitert werden. Die US-Handelskommission und die Medienkommission sollen ihm direkt unterstellt werden. Der Kündigungsschutz für Regierungsbeamte soll wesentlich eingeschränkt werden, damit Personen, die als illoyal angesehen werden, zügig entfernt werden können. Insbesondere soll die Einstufung von Bundesangestellten als Schedule F-Angestellte wiedereingeführt und umfassend umgesetzt werden.[16] Ebenfalls sehen die Pläne des Project 2025 massive Eingriffe in das Justizministerium, die NATO und etliche Handelsabkommen vor.[17]

Einer der Wortführer des Project 2025 ist der Senator Josh Hawley, der sich beim Sturm auf das Capitol mit den Umstürzlern solidarisierte. Auf der 50-Jahr-Feier der Heritage Foundation sprach Hawley über die Neuausrichtung der Republikanischen Partei. Generalstabsmäßig plant Paul Dans, der in der Trump-Administration für das Personalmanagement zuständig war und nun bei der Heritage Foundation das Project 2025 leitet, die konservative Revolution, die er selbst als „D-Day-Invasion im Januar 2025“ bezeichnet und damit bewusst auf die Landung der Alliierten in der Normandie und die Befreiung Europas vom Faschismus anspielt.[17]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. George Monbiot: What links Rishi Sunak, Javier Milei and Donald Trump? The shadowy network behind their policies. In: The Guardian, 6. Januar 2024. Abgerufen am 6. Januar 2024.
  2. Weisberg, Jacob. Happy Birthday, Heritage Foundation, Slate, January 9, 1998.
  3. Berkowitz, Bill. The Heritage Foundation at 35 (Memento desOriginals vom 19. März 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/old.mediatransparency.org, Media Transparency, March 3, 2008.
  4. James McGann: 2018 Global Go To Think Tank Index Report S. 226. In: TTCSP Global Go To Think Tank Index Reports. 1. Januar 2019 (upenn.edu [abgerufen am 15. März 2019]).
  5. Archivlink (Memento desOriginals vom 13. Juli 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ipsnorthamerica.net
  6. Jane Mayer: Dark Money: The Hidden History of the Billionaires Behind the Rise of the Radical Right. Doubleday, New York 2016, ISBN 978-0-385-53559-5. S. 77f.
  7. The Atlantic: The First Black Woman to Lead the Heritage Foundation, 15. Dezember 2018
  8. Kubilay Yado Arin: „Die Rolle der Think Tanks in der US-Außenpolitik. Von Clinton zu Bush Jr.“ VS Springer Verlag, Wiesbaden, 2013, ISBN 978-3-658-01043-0.
  9. https://de.usembassy.gov/de/staerkung-des-westlichen-buendnisses/
  10. https://de.usembassy.gov/de/nach-dem-abkommen-eine-neue-iran-strategie/
  11. a b ‘Project 2025’: plan to dismantle US climate policy for next Republican president. In: The Guardian, 27. Juli 2023. Abgerufen am 27. Juli 2023.
  12. Riley Dunlap, Aaron M. McCright: Challenging Climate Change. The Denial Countermovement. In: Riley Dunlap, Robert J. Brulle (Hrsg.): Climate Change and Society. Sociological Perspectives. Report of the American Sociological Association’s Task Force on Sociology and Global Climate Change. Oxford University Press 2015, 300-332, S. 312.
  13. a b Jonathan Mahler: How One Conservative Think Tank Is Stocking Trump’s Government. New York Times, 20. Juni 2018
  14. Adam Liptak: Trump to Announce Slate of Conservative Federal Court Nominees. In: New York Times. 7. Mai 2017, abgerufen am 15. Dezember 2018.
  15. Daily Signal. Abgerufen am 12. März 2020 (amerikanisches Englisch).
  16. Mandate for Leadership: The Conservative Promise. Project 2025: Presiential Transition Project. The Heritage Fundation, 2023, abgerufen am 3. März 2024 (englisch): „Reissue Trump’s Schedule F executive order to permit discharge of nonperforming employees.“ S. 535.
  17. a b Ein rechtes Netzwerk schmiedet einen Masterplan für Trumps zweite Amtszeit – sie würde die Welt erschüttern. In: Stern (Marc Etzold). 10. August 2023, abgerufen am 4. Februar 2024.