Heinrich Christian Meyer

Das Ehrenblatt zur 25-Jahr-Feier der Fa. H.C. Meyer jr. 1843 - Der „erste Industrielle“ Hamburgs mit seinen Geschäftsbauten und Firmen
„Stockmeyer“-Denkmal um 1855 vor dem Klostertor (im Hintergrund rechts)
„Stockmeyer“-Denkmal am heutigen Standort im Stadtteil Hammerbrook

Heinrich Christian Meyer (* 4. Juni 1797 in Nesse im Kreis Lehe; † 26. Juli 1848 in Hamburg), genannt Stockmeyer, war der Sohn eines Handwerkers und gilt als Hamburgs erster Großindustrieller.

Leben

Als Sohn eines zugewanderten Tischlers, der in Hamburg eine Werkstatt für Spazierstöcke unterhielt, bot Meyer schon als 8-jähriges Kind Spazierstöcke auf der Straße an und wurde deshalb von den amüsierten Passanten „Stockmeyer“ genannt.

Nach der Gründung seiner eigenen Werkstatt im Jahre 1816 gelang es ihm innerhalb von nur zwei Jahrzehnten aus einem winzigen Betrieb eine für damalige Verhältnisse große und moderne Fabrik zu machen, in der zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt die Dampfmaschine industriell zum Einsatz kam: die Firma H. C. Meyer jr. Für seine Arbeiter hat er 1828 eine Fabrikkrankenkasse ins Leben gerufen.

Meyer war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, er versuchte auch die wirtschaftliche Struktur Hamburgs entscheidend mit zu verbessern. Gemeinsam mit anderen Kaufleuten betrieb er deshalb die Erschließung des Grasbrooks und des Hammerbrooks, zwei große brachliegende Gebiete außerhalb der eigentlichen Stadtbefestigung. Meyer war Gründungsdirektor der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahngesellschaft und half, die Wasserversorgung der Stadt entscheidend zu modernisieren. An seine Verdienste um das Hammerbrook-Projekt erinnert auch ein Denkmal am Mittelkanal in Hammerbrook (ursprünglich errichtet 1854, am heutigen Standort seit 1985).

Aufgrund seiner zahlreichen, kaum zu überblickenden Aktivitäten wurde der nicht ganz von der Hand zu weisende Vorwurf gegen ihn erhoben, er sei einer der größten Spekulanten seiner Zeit gewesen, der stets „patriotische“ Gründe für sein Handeln vorgeschoben habe, dem es aber nur um den eigenen Vorteil gegangen sei. Diese Anschuldigungen trafen ihn zwar schwer, doch unternahm "Stockmeyer" nie den Versuch, sie zu entkräften.

Meyer war mit der 1833 verstorbenen Agathe Margarethe Beusch verheiratet und hatte 11 Kinder. Unter ihnen befand sich Heinrich Adolph, der neben seiner Tätigkeit als Unternehmer einem wissenschaftlichen Hobby als Meeresforscher nachging (dafür erhielt er von der Universität Kiel den akademischen Grad des Dr. phil h. c. verliehen) und an der Ostsee ein großes gastliches Haus unterhielt, in dem namhafte Wissenschaftler, Musiker und Schriftsteller verkehrten. So z. B. Theodor Fontane, der über dieses Haus „Forsteck“ sogar ein Gedicht verfasst hatte.

Meyers zweitälteste Tochter Bertha gehörte einem Kreis von Frauen in Hamburg an, die eine „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ ins Leben gerufen hatten. In zweiter Ehe heiratete sie Johannes Ronge, den Gründer des Deutschkatholizismus. Ihm folgte sie für viele Jahre ins Londoner Exil und rief hier einen Kindergarten nach Fröbelschen Gesichtspunkten ins Leben.

Eine weitere Tochter hieß Amalie. Sie heiratete den Kaufmann Heinrich Westendarp, der später die Firma seines Schwagers Heinrich Adolph Meyer übernahm.

Meyers jüngste Tochter Agathe Margarethe heiratete 1852 in London Carl Schurz, den späteren preußischen General im amerikanischen Sezessionskrieg, mit dem sie noch im gleichen Jahr in die Vereinigten Staaten von Nordamerika zog. In Watertown gründete sie den ersten amerikanischen Kindergarten.

Heinrich Christian Meyer, den alle nur „Stockmeyer“ genannt hatten, starb 1848.

