Heinrich Appelt

Heinrich Appelt (* 25. Juni 1910 in Wien; † 16. September 1998 ebenda) war ein österreichischer Historiker und Diplomatiker.

Leben und Wirken

Heinrich Appelt stammte aus einer deutschböhmischen Familie. Nach dem Besuch des Schottengymnasiums in Wien studierte er ab dem Wintersemester 1928/29 Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Er wurde 1932 bei Hans Hirsch mit einer Arbeit über die Eigenklöster des Bistums Basel promoviert. 1934 wurde er Mitarbeiter Leo Santifallers in Breslau und arbeitete zuerst am Brixener Urkundenbuch[1], dann am Schlesischen Urkundenbuch[2] mit. 1939 habilitierte er sich in Breslau mit einer Schrift über die Urkundenfälschungen des Klosters Trebnitz. Am 17. November 1939 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. Januar 1940 aufgenommen (Mitgliedsnummer 7.943.659).[3][4]

Von 1940 bis 1944 war Appelt Soldat und diente als Funker in Rom. Seine Berufung auf einen Lehrstuhl in Tübingen 1941 scheiterte am Widerstand des nationalsozialistischen Funktionärs Robert Wetzel. 1943 wurde Appelt als außerordentlicher Professor in Breslau Nachfolger des nach Wien gewechselten Leo Santifaller, konnte seine Lehrtätigkeit aber nur im Wintersemester 1944/45 ausüben. Er kehrte nach Wien zurück. Als „minderbelastet“ eingestuft,[5] erhielt er auf Betreiben Santifallers einen Lehrauftrag und ging 1946 als Supplent an die Universität Graz. Dort wurde er 1948 außerordentlicher Professor, 1959 ordentlicher Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. 1963 wechselte er an die Universität Wien, wo er zugleich am Institut für Österreichische Geschichtsforschung arbeitete. 1980 wurde er emeritiert.

Von 1948 bis 1998 war Appelt Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica, seit 1949 Mitarbeiter, später auch Leiter der Wiener Diplomata-Abteilung. Sein Hauptwerk ist die 1956 übernommene Edition der Urkunden Kaiser Friedrichs I., deren fünf Bände in den Jahren von 1975 bis 1990 erschienen sind. Nach Abschluss dieser Arbeit wandte sich der 80-jährige den mehr als 700 Urkunden Heinrichs VI. zu, deren kritische Edition er noch im Manuskript erarbeitete, auch wenn er das Werk nicht mehr selbst bis zur Drucklegung bringen konnte. Appelt verstarb im Alter von 89 Jahren und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.[6]

Für seine Forschungen wurden Appelt zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen und Mitgliedschaften zugesprochen. Appelt war seit 1962 korrespondierendes, seit 1964 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Ehrendoktor der Universitäten Graz und Innsbruck. Zudem war er Mitglied der Historischen Kommission für Schlesien.[7] 1979 erhielt er den Wilhelm-Hartel-Preis der Wiener Akademie der Wissenschaften, 1989 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und 1990 den Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften. Im Juni 2010 wurde anlässlich des 100. Geburtstages eine Tagung zu seinem Gedenken abgehalten. Die Beiträge gab Werner Maleczek 2014 heraus.[8]

