Heißer Draht
Als Heißer Draht (engl. hotline) oder Rotes Telefon wurde eine ständige Fernschreiberverbindung zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten während der Zeit des Kalten Krieges bezeichnet.
Einrichtung
Die Verbindung wurde aufgrund der Erfahrungen aus der Kubakrise (14. bis 28. Oktober 1962) eingerichtet. Sie läuft über London, Kopenhagen, Stockholm, Helsinki und wurde am 30. August 1963[1] eröffnet. Parallel dazu kam es zu einer Funkverbindung über Tanger. 1966 folgte eine Verbindung der USA mit Frankreich, 1967 mit Großbritannien. Die Verbindungen sollen die Möglichkeit schaffen, eine Friedensgefährdung durch Irrtümer, Missverständnisse oder Verzögerungen im Kommunikationsweg zu verhindern.
Dass diese Gefahr weiterhin bestand, zeigt ein Vorfall vom 26. September 1983: Damals meldete die sowjetische Raketenabwehr fälschlich einen Angriff von US-Interkontinentalraketen auf die Sowjetunion (siehe den Artikel über Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow).
Beide Seiten strebten eine höchstmögliche Sicherheit gegen Abhören oder Verfälschen der übermittelten Nachrichten an. Es kam die Verschlüsselungstechnik One-Time-Pad zum Einsatz – eine der wenigen bekannten Anwendungen des Verfahrens, das zwar absolute Sicherheit bietet, in der Praxis aufgrund des aufwendigen Schlüsselaustausches aber nur schwer durchführbar ist.
Um technisch bedingte Übertragungsfehler auszuschließen, überprüfte man die Leitung regelmäßig. In der Vergangenheit geschah das, indem der seit 1988 in der ITU-T-Empfehlung R.52 beschriebene Prüftext für Fernschreibverbindungen jeweils an die Gegenseite gesendet wurde (the quick brown fox jumps over the lazy dog, ins Deutsche übersetzt „Der schnelle, braune Fuchs springt über den faulen Hund“).[2] Dieser Prüftext enthält alle darstellbaren Buchstaben eines Fernschreibers (ein sogenanntes Pangramm).
Erster Einsatz
Nach der Installation wurde die Verbindung zwischen USA und Sowjetunion vier Jahre lang nicht verwendet. Robert McNamara, damaliger Verteidigungsminister der USA, beschrieb den ersten Einsatz des Roten Telefons in seinen Erinnerungen: Wenige Stunden nach Ausbruch des Sechstagekrieges erhielt er am 5. Juni 1967 gegen acht Uhr morgens Ortszeit im Pentagon einen Anruf des diensthabenden Generals. Dieser teilte dem erstaunten Verteidigungsminister mit, dass der sowjetische Ministerpräsident Alexei Kossygin Präsident Lyndon B. Johnson zu sprechen wünsche. McNamara wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Leitungen des Fernschreibers unter seinem Büro endeten. Er weckte und informierte den Präsidenten; die Verbindung wurde während des Krieges mehrmals verwendet.
Reaktivierung
Über 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges richteten Russland und die NATO 2015 wieder eine direkte Verbindung zwischen ihren Generalstäben ein. Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte aufgrund der Spannungen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise im Dezember 2014 angeregt, wieder eine ständige Verbindung für Krisenfälle einzurichten.
Sowohl der NATO-Oberbefehlshaber für Europa als auch der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses haben die Erlaubnis, sich mit den russischen Oberbefehlshabern in Verbindung zu setzen, teilte die NATO mit. Die Kommunikationskanäle seien jederzeit offen und würden regelmäßig getestet.[3]
Etwa eine Woche nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurde eine direkte Verbindung zwischen dem Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte und Russland eingerichtet.[4]
Sonstiges
Direkte Telefonverbindungen wurden auch zwischen anderen wichtigen Knotenpunkten im militärischen Entscheidungsapparat eingerichtet. Eines dieser Telefone war rot mit schwarzer Abdeckung ohne Wählscheibe und trug die Aufschrift „White House Hot Line“. Es verband 1963 das North American Aerospace Defense Command (Verteidigungskommando Nordamerikanischer Luft- und Raumfahrt) mit dem Weißen Haus und war erst über 50 Jahre danach für wenige Monate öffentlich zu sehen.[5][6] Es war ein Telefon vor der Einrichtung des AUTOSEVOCOM und anderen Systemen, deren Geräte u. a. rot, gelb oder andersfarbig waren.[7]
In zahlreichen Filmen der letzten Jahrzehnte sieht man das Rote Telefon auf Schreibtischen von hochrangigen Diplomaten und Militärs. Es wird als direkte Leitung der jeweiligen Person zum Büro des obersten militärischen Vorgesetzten dargestellt. Bei den US-Amerikanern ist das der Präsident.
