Herbert Krüger

Herbert Krüger (1980)
Das Grab von Herbert Krüger und seiner Ehefrau Ingeborg auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg.

Herbert Krüger (* 14. Dezember 1905 in Krefeld; † 25. April 1989 in Hamburg)[1] war ein deutscher Rechtswissenschaftler.

Leben

Durch die Beziehungen seines Vaters (Kaufmann) zu Russland lebte Krüger als Kind mehrere Jahre in Moskau,[2] wo er bis 1914 die Schule besuchte.[3] Nach dem Abitur, das er 1924 in Köln bestand,[4] studierte er bis 1928 Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln, in Heidelberg und Berlin.[5] Er gehörte dem Corps Rhenania Heidelberg an.[6] In Berlin bestand Krüger 1928 das Referendarexamen und 1932 das Assessorexamen.[5] 1934 folgte an der dortigen Friedrich-Wilhelms-Universität eine strafrechtstheoretische Promotion zum Thema Rechtsgedanke und Rechtstechnik im liberalen Strafrecht bei Eduard Kohlrausch,[5] im Jahr 1936 die Habilitation bei Rudolf Smend mit der (verschollenen) staatstheoretischen Arbeit Das Verhältnis von Recht und Wirklichkeit in der Rechts- und Staatslehre des 19. Jahrhunderts.[7]

Krüger war 1936 zunächst als Privatdozent in Berlin und später an der Universität Heidelberg tätig.[8] In Heidelberg wurde er 1937 zum außerordentlichen Professor für öffentliches Recht und Kirchenrecht und 1940 zum ordentlichen Professor ernannt.[9] Er gehörte dem Reichsbeirat der Universität an und war Mitglied des Senats.[10] Im Jahr 1941 wurde Krüger ordentlicher Professor an der Reichsuniversität Straßburg, wo er das Fach Verwaltungsrecht betreuen sollte.[11] Da er jedoch nicht von der Wehrmacht freigestellt wurde, zu der er im August 1939 eingezogen wurde,[12] hielt er keine Lehrveranstaltungen ab.[13] Bis Mitte Dezember 1943 war er Batteriechef einer 10,5-cm-Flakbatterie im Raum Mannheim, anschließend Referent für "Wehrgeistige Führung" beim Luftgaukommando XII in Wiesbaden.

Krüger war Nationalsozialist, trat am 2. November 1933 der SS[14] (Mitgliedsnummer 185.074) und am 1. Mai 1937 der NSDAP[15] (Mitgliedsnummer 4.271.348) bei. Seit 1944 gehörte er dem Führungskreis des NSDDB an.[16]

Nach 1945 war Krüger zunächst Rechtsanwalt und Repetitor in Frankfurt am Main.[17] Seit 1951 war er Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder in Hamburg.[18] Im Jahr 1955 wurde Krüger, nachdem er sich schon 1951 auf dem ersten Platz einer Berufungsliste der Georg-August-Universität Göttingen befunden hatte,[19] auf einen Lehrstuhl für Staats- und Völkerrecht an der Universität Hamburg berufen, der er bis zu seiner Emeritierung angehörte.[20]

Im Jahr 1991 errichtete seine Tochter Gabriele Krüger die Professor-Herbert-Krüger-Stiftung zur Förderung der überseeischen Verfassungsvergleichung.[21] Krügers etwa 15.000 Bände umfassende Privatbibliothek schenkte seine Tochter und Erbin gemäß seinem Willen der Universitätsbibliothek Gießen, wobei sein Schüler Brun-Otto Bryde (Professor für öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen und von 2001 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht) vermittelnd mitwirkte.[22]

Werk

Krüger gehörte zu der Gruppe von Staatsrechtlern, die sich bereitwillig auf die Seite des nationalsozialistischen Regimes stellten.[23] In einer seiner Schriften schrieb er etwa, dass durch die „Nationale Revolution“ „der ganze gedankliche und literarische Apparat des Liberalismus und der Demokratie in die Rumpelkammer geraten“ sei.[24] Wenn auch noch in allgemeinen Formeln finden sich in Krügers Schriften antisemitische Ansichten.[25] Ebenso weisen seine Schriften Elemente völkischen Gedankenguts auf.[26] Krüger plädierte im Übrigen für den Vorrang der NSDAP gegenüber dem Staat.[27] Zudem hat er sich intensiv mit dem „Führer“ auseinandergesetzt, u. a. mit dessen staatsrechtlicher Einordnung.[28]