Schriften

  • Die Urkundenfälschungen des Klosters Trebnitz. Studien zur Verfassungsentwicklung der deutschrechtlichen Klosterdörfer und zur Entstehung des Dominiums. Breslau 1940 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Schlesien, 2; Forschungen zum schlesischen Urkundenbuch, 2).
  • Das Diplom Kaiser Heinrichs II. für Göss vom 1. Mai 1020. Eine diplomatisch-verfassungsgeschtliche Untersuchung. Mit einem Faksimile der Urkunde. Graz u. a. 1953.
  • Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas. Wien 1967 (= SÖAW-PH, 252/2).
  • Privilegium minus. Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Österreich. Wien, Köln u. Graz 1973 (= Böhlau Quellenbücher), 2. Aufl. 1976.
  • Kaisertum, Königtum, Landesherrschaft. Wien, Köln u. Graz 1988 (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Beih. 28) (Zusammenstellung seiner Aufsätze).
  • (Hrsg.) Regesta imperii, Neubearbeitung. Serie III, Salisches Haus 1024–1125, III,1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Konrad II. 1024–1039, Graz 1951.
  • Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath, Walter Koch, Josef Riedmann, Winfried Stelzer und Kurt Zeillinger (Hrsg.): Diplomata 22: Die Urkunden Friedrichs I. Teil 1: 1152–1158. Hannover 1975 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  • Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath und Walter Koch (Hrsg.): Diplomata 23: Die Urkunden Friedrichs I. Teil 2: 1158–1167. Hannover 1979 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  • Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath und Walter Koch (Hrsg.): Diplomata 24: Die Urkunden Friedrichs I. Teil 3: 1168–1180. Hannover 1985 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  • Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath, Walter Koch und Bettina Pferschy (Hrsg.): Diplomata 25: Die Urkunden Friedrichs I. Teil 4: 1181–1190. Hannover 1990 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  • Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath und Brigitte Meduna (Hrsg.): Diplomata 26: Die Urkunden Friedrichs I. Teil 5: Einleitung, Verzeichnisse Hannover 1990 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).

Literatur

  • Walter Koch: Nachruf Heinrich Appelt. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. 55, 1999, S. 413–415 (Digitalisat).
  • Jens Thiel: Gab es eine „nationalsozialistische“ Akademikergeneration? Hochschullehrerlaufbahnen und generationelle Prägungen in Deutschland und Österreich 1933/38 bis 1945. In: Zeitgeschichte. Band 35, 2008, S. 230–256 (zu Appelt S. 242–244).
  • Fritz Fellner, Doris A. Corradini: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Böhlau, Wien 2006, ISBN 978-3-205-77476-1, S. 40–41.
  • Winfried Stelzer: Heinrich Appelt †. In: Othmar Pickl (Hrsg.): 25. Bericht der Historischen Landeskommission für Steiermark. 2000, S. 23–28.
  • Othmar Hageneder: Nachruf Heinrich Appelt. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 107, 1999, S. 507–511.
  • Josef Riedmann: Heinrich Appelt. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach Jg. 149 (1999), S. 463–473.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Die Urkunden der Brixner Hochstiftsarchive 1295–1336. 2 Teile. Hirzel, Leipzig 1941/43 (= Brixner Urkunden. Bd. 2, Teil 1 u. 2) (gemeinsam mit Leo Santifaller).
  2. Heinrich Appelt (Bearb.): Schlesisches Urkundenbuch. Hrsg. von der Historischen Kommission für Schlesien. Band I: 971–1230. Wien 1963–1971.
  3. Bundesarchiv, R 9361-IX KARTEI/630585.
  4. eigene Angaben in einem Lebenslauf vom 24. April 1941 über eine Parteianwärterschaft 1940 (siehe Jens Thiel: Gab es eine „nationalsozialistische“ Akademikergeneration? In: Zeitgeschichte. Band 35, 2008, S. 230–256, hier: S. 255, Anm. 134.) deuten darauf hin, dass seine Mitgliedschaft 1941 immer noch nicht bewilligt war.
  5. Gernot Heiss: Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive? Die mittlere, neuere und österreichische Geschichte sowie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien 1945–1955. In: Margarete Grandner, Gernot Heiss, Oliver Rathkolb (Hrsg.): Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (= Querschnitte. Band 19). StudienVerlag, Innsbruck/Wien/München/Bozen 2005, ISBN 3-7065-4236-6, S. 189–210, hier: S. 198.
  6. Heinrich Appelt in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at.
  7. Fünfzig Jahre Historische Kommission für Schlesien. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band 17, 1972, S. 413.
  8. Werner Maleczek (Hrsg.): Urkunden und ihre Erforschung. Zum Gedenken an Heinrich Appelt. Wien 2014.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Uni Graz-Logo mit Siegel.svg
Autor/Urheber:

Unbekannt

, Lizenz: Logo

Logo der Universität Graz