Viele Menschen denken beim Begriff Rotes Telefon nur an eine Verbindung zwischen den USA und der UdSSR (bzw. seit deren Zerfall, Russland) und an ein Telefon, also nicht auch an eine Fernschreibverbindung.[8]
Die Volksrepublik China unterhält mit den USA eine ähnliche Verbindung.[9]
Literatur
- Robert McNamara, Brian VanDeMark: Vietnam. Das Trauma einer Weltmacht. Spiegel / Hoffmann und Campe, Hamburg 1996, ISBN 3-455-11139-4; Taschenbuchausgabe: Goldmann, München 1997, ISBN 3-442-12956-7. (Kapitel 10 – zum ersten Einsatz)
- Beat Bumbacher: «Heisser Draht» zwischen Moskau und Washington, in: Neue Zürcher Zeitung, 20. Juni 2013.
Einzelnachweise
- ↑ Deutsche Welle: Kalenderblatt zum 30. August, abgefragt am 31. August 2011
- ↑ ITU-T Recommendation R.52: Standardization of international texts for the measurement of the margin of start-stop equipment
- ↑ Russland: Nato reaktiviert das Rote Telefon. In: Die Zeit. 3. Mai 2015, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 21. April 2017]).
- ↑ Russland-Ukraine-News am 5.3.: Bloomberg stoppt Berichterstattung aus Russland, CNN stellt Übertragung ein. In: Der Spiegel. 5. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. März 2022]).
- ↑ Kalyn McMackin: Colorado Springs museum opens new exhibit highlighting NORAD., fox21news.com, 21. Februar 2016, (englisch; HTML mit Foto), abgerufen 5. November 2016
- ↑ Megan Geuss: King under the mountain. Building Colorado’s Cold War command center. arsTECHNICA.com, 24. April 2016, (englisch; HTML und Foto), abgerufen am 5. November 2016
- ↑ US State Department red phones. electrospaces.net, neueste Version 29. Oktober 2016, erste Version 14. Februar 2013. HTML, abgerufen am 5. November 2016
- ↑ Spiegel Online, Hamburg Germany: „Heißer Draht“ im Kalten Krieg: Wenn der Russe ruft – Spiegel Online – einestages. 29. August 2013, abgerufen am 21. April 2017.
- ↑ SinoDefence.com (UK): Military Hotline Activated Between China and the United States. WordPress.com, 12. April 2008, archiviert vom am 15. Juli 2012; abgerufen am 12. August 2008 (englisch).
Auf dieser Seite verwendete Medien
Autor/Urheber: User:Piotrus, Lizenz: CC BY 3.0
"Red Phone" Moscow–Washington hotline from the Carter Administration White House. On display at the Jimmy Carter Library and Museum
Präsident Barack Obama telefoniert im Oval Office mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Situation in der Ukraine.
(c) Photo: RAF/MOD, OGL v1.0
A Russian Tu-95 Bear 'H' photographed from a RAF Typhoon Quick Reaction Alert aircraft (QRA) with 6 Squadron from RAF Leuchars in Scotland.
RAF Typhoon Quick Reaction Alert aircraft were launched from RAF Leuchars to determine the identity of unknown aircraft that approached the NATO Air Policing Area north of Scotland and could not be identified by other means. The aircraft were subsequently identified as Russian military reconnaissance (Bears). The Russian Bears aircraft remained in international airspace as they are perfectly entitled to do.
- Organization: RAF
- Object Name: LEU-OFFICIAL-20140423-0326-0015
- Category: MOD
- Supplemental Categories: Equipment, Aircraft, Foreign Aircraft
- Keywords: QRA, Russia, Russian, Bