Helene Gries-Danican

Helene Gries-Danican

Helene Anne-Marie Wilhelmine Gries-Danican (* 5. September 1874 in Kiel; † 27. März 1935 in Braunschweig) war eine deutsche Malerin.

Helene Gries-Danican als junge Frau
Helene Gries-Danican um 1930

Leben

Helene Gries-Danican war das zweite von drei Kindern des Kieler Rechtsanwalts und Notars Justizrat August Gries-Danican (1838–1914) und seiner Frau Hedwig Gries-Danican, geb. Behncke (1853–1929). Ihre Geschwister hießen Emma (1872–1952) und Paul (1884–1951).

Der Beiname „Danican“ stammt von ihrem Urgroßvater, dem französischen General Louis Michel Auguste Thévenet (1764–1848), der während der Französischen Revolution mehrfach die Fronten wechselte, später aus Frankreich fliehen musste und sich um 1820 bei Itzehoe niederließ. Er kaufte dort das Landhaus „Plageberg“, das 1804 von Joseph Ramée für den Altonaer Kaufmann Benjamin Georg Jarvis (1760–1831) gebaut worden war, und nannte es nach seiner Tochter „Charlottenberg“.

Helene Gries-Danican litt seit ihrem sechsten Lebensjahr nach einer Operation an einer Gesichtsnervenlähmung. Als Folge davon war sie rechtsseitig entstellt, hatte mit einer Sprachstörung zu kämpfen und litt unter Schwerhörigkeit. Ihre erste schulische Ausbildung übernahm daher ihre Mutter, mit der sie während dieser Zeit zurückgezogen auf Charlottenberg lebte. Später besuchte sie aber regelmäßig die Höhere Töchterschule in Kiel.

Mit zunehmendem Alter verstärkten sich die Symptome ihrer Krankheit. Sie verbitterte darüber aber nicht, sondern wurde stets als eine äußerst freundliche, liebenswerte Person beschrieben, die sich liebevoll um die Menschen ihrer Umgebung kümmerte.

Von 1895 bis 1907 dauerte die für eine Frau unter damaligen Bedingungen ungewöhnlich vielfältige künstlerische Ausbildung Helene Gries-Danicans, zuerst bei Georg Burmester in Kiel und Möltenort, danach mit den Stationen Dresden (1901/1902, Kunstschule Kops), Paris (1903/1904, Académie Colarossi), Kiel (1905/1906), Akademische Mal- und Zeichenschule, wieder bei Georg Burmester sowie Berlin (1906–1908, Malschule Dora Hitz). Ab 1908 bis 1912 nahm Gries-Danican an der jährlich während der Sommermonate in Barsbek bei Kiel von Georg Burmester eingerichteten Malerkolonie teil.[1]

1912 übersiedelte die Familie nach Charlottenberg. Die erste große Studienreise führte Helene Gries-Danican 1913 nach Arild in Schweden (Halbinsel Kullen auf der Halbinsel Schonen). Die Ergebnisse dieser Reise, Meeresbilder mit leuchtenden Farben, wurden nach Ausstellungen, z. B. in der Kunsthalle zu Kiel, als Werke einer vielversprechenden, jungen Künstlerin sehr gelobt. Stets wurde in Rezensionen die Hoffnung ausgesprochen, dass sich das erkennbare Talent bestätigen und durchsetzen möge.

1914 brannte das Landhaus „Charlottenberg“ ab, kurz danach starb Gries-Danicans Vater, der stets ihr Förderer gewesen war und mit seinem Einkommen und Vermögen ihren Unterhalt gesichert hatte. Der Erste Weltkrieg verhinderte weitere künstlerische Arbeit, Gries-Danican beteiligte sich mit kunstgewerblichen Arbeiten am Unterhalt der Familie. Aus dieser Zeit sind mehrere stark völkisch-nationalistisch geprägte Gedichte und Briefe Gries-Danicans erhalten, stark beeinflusst von der insgesamt konservativen Familienatmosphäre, in der sie aufgewachsen war.

Nach dem Kriegsende unternahm Helene Gries-Danican mehrfach Studienreisen, von denen sie jedes Mal zu mehreren Arbeiten, immer Gemälden, oft auch grafischen Arbeiten, angeregt wurde. Ziele dieser Reisen waren bis auf wenige Ausnahmen Orte am Meer, meistens an der Ostsee. Lange Zeit fand sie nicht zum künstlerischen Format ihrer 1914 unterbrochenen Arbeit zurück. Erst mit den vier größeren Reisen, alle innerhalb Schleswig-Holsteins, gewann sie ihre frühere Schaffenskraft und Malfreude zurück, was sich auch auf die Qualität ihrer Bilder positiv auswirkte.

Helene Gries-Danican pflegte zusammen mit ihrer verwitweten Schwester Emma ihre bettlägerige Mutter von 1924 bis zu ihrem Tod.

Spätestens von 1903 an war Gries-Danican mit der Frauenrechtlerin Käthe Schirmacher (1865–1930) befreundet, wie ein umfangreicher Briefwechsel ausweist, von dem die an Schirmacher adressierten Schreiben Gries-Danicans im Nachlass Käthe Schirmachers in der Universitätsbibliothek Rostock verwahrt werden. Gries-Danican starb am 27. März 1935 in Braunschweig.

