Henry Melchior Muhlenberg

Henry Melchior Muhlenberg (ca. 1780)
Mühlenberg-Denkmal vor dem Lutherischen Theologischen Seminar in Philadelphia

Henry Melchior Muhlenberg (* 6. September 1711 in Einbeck; † 7. Oktober 1787 in Providence, Pennsylvania, heute: Trappe, Montgomery County), eigentlich: Heinrich (Melchior) Mühlenberg, war ein deutscher lutherischer Pastor, der nach Britisch-Nordamerika entsandt wurde. Er gilt als Begründer des deutschsprachigen lutherischen Gemeindewesens in den Kolonien und wird deshalb als „Patriarch der lutherischen Kirche in Nordamerika“ bezeichnet.[1]

Leben und Werk

Lebenslauf

Heinrich Melchior Mühlenberg wurde nach einem Studium der Theologie in Göttingen und Halle und seiner Ordination in Leipzig 1741 von Gotthilf August Francke, dem Sohn von August Hermann Francke und Direktor der Franckeschen Stiftungen zu Halle, nach deren Anfrage und Mühlenbergs Zustimmung zunächst für drei Jahre als lutherischer Pfarrer dreier deutschsprachiger Gemeinden in Pennsylvanien (Philadelphia, Providence und New Hanover) entsandt, die bis dahin unorganisiert und kaum mit geistlichem Beistand versorgt waren. Nach seiner Ankunft in Philadelphia 1742 begann er nach deren schnell erfolgender Anerkennung durch die Gemeinden rasch mit dem Aufbau einer institutionalisierten lutherischen Kirche. Durch den ausgesprochen langen Korrespondenzweg (Briefe konnten nur per Schiff befördert werden, dementsprechend ließ die Antwort lange auf sich warten) musste Mühlenberg, der inzwischen seinen Namen in Muhlenberg anglisiert hatte, eigene Wege finden.

Kurz nach seiner Ankunft 1742 geriet Mühlenberg in einen Konflikt mit Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der seinerseits 1741 nach Pennsylvania gereist war, um sich um die deutschen Protestanten zu kümmern, die er unter Beibehaltung ihrer konfessionellen Praktiken zu einem Rat der Kirchen einigen wollte, in dem sie zusammenarbeiteten, statt sich Konkurrenz zu machen. Dies entsprach seinem missionarischen Auftrag.

Mühlenberg hingegen, dessen Auftrag als Pfarrer dem einer Missionierung nicht entsprach, setzte indessen einen nach langem Suchen gefundenen Weg um: Dieser beinhaltete einerseits wesentliche Elemente einer durch die Gemeindeglieder getragenen Selbstverwaltung der Gemeinden durch Laienvertreter (was der damaligen Lebenswirklichkeit entsprach), jedoch andererseits auch die ausschließliche geistliche Führung durch die (durch die Gemeinden selbst gewählten) Pfarrer. Diese Umsetzung gelang ihm persönlich durch einen untadeligen Lebenswandel und seinen Ruf als lebendiger Prediger einerseits sowie andererseits durch seinen Willen zur unbedingten Erfüllung der seelsorgerlichen Erwartungen, die von den weit auseinanderliegenden Gemeinden ausgingen und die er erfüllte, obwohl sie immer wieder bis an die Grenze der physischen Erschöpfung Mühlenbergs führten.

Von Mühlenberg angeregtes Gesangbuch (4. Auflage 1803)

Neben dem Bau von Kirchen und Schulen wurde unter seiner maßgeblichen Leitung der deutsche Gemeindeverband des evangelisch-lutherischen Ministeriums von Pennsylvanien und benachbarten Staaten, zunächst in der Provinz Pennsylvania (1748) und später dann auch separat für die Provinz New York (1786) begründet. Auf sein Betreiben wurde ferner im Jahre 1762 für die Stadtgemeinde Philadelphia eine eigene Kirchenordnung erlassen, die weiteren lutherischen Gemeinden als Vorbild diente. Ebenso verfasste er einen Entwurf für ein eigenes Gesangbuch, das so genannte Mühlenbergsche Gesangbuch, das erstmals 1786 erschien. Mühlenberg starb am 7. Oktober 1787 in Providence/Pennsylvanien.

Nachfahren

Henry Melchior Mühlenberg heiratete 1745 Anna Maria Weiser (1727–1802), eine Tochter von Conrad Weiser (1696–1760). Aus den Nachfahren der Mühlenberg/Muhlenberg-Familie gingen später zahlreiche amerikanische Politiker hervor. Mitglieder der sog. „Muhlenberg-Dynastie“ in den Vereinigten Staaten:

  • Peter Muhlenberg (1746–1807), General der revolutionären Kontinentalarmee, später Kongressabgeordneter und Senator
  • Frederick Muhlenberg (1750–1801), Mitglied des Kontinentalkongresses, erster Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, Namensgeber der Muhlenberg-Legende
  • Henry Ernest Muhlenberg (1753–1815), bedeutender Naturforscher im regen Austausch mit deutschen und nordamerikanischen Gelehrten. Erforschte systematisch die nordamerikanische Fauna
  • John Andrew Shulze (1774–1852), Sohn von Eva Elisabeth Mühlenberg (1748–1808), 6. Gouverneur des Bundesstaates Pennsylvania
  • Henry A. P. Muhlenberg (1782–1844), Kongressabgeordneter und erster Gesandter der Vereinigten Staaten in Österreich
  • Francis Swaine Muhlenberg (1795–1831), Kongressabgeordneter
  • William Augustus Mühlenberg (1796–1877), Pfarrer der Episkopalkirche
  • Henry Augustus Muhlenberg (1823–1854), Kongressabgeordneter
  • Frederick Augustus Muhlenberg (1887–1980), Kongressabgeordneter und Soldat im Ersten und Zweiten Weltkrieg

Muhlenberg College

Nach dem „Vater des amerikanischen Luthertums“ ist auch das 1848 gegründete und bis heute mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika affiliierte Muhlenberg College, eine Hochschule mit Schwerpunkt auf den Geisteswissenschaften, benannt.