Nach dem Krieg waren Arbeitsschwerpunkte Krügers das deutsche Wirtschaftsverfassungsrecht, das Völkerrecht, die Staatstheorie sowie in seinen letzten Lebensjahren vor allem die überseeische Verfassungsvergleichung.[29] Er war Gründer des Arbeitskreises Überseeische Verfassungsvergleichung[30] und begründete im Jahr 1968 die Zeitschrift Verfassung und Recht in Übersee.[22]

In seiner 1964 erschienenen, über 1.000 Seiten umfassenden, Allgemeinen Staatslehre definiert Krüger Staatsgewalt „als die General- und Blankovollmacht des Staates, sich nach eigenem Gutdünken mit allen Mitteln versehen zu dürfen, deren es zur Auseinandersetzung mit eingetretenen oder drohenden Lagen bedarf“.[31] „Der Bürger vollendet sein Werk der Staatshervorbringung als Untertan, indem er durch absoluten Gehorsam dem Staat zu jener unbedingten Wirksamkeit verhilft, ohne die er seinem Sinn, die die Gruppen bedrohenden Lagen zu meistern, nicht erfüllen könnte.“[32] Die Leistung von Gehorsam gegenüber dem Staat sei „höchste irdische Selbsterfüllung der Menschenwürde“.[33] Die Aufmerksamkeit des Bürgers für den Grundrechtsteil der Verfassung erinnere „nur allzu oft fatal an das Interesse, das der Kriminelle am Strafgesetzbuch nimmt.“[34] Aufgrund dieser und entsprechender Äußerungen wurde die Allgemeine Staatslehre als „antidemokratische Staatsdoktrin, die dem absolutistischen Untertanenstaat das Wort redet“ bezeichnet.[35] Da Krüger zudem seine Staatslehre als „Ergebnis einer Bemühung von beinahe 35 Jahren“ bezeichnet[36] und mehrfach ohne Einschränkung aus seinem 1940 erschienenen Buch Die geistigen Grundlagen des Staates zitiere, sei die Kontinuität des Denkens gewahrt.[37]

Beim Kösener Congress 1971 in Würzburg hielt er den Festvortrag.[38]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Der Führer als Wendepunkt des Denkens. In: Jugend und Recht. Zeitschrift für Neugestaltung des deutschen Rechts. Hrsg.: Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund, Junge Rechtswahrer. Berlin 1934, Nr. 150.
  • Der Aufbau der Führerverfassung. In: Deutsches Recht 5. Jg. 1935, S. 210 ff.
  • Führer und Führung. Korn, Breslau 1935.
  • Vertrauen als seelische Grundlage der Volksgemeinschaft. Winter Verlag, Heidelberg 1940 (Kriegsvorträge der Universität Heidelberg).
  • Die geistigen Grundlagen des Staates. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin 1940
  • Einheit und Freiheit. Die Strukturprobleme der Verfassungstypologie. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1944.
  • Allgemeine Staatslehre. Kohlhammer, Stuttgart 1964 (2. Aufl. 1966).
  • Rechtsstaat, Sozialstaat, Staat. Oder: Rechtsstaat + Sozialstaat ergeben noch keinen Staat (= Hamburger Öffentlich-rechtliche Nebenstunden 29). Metzner, Frankfurt am Main 1975.