Künstlerische Ausbildung

Nach handschriftlichem Lebenslauf von 1912 (Archiv der Kunsthalle zu Kiel) sowie Quellen aus dem Nachlassarchiv:

Académie Colarossi, Paris
  • Kiel und Möltenort: 1895–1901 sowie 1905–06 Landschaft bei Georg Burmester
  • Dresden: 1901–02 in der Kunstschule Kops Porträt und Akt bei Georg Lührig, dazu graphische Techniken
  • Paris: 1902–04 in der Académie Colarossi Anatomie und Akt bei Gustave Coutois und Raphaael Colin, in der Académie de la Grande Chaumière Komposition bei Réne Ménard
  • Berlin: 1906–1908 Porträt und Akt bei Dora Hitz
  • Barsbek: 1908–1912 regelmäßige Teilnahme an der von G. Burmester während der Sommermonate eingerichteten Malerkolonie

Werke

Schwedischer Fischerhafen

Fast alle bekannten Gemälde und Grafiken befinden sich in Privatbesitz. Hervorzuheben sind (alle Öl auf Leinwand):

  • Mädchen mit Kind, 87 × 81 cm, 1908;
  • Dorfstraße, 60 × 74 cm, 1911;
  • Rödahallar/Felsenküste, 65 × 85 cm, 1913;
  • Das weiße Boot, 75 × 78 cm, 1913;
  • Schwedischer Fischerhafen (oder An der Mole), 75 × 85 cm, 1913
  • Ginster, 81 × 78 cm, 1922;
  • Ostseebrandung I, 69 × 80 cm, 1930.
Werke in Museen
  • Husum, Nordfriesisches Museum Ludwig-Nissenhaus, Nachlass Paul Wassily, Rödarhallar/Felsenküste, Öl a.L., 60 × 65 cm, 1913
  • Itzehoe, Kreismuseum Prinzeßhof, 4 Ölbilder

Literatur

  • Willy Oskar Dreßler (Hg.): Dresslers Kunsthandbuch. Band 2: „Bildende Kunst“, Das Buch der lebenden deutschen Künstler, Altertumsforscher, Kunstgelehrten und Kunstschriftsteller. Neunter Jahrgang, Berlin 1930, S. 334.
  • Gries-Danican, Helene. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 2: E–J. E. A. Seemann, Leipzig 1955, S. 307 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
  • Gries-Danican, Helene. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 62, Saur, München u. a. 2009, ISBN 978-3-598-23029-5, S. 60.
  • Lilli Martius: Barsbek als Malerkolonie. In: Nordelbingen. Band 44, 1975.
  • Edith Reschke, Wolfgang Reschke, Hans-Peter Widderich: Vor fünfzig Jahren. Fünf Steinburger Künstler. Carl Blohm, Helene Gries-Danican, Wenzel Hablik, Max Kahlke, Hermann Wehrmann. Publikation zur Ausstellung im Heimatmuseum Prinzeßhof Itzehoe im November 1977. Itzehoe 1977.
  • Max Karstens, Edith Reschke, Wolfgang Reschke, Hans-Peter Widderich: Helene Gries-Danican. 1874–1935. Katalog zur Ausstellung des Künstlerbundes Steinburg im März 1979 in Itzehoe. Itzehoe 1979.
  • Ulrika Evers: Deutsche Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Malerei, Bildhauerei, Tapisserie. Hamburg 1983, S. 103–104.
  • Ulrike Wolff-Thomsen: Lexikon Schleswig-Holsteinischer Künstlerinnen. Herausgg. vom Städtischen Museum Flensburg, Heide 1994.
  • Hans-Günter Goldbeck-Löwe, Holger Vanselow: Helene Gries-Danican. 1874–1935. 2. Auflage, Berlin 2001.
  • Telse Wolf-Timm: Maler am Ostufer der Kieler Förde um Heikendorf. Vom ausgehenden 19. bis zum mittleren 20. Jahrhundert. In: Nordelbingen – Beiträge zur Kunst und Kulturgeschichte. Band 70, 2001, S. 117–140.
  • Katharina Keienburg: Zur künstlerischen Professionalisierung von Frauen um 1900 am Beispiel von Helene Gries-Danican (1874–1935). Lüneburg 2006 (Magisterarbeit).
  • Harald Goldbeck-Löwe: Helene Gries-Danican. Ein Gang durch die Ausstellung 1993. Kulturzentrum Marstall Ahrensburg. CD-ROM mit einer HTML-Dokumentation, ISBN 978-3-937556-19-2, Berlin 2006
  • Ulrike Wolff-Thomsen unter Mitarbeit von Miriam Popken und Claudia Wendt: Vertreter der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft. In: Ulrike Wolff-Thomsen (Hg.): „Ich muss ja … sammeln“: Die Kunstsammlung des Malerfreundes, Wagnerianers und Arztes Dr. Paul Wassily (1868–1951) in Kiel. Publikation zur gleichnamigen Ausstellung. Kiel 2006, S. 88.
  • Telse Wolf-Timm und Mareike Wolf, mit Beiträgen von Katharina Keienburg und Harald Goldbeck-Löwe: Helene Gries-Danican (1874–1935). Eine Wegbereiterin der Moderne in Schleswig-Holstein. Katalog zur Ausstellung in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek. Kiel 2008.
  • Madeleine Städtler: Helene Gries-Danican. In: Museumsberg Flensburg (Hrsg.): Paris! Schleswig–Holsteinische Künstlerinnen und Künstler in der Welthauptstadt der Kunst. Ausstellungskatalog mit Texten von Dörte Ahrens, Michael Fuhr, Almut Rix und Madeleine Städtler. Museumsberg Flensburg, Flensburg 2022, ISBN 978-3-9820658-5-4, S. 38–41.
Commons: Helene Gries-Danican – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lilli Martius, 1975, S. 118–119

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Schwedischer Fischerhafen (auch: „An der Mole“), Arild auf Kullen; Öl auf Leinwand; 80 x 85 cm; Privatbesitz
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Helene Gries-Danican malt vor dem Teich auf dem elterlichen Grundstück bei Itzehoe
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Académie Colarossi, Helene Gries-Danican in der dritten Reihe die zweite Person