Andenken

Freunde des Verstorbenen stifteten Meyer bereits 1854 ein Denkmal, das zunächst vor dem damaligen Klostertor in der Nähe des Berliner Bahnhofes stand, später mehrfach versetzt wurde und seit 1985 am Südufer des Mittelkanals in Hammerbrook steht.[1] Ebenfalls 1854 wurde die „Meyerstraße“ auf dem damaligen Grasbrook[2] (heute: Stockmeyerstraße im Stadtteil Hafencity) nach ihm benannt. Seit 1890 erinnert zudem die Meyerstraße im Stadtteil Heimfeld an ihn, wo Meyer umfangreichen Grundbesitz hatte.[3]

Literatur

  • Dieter Rednak: Betriebliche Sozialpolitik im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel der Hamburger Firma H. C. Meyer jr. In: Arno Herzig u. a. (Hrsg.): Arbeiter in Hamburg: Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Verlag Erziehung und Wissenschaft, Hamburg 1983, ISBN 3-8103-0807-2, S. 299–308.
  • Dieter Rednak: Meyer, Abendroth und Ruperti – Direktoren der „Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn-Gesellschaft“ und Initiatoren der Modernisierung Hamburgs im 19. Jahrhundert. In: Kultur & Geschichtskontor (Hrsg.) Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn von 1842. Ergebnisse-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-87916-019-8, S. 45–55.
  • Eliza L. Follen: The Pedler of Dust Sticks. Boston 1857.
  • Dieter Rednak: Heinrich Christian Meyer (1797–1848): genannt "Stockmeyer": Vom Handwerker zum Großindustriellen, eine biedermeierliche Karriere. Lit-Verlag, Münster 1992 (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte; 3), (Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1992), ISBN 3-89473-451-5.
  • Percy Ernst Schramm: Hamburg, Deutschland und die Welt. Leistung und Grenzen hanseatischen Bürgertums in der Zeit zwischen Napoleon I. und Bismarck. Callwey, München 1943.
  • Heinrich Adolph Meyer: Erinnerungen an Heinrich Christian Meyer: Für die Familie gesammelt von seinem Sohne. Hamburg 1887.
  • Gustav H. Leo: William Lindley. Ein Pionier der technischen Hygiene. Hamburg 1969 (Manuskript 1936).
  • Dieter Rednak: Die Geschichte der Firma H. C. Meyer jr. Wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Firma im Zeitraum von 1880 bis 1980. Universität Hamburg, Hamburg 1980 (Universität Hamburg, Diplomarbeit).
  • Heinrich Adolph Meyer: Erinnerungen an Dr. H. A. Meyer. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen. Selbstverlag, Hamburg 1890.
  • H. C. Meyer jr. In: Historisch-biographische Blätter. Der Staat Hamburg, 7. Band, Berlin 1906.
  • Dieter Rednak: "Ihr hofft immer noch, daß sich die Gewerkschaftsführer eurer Sache annehmen." Lohnkonflikte in einem Harburger Traditionsbetrieb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In: Harburger Jahrbuch, Bd. 22 (2006), S. 147–157.
  • Dieter Rednak: "... so arbeiteten wir ruhig und thätig": Sechs Jahrzehnte erlebte Firmengeschichte. H. C. Meyer jr.; die Aufzeichnungen des Ernst Schuppe. In: Harburger Jahrbuch, Bd. 19 (1996), S. 275–305.
  • Sandra Schürmann: Stockmeyerstraße. H. C. Meyer und seine Erben. In: Kim Sebastian Todzi. und Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung. Wallstein, Göttingen 2021 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung; 1), ISBN 978-3-8353-5018-2, S. 99–112.
  • Arne Daniels, Stefan Schmitz: Die Geschichte des Kapitalismus. Vom Webstuhl zum World Wide Web. Heyne, München 2006, ISBN 978-3-453-62018-6.
  • Ortwin Pelc/ Susanne Grötz (Hrsg.): Konstrukteur der modernen Stadt. William Lindley in Hamburg und Europa 1808–1900. Zugl. Ausstellungskatalog Museum für Hamburgische Geschichte 01.10.2008 – 22.02.2009. Dölling und Galitz, Hamburg 2008 (Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs; 23), ISBN 3-937904-77-8.
  • Dieter Rednak: Meyer, Heinrich Christian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 293 f. (Digitalisat).

Weblinks

Commons: Monument Heinrich Christian Meyer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Volker Plagemann: „Vaterstand, Vaterland, schütz dich Gott mit starker Hand“. Denkmäler in Hamburg, Christians Verlag Hamburg 1986, ISBN 3-7672-0967-5, S. 45 f.
  2. Vgl. Stadtplan von 1862, Planquadrat L 5/6.
  3. Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen..., Hamburg 2011, S. 250 und 350.

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Denkmal für Heinrich Christian Meyer am Südüfer des Mittelkanals zwischen Nagelsweg und Hammerbrookstraße in Hamburg-Hammerbrook. Das Denkmal wurde 1854 am Klostertor enthüllt, wechselte mehrmals den Standort und wurde 1985 an die heutige Stelle versetzt.
Klosterthor-1850-Gottheil.jpg
Das Klosterthor in Hamburg um 1855, gezeichnet von J. Gottheil, gestochen von J. Poppel und G. Kurz (mit dem 1854 errichteten Denkmal für den Unternehmer H. C. Meyer genannt "Stockmeyer" rechts im Bild, in der Bildmitte die von Bäumen gesäumte Straße "Beim Hühnerposten", rechts vom Denkmal die Amsinckstraße, vgl. Stadtplan von 1862, Planquadrat M4)
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H. C. Meyer zum 25 jährigen Geschäftsjubiläum 1843