Gedenktag

Mühlenbergs Gedenktag am 7. Oktober gilt für folgende Kirchen:

Rezeption

Wanderausstellung

  • 2011: 300 Jahre Heinrich Melchior Mühlenberg (1711–1787). Patriarch der Lutherischen Kirche in Nordamerika. Gefördert von der deutschen Botschaft in Washington, in Zusammenarbeit mit dem Lutheran Theological Seminary in Philadelphia, Pennsylvania und mit anderen Stellen wurde die Ausstellung in deutscher und englischer Sprache an verschiedenen Orten in den USA und Deutschland gezeigt.

Roman

  • Eberhard Görner: In Gottes eigenem Land. Heinrich Melchior Mühlenberg – der Vater des amerikanischen Luthertums. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2011, ISBN 978-3-89812-766-0.

Theaterstück

Werke

Tagebücher

  • Theodore G. Tappert, John W. Doberstein (Hrsg.): The Journals of Henry Melchior Mühlenberg. 3 Bände, Philadelphia 1942–1958. Reprint Philadelphia/Evansville 1982.
  • Thomas Müller-Bahlke (Hrsg. und Einleitung): Tagebücher. In: Heinrich Melchior Mühlenberg – Selbstbiographie von 1711–1743. Halle, Francke’sche Stiftungen, 2011. ISBN 978-3-939922-32-2.

Korrespondenz

  • Die Korrespondenz Heinrich Melchior Mühlenbergs aus der Anfangszeit des deutschen Luthertums in Nordamerika. Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Hauptarchiv der Franckeschen Stiftungen Halle von Kurt Aland und Hermann Wellenreuther. 5 Bände, Berlin/New York: de Gruyter 1986–2002 (Texte zur Geschichte des Pietismus; Abt. 3: Handschriftlicher Nachlass August Hermann Francke)

Literatur

  • Beate Köster: Mühlenberg, Henry Melchior. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 225–229.
  • Muhlenberg, Henry Melchior. In: James Grant Wilson, John Fiske (Hrsg.): Appletons’ Cyclopædia of American Biography. Band 4: Lodge – Pickens. D. Appleton and Company, New York 1888, S. 453 (englisch, Volltext [Wikisource]).
  • Wilhelm Stricker: Mühlenberg, Heinrich Melchior. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 460 f.
  • Karl-Otto Strohmidel: Mühlenberg, Heinrich Melchior. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 279 f. (Digitalisat).
  • Alexander Wieckowski (Hrsg.): Der Katharinenhof und sein Inspektor: Diaconus Heinrich Melchior Mühlenberg. (= Großhennersdorfer-Rennersdorfer Kirchengeschichten. Heft Nr. 3). Großhennersdorf 2011.
  • Walter H. Wagner: The Zinzendorf-Muhlenberg Encounter: A Controversy in Search of Understanding. Moravian Historical Society, Bethlehem PA 2002, ISBN 0-9719060-0-9.
  • Hermann Wellenreuther, Thomas Müller-Bahlke, A. Gregg Roeber (Hrsg.): The Transatlantic World of Heinrich Melchior Mühlenberg in the Eighteenth Century. Harrassowitz, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-447-06963-2.
  • Thomas J. Müller: Kirche zwischen zwei Welten. Die Obrigkeitsproblematik bei Heinrich Melchior Mühlenberg und die Kirchengründung der deutschen Lutheraner in Pennsylvania. Franz Steiner, Stuttgart 1994.
  • Thomas Müller-Bahlke, Alexander Wieckowski: Heinrich Melchior Mühlenberg und der Katharinenhof zu Großhennersdorf. (= Schriftenreihe der Akademie Herrnhut. 3). Dresden 2015, ISBN 978-3-86276-165-4.
  • Muhlenberg, Henry Melchior. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 18: Medal – Mumps. London 1911, S. 956 (englisch, Volltext [Wikisource]).
  • Paul A. W. Wallace: The Muhlenbergs of Pennsylvania. University of Pennsylvania Press, Philadelphia PA 1950.

Weblinks

Commons: Henry Melchior Muhlenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. William K. Frick: Henry Melchior Muhlenberg, Patriarch of the Lutheran Church in America. Lutheran Publication Society, Philadelphia 1902.
  2. Henry Melchior Muhlenberg im Ökumenischen Heiligenlexikon

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Muhlenberg Monument 2.JPG
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Monument to Henry Melchior Muhlenber, Lutheran Theological Seminary, Philadelphia
Muhlenberg.jpg
Copy of Joseph Wright's 1790 portrait of Frederick A. C. Muhlenberg. Muhlenberg served as the first Speaker of the U.S. House Representatives.
Waugh painted this copy 80 years after Muhlenberg's death. Note that Waugh changed background and the color of the chair's upholstery.
Ministerium Hymnal.jpg
Autor/Urheber: The Philadelphia Rare Books & Manuscripts Company (PRB&M), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Hymnal of the Lutheran Pennsylvania Ministerium
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Porträt des Henry Melchior Muhlenberg, Preservation Society of Newport County
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Peter Muhlenberg (1746-1847)
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Henry Melchior Mühlenberg (1711-1787)
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