Helgoland (Bruckner)
Helgoland (WAB 71) ist eine weltliche Kantate für Männerchor und großes Orchester in g-Moll, komponiert von Anton Bruckner. Die Aufführungsdauer beträgt durchschnittlich 12 bis 15 Minuten. Die Orchesterbesetzung besteht aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotten, 4 Hörnern, 3 Trompeten, 3 Posaunen, einer Kontrabasstuba, Pauken, Becken und Streichern. Da Bruckner seine Neunte Sinfonie unvollendet hinterließ, gilt Helgoland als das letzte vollendete Werk des Komponisten. Das Werk erschien 1993 in der kritischen Bruckner-Gesamtausgabe.
Entstehung
Die Kantate wurde 1893 als Auftragswerk für die 50-Jahr-Feier des Wiener Männergesang-Vereins komponiert. Als Textvorlage lag Bruckner ein Gedicht von August Silberstein vor; Bruckner vertonte bereits 1864 mit dem Germanenzug ein Gedicht Silbersteins. Der Text handelt vom sächsischen Volk Helgolands, das von der römischen Invasion bedroht ist, jedoch durch göttliche Intervention gerettet wird. Die Komposition ist voller Kraft und Enthusiasmus, erinnert in manchem an Richard Wagner und ist durch Bruckners kühnen Spätstil und eine sinfonische Struktur gekennzeichnet. Bruckner selbst bestand daher auf dem Titelzusatz Symphonischer Chor.
Die Insel Helgoland war in Österreich sehr bekannt. Die österreichische Opposition hatte sich im Vormärz dort getroffen, dazu wurde das Seegefecht bei Helgoland (1864) als großer Sieg der österreichischen Marine während der ganzen Kaiserzeit gefeiert, das de facto jedoch eine Niederlage des deutsch-österreichischen Geschwaders war. Der Wiener Männergesang-Verein hatte die Insel 1885 selbst besucht. Der Erwerb der Insel vom Vereinigten Königreich durch das Deutsche Reich 1890 wird noch stark im öffentlichen Bewusstsein gewesen sein.[1]
Die Uraufführung fand am 8. Oktober 1893 unter der Leitung von Eduard Kremser statt. Von Bruckners zirka 30 Männerchorwerken ist Helgoland das einzige weltliche, das Bruckner der Österreichischen Nationalbibliothek vermachte. Die Kantate wurde 1899 erstmals verlegt. Das Werk wird selten aufgeführt; auffällig ist auch, dass viele „Bruckner-Dirigenten“ das Werk nicht aufgenommen haben. Eine Ausnahme bildet hierbei Daniel Barenboim, der Helgoland zweimal eingespielt hat: 1979 mit dem Chicago Symphony Orchestra und 1992 mit den Berliner Philharmonikern (Konzertmitschnitt 29.–31. Oktober). Weitere Einspielungen legten Wyn Morris mit dem Männerchor der Ambrosian Singers und der Symphonica of London vor (1977) und Alberto Hold-Garrido mit den Studentsängern von Lund und dem Opernorchester von Malmö (2012). Eine zusätzliche Aufnahme des Japanischen Rundfunks von Takashi Asahina mit den Philharmonikern von Osaka ist frei verfügbar auf John Berkys Internetseite.[2]
Der originale Text wurde in der Bruckner-Forschung verschiedentlich kritisiert; anders als zu Bruckners Zeiten gibt es außerdem heute nur noch wenig groß besetzte Männerchöre, die dem Original gewachsen wären. Daher schuf der deutsche Komponist und Bruckner-Forscher Fritz Oeser eine Bearbeitung des Werkes für gemischten Chor und Orchester, zu der er auch einen neuen Text verfertigte, mit dem Ziel, die Verbreitung des Werkes zu fördern. Sie erschien 1954 im Bruckner-Verlag Wiesbaden.
Von Oesers Bearbeitung liegen bisher keine Aufnahmen vor.
Text
Hoch auf der Nordsee, am fernesten Rand,
erscheinen die Schiffe, gleich Wolken gesenkt;
in wogenden Wellen, die Segel gespannt,
zum Eiland der Sachsen der Römer sich lenkt!
O weh um die Stätten, so heilig gewahrt,
die friedlichen Hütten, von Bäumen umlaubt!
Es wissen die Siedler von feindlicher Fahrt!
Was Lebens noch wert, auch Leben sie raubt!
So eilen die Zagen zum Ufer herbei,
was nützet durch Tränen zur Ferne geblickt;
da ringet den Besten vom Busen sich frei
die brünstige Bitte zum Himmel geschickt:
Der du in den Wolken thronest,
den Donner in deiner Hand,
und über Stürmen wohnest,
sei du uns zugewandt!
Lass toben grause Wetter,
des Blitzes Feuerrot,
die Feinde dort zerschmetter!
Allvater! Ein Erretter aus Tod und bitt’rer Not!
Vater!
Und siehe, die Welle, die wogend sich warf,
sie steiget empor mit gischtenden Schaum,
es heben die Winde sich sausend und scharf,
die lichtesten Segel verdunkeln im Raum!
Die Schrecken des Meeres sie ringen sich los,
zerbrechen die Maste, zerbersten den Bug;
Der flammenden Pfeile erblitzend Geschoss,
das trifft sie in Donners hinhallendem Flug.
Nun, Gegner, Erbeuter, als Beute ihr bleibt,
gesunken zu Tiefen, geschleudert zum Sand,
das Wrackgut der Schiffe zur Insel nun treibt!
O Herrgott, dich preiset frei Helgoland!
August Silberstein
Literatur
- Fritz Oeser (Hrsg.): Symphonischer Psalm „Dröhne, du Donner“. Bearbeitung des symphonischen Chores „Helgoland“ für gemischten Chor und Orchester mit neuem Text (F. Oeser). Bruckner-Verlag, Wiesbaden 1954. Material leihweise bei Alkor-Edition Bärenreiter (Kassel)
- Franz Burkhart, Rudolf H. Führer, Leopold Nowak (Hrsg.): Anton Bruckner. Sämtliche Werke. Band 22: Kantaten und Chorwerke II. Musikwissenschaftlicher Verlag, Wien o. J. [1993].
Weblinks
- Werkbeschreibung bei klassika.info
- Diskografie
Einzelnachweise
- ↑ Eckhard Wallmann, Helgoland Eine deutsche Kulturgeschichte, Hamburg 2017, Seite 463 und 509 f.
- ↑ Helgoland von T. Asahina mit den Philharmonikern von Osaka (1987)