Literatur

  • Kurt Sontheimer: Endlich wieder eine Staatslehre. In: Die Zeit, Nr. 40/1964.
  • Thomas Oppermann: Ein deutscher Staatsrechtslehrer im 20. Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag von Herbert Krüger (1905–1989). In: Archiv des öffentlichen Rechts (AöR), 130 Bd., 2005, S. 494–499.
  • Rolf Seeliger: Braune Universität. Deutsche Hochschullehrer gestern und heute, Band 6, 1968, S. 41 ff.
  • Wilhelm R. Beyer: Sollen wir wieder Untertanen werden? Aus den Werken des Hamburger Universitätsprofessors Herber Krüger. In: Staat und Recht 1964, S. 1268–1270.
  • Herwig Schäfer: Juristische Lehre und Forschung an der Reichsuniversität Straßburg 1941–1944 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 23). Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147097-4, S. 82–84 und 248 f.
  • Thomas Oppermann: Herbert Krüger zum 70. Geburtstag. In: Archiv des öffentlichen Rechts 100 (1975), S. 624–627.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2. Auflage, 2007, S. 344.
  • Hellmuth Hecker, Knud Krakau und Thomas Oppermann (Hrsg.): Herbert Krüger. Staat, Wirtschaft, Völkergemeinschaft. Ausgewählte Schriften aus vierzig Jahren, 1970.
  • Bernd Bader: Mäzene, Künstler, Büchersammler, in: Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv Gießen 57 (2007) (PDF; 3,4 MB), S. 210 ff.
  • Thomas Oppermann: Nachruf. In: Archiv des öffentlichen Rechts 115 (1990), S. 311–313.
  • Dieter Suhr: Nachruf. In: Neue Juristische Wochenschrift 1989, S. 2521 f.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Herwig Schäfer: Juristische Lehre und Forschung an der Reichsuniversität Straßburg 1941–1944, 1999, S. 82, 249. m.w.N.
  2. Bernd Bader: Mäzene, Künstler, Büchersammler. In: Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv Gießen 57 (2007) (PDF; 3,4 MB) S. 210.
  3. Gerhard Scheffler: Herbert Krüger zum 80. Geburtstag. In: Neue Juristische Wochenschrift 1986, S. 169.
  4. Dieter Suhr: Nachruf. In: Neue Juristische Wochenschrift 1989, S. 2521.
  5. a b c Schäfer, S. 82 m.w.N.
  6. Corps Rhenania
  7. Scheffler, S. 169.
  8. Rolf Seeliger: Braune Universität. Deutsche Hochschullehrer gestern und heute, Band 6, 1968, S. 45.
  9. S. im Detail Birgit Vezina: „Die Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982, S. 128.
  10. Corps Rhenania
  11. Schäfer, S. 83 f. Dort auch Einzelheiten zum Berufungsverfahren.
  12. Herbert Krüger: Die Geistigen Grundlagen des Staates, 1940, S. V (Vorwort). 1940/41 wurde Krüger – jedenfalls zeitweise als Leutnant einer Flakstellung (Herbert Krüger: Der Raum als Gestalter der Innen- und Außenpolitik. In: Reich, Volksordnung, Lebensraum 1/1941, S. 77) – im Deutsch-Sowjetischen Krieg eingesetzt (Herbert Krüger: Einheit und Freiheit, 1944, S. 5 [Vorwort]).
  13. Schäfer, S. 84 f. m.w.N.
  14. Personalakte Krüger, Berlin Document Center (heute im Bundesarchiv) (zitiert nach Schäfer, S. 82); Vezina, S. 128 Fn. 519.
  15. Personalakte Krüger (zitiert nach Schäfer, S. 82). Es liegt nahe, dass der Zeitpunkt des NSDAP-Beitritts mit der am 1. Mai 1933 in Kraft getretenen Mitglieder-Aufnahmesperre der NSDAP in Zusammenhang steht. Die Aufnahmesperre wurde mit der Einführung des Parteianwärters gemäß Anordnung 18/37 des Reichsschatzmeisters der NSDAP vom 20. April 1937 gelockert; unabhängig von Antragsdatum wurde einheitlich der 1. Mai 1937 als Aufnahmedatum für Parteianwärter festgelegt, s. Bundesarchiv (Memento vom 21. Juni 2008 im Internet Archive).
  16. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2. Auflage, 2007, S. 344.
  17. Bader, S. 210.
  18. Klee, S. 344.
  19. Dorothee Mußgnug, Reinhard Mußgnug, Angela Reinthal (Hrsg.): Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926–1974), S. 81.
  20. Schäfer, S. 248 m.w.N.
  21. Bader, S. 214.
  22. a b Vgl. Bader, S. 213.
  23. Horst Dreier: Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 60 (2001), S. 17 (Digitalisat).
  24. Herbert Krüger: Führer und Führung, 1935, S. 145.
  25. Vgl. Dreier, S. 29.
  26. Vgl. Dreier, S. 35.
  27. Krüger 1944, S. 92 f., 99 f.
  28. S. nur Krüger 1935, passim.
  29. Schäfer, S. 248.
  30. Thomas Oppermann: Ein deutscher Staatsrechtslehrer im 20. Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag von Herbert Krüger (1905–1989). In: Archiv des öffentlichen Rechts (AöR), 130 Bd., 2005, S. 494, 498; Corps Rhenania
  31. Herbert Krüger: Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 818.
  32. Krüger 1964, S. 941.
  33. Krüger 1964, S. 988.
  34. Krüger 1964, S. 535.
  35. Seeliger, S. 41. Dort auch weitere Beispiele.
  36. Krüger 1964, S. V (Vorwort).
  37. Seeliger, S. 42.
  38. Der Corpsstudent in der modernen Gesellschaft. Deutsche Corpszeitung, 72. Jg., Juni 1971, Nr. 3, S. 121–132

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Herbert Krüger (1905-1989)