Heinrich Zimmer (Indologe)

Heinrich Zimmer 1933

Heinrich Robert Zimmer (* 6. Dezember 1890 in Greifswald; † 20. März 1943 in New Rochelle, New York) war ein deutscher Indologe. Er war Sohn des Indologen und Keltologen Heinrich Friedrich Zimmer (1851–1910).

Leben und Werk

Zimmer studierte ab Herbst 1909 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Germanistik und Indologie und wurde dort 1914 bei Heinrich Lüders mit Studien zur Geschichte der Gotras promoviert. Nach vierjährigem Militärdienst im Ersten Weltkrieg setzte er 1919 seine Studien in Berlin fort, seit April 1919 als Assistent bei der Orientalischen Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Im Juli 1920 habilitierte er sich an der Universität Greifswald und war dort zwei Jahre lang als Privatdozent für Indische Philologie tätig, bevor er im Sommer 1922 einen Lehrauftrag an der Universität Heidelberg annahm. Im Frühjahr 1926 wurde er dort zum außerordentlichen Professor für Indologie ernannt.

Am 14. Juni 1928 heiratete Heinrich Zimmer Christiane von Hofmannsthal (1902–1987), einzige Tochter des österreichischen Dichters und Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal. Aus dieser Ehe gingen vier Söhne hervor: Christoph Heinrich Hugo (1929–1931), Andreas Peter (1930–2003), Clemens (1932–1955) und Michael Johannes (1934–2008).

Ab Januar 1924 und bis zu seinem Tod hatte Heinrich Zimmer zudem eine Lebensbeziehung zu Mila Esslinger, geb. Rauch (1886–1972), mit der er drei Kinder hatte: Elisabeth Maja (1925–2008), Ernst Michael (1926–1945) und Hannes Lukas (geb. 1932). Von dieser Gemeinschaft zeugt eine äußerst umfangreiche Korrespondenz von 1924 bis Ende 1941. Durch den Eintritt Amerikas in den Krieg wurde der Briefwechsel abgeschnitten.

Von beiden Familien leben Nachkommen, sowohl in den USA als auch in der Schweiz.

Im Zuge der nationalsozialistischen Rassengesetze wurde ihm sein Heidelberger Lehrstuhl 1938 wegen „nichtarischer Versippung“ entzogen. 1939 emigrierte Zimmer nach England und hielt an der Oxford University Vorlesungen. 1940 übersiedelte er nach New York, wo er unter dem Namen Henry R. Zimmer publizierte und Gastvorträge hielt. Im März 1943 starb er dort an einer Lungenentzündung, wenige Wochen bevor er an der Columbia University einen Gastlehrstuhl für Indische Philosophie und Religion hätte übernehmen sollen.

Zimmer pflegte persönliche Kontakte zu zahlreichen Intellektuellen seiner Zeit, u. a. zu Hermann Hesse, Thomas Mann, Emil Nolde, Carl Jacob Burckhardt und C. G. Jung, der Zimmers Arbeiten ebenso beeinflusste wie der britische Gelehrte John Woodroffe. Er hielt 1933 den Eröffnungsvortrag der ersten Eranos-Tagung in Ascona mit dem Titel Zur Bedeutung des indischen Tantra-Yoga.

Zimmer veröffentlichte zahlreiche Schriften zur indischen Philosophie und Mythologie. Gegenüber der streng philologischen Textinterpretation seiner Zeitgenossen fand Zimmer zu seinem Forschungsgegenstand einen eher persönlichen und psychologischen Zugang.

Sein Nachlass befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek[1] und im Deutschen Literaturarchiv Marbach.[2] Katharina Geiser hat für ihren 2015 erschienenen Roman 1700 Briefe des Liebespaars Mila Esslinger und Heinrich Zimmer gesichtet.

Heinrich-Zimmer-Lehrstuhl

Seit 2010 ist ein Lehrstuhl nach Heinrich Zimmer benannt. Der Heinrich Zimmer Chair for Indian Philosophy and Intellectual History wird vom Indian Council for Cultural Relations (ICCR) in Neu-Delhi vergeben und ist sowohl am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ als auch am Südasien-Institut der Universität Heidelberg angesiedelt. Der erste Inhaber dieser neuen Stiftungsprofessur für indische Philosophie und Geistesgeschichte war der indische Wissenschaftshistoriker Dhruv Raina.[3] Seit Mai 2011 ist Heeraman Tiwari Lehrstuhlinhaber.[4]

Schriften

  • Studien zur Geschichte der Gotras. (Dissertation) Friedrich-Wilhelms-Universität, Berlin 1914 (online).
  • Kunstform und Yoga im indischen Kultbild. Berlin 1926. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 351801482X.
  • Spiel um den Elefanten. Ein Buch von indischer Natur. 1929. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3518370197. Enthält eine Übersetzung der Matanga-lila, einer altindischen Elefantenkunde von Nilakantha (online).
  • Ewiges Indien: Leitmotive indischen Daseins. Müller & Kiepenheuer Verlag, Potsdam 1930 (online).
  • Maya. Der indische Mythos. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin 1936.
  • Der Weg zum Selbst. Lehre und Leben des Shri Ramana Maharshi. Rascher, Zürich 1944.
  • The King and the Corpse. Hrsg. von Joseph Campbell. Pantheon Books, New York 1948. Deutsche Ausgabe: Abenteuer und Fahrten der Seele : Der König mit dem Leichnam und andere Mythen, Märchen und Sagen aus keltischen und östlichen Kulturbereichen : Darstellung und Deutung. Rascher, Zürich 1961. Neuausgabe: Abenteuer und Fahrten der Seele : Ein Schlüssel zu indogermanischen Mythen. Übersetzt von Lucy Heyer-Grote und Johannes Piron. Diederichs gelbe Reihe Bd. 67. Diederichs, Köln 1987, ISBN 3-424-00877-X.
  • Myths und Symbols in Indian Art and Civilization. Pantheon Books, New York 1946. Deutsch: Indische Mythen und Symbole. Diederichs, Düsseldorf 1972.
  • Philosophies of India. Routledge & Kegan Paul, London 1952. Deutsche Ausgabe: Philosophie und Religion Indiens. Hrsg. von Joseph Campbell. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1961, ISBN 3-518-27626-3.
  • Yoga und Buddhismus. Indische Sphären. Insel, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3458017453.
  • Die indische Weltmutter. Aufsätze. Hrsg. Friedrich Wilhelm, Insel, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3458049673. Im Projekt Gutenberg digitalisiert. Hier verlinkt seine autobiographischen Notizen aus Kapitel 10: [1].

Übersetzung

  • Daisetz Teitaro Suzuki: Die große Befreiung – Einführung in den Zen-Buddhismus. Weller, Leipzig 1939. 14 weitere Auflagen bis 2010. Mit einem Geleitwort von C. G. Jung. Originaltitel: The Great Liberation . Introduction to Zen Buddhism. Eastern Buddhist Society, Kyōtō 1934.

Werkausgabe

  • Gesammelte Werke. Rascher, Zürich & Stuttgart.
    • Bd. 1: Mythen und Symbole in indischer Kunst und Kultur. 1951.
    • Bd. 2: Maya, der indische Mythos. 1952.
    • Bd. 3: Der Weg zum Selbst. Lehre u. Leben des indischen Heiligen Shri Ramana Maharshi aus Tiruvannamalei. Hgg. v. Carl G. Jung. 1954.
    • Bd. 4: Abenteuer und Fahrten der Seele. Der König mit dem Leichnam und andere Mythen Märchen und Sagen aus keltischen und östlichen Kulturbereichen. Darstellung und Deutung. 1961.
    • Bd. 5: Indische Sphären. 1963.

Literatur

Weblinks

Wikisource: Heinrich Zimmer (Indologe) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Nachlass von Heinrich Robert Zimmer (1890-1943) – BSB Ana 417 / 0: Repertorium des Nachlasses von Heinrich Robert Zimmer (1890-1943).
  2. DLA Marbach, Bestände Heinrich Zimmer
  3. Indiens Botschafter eröffnete Heinrich Zimmer Chair. am Exzellenzcluster Asien und Europa im globalen Kontext, Universität Heidelberg
  4. Heinrich Zimmer Chair for Heeraman Tiwari. Universität Heidelberg
  5. Sibylle Birrer: Mittendrin am Rande, in: NZZ, 2. Mai 2015, S. 25

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Indianist Heinrich Zimmer (1890 - 1943) in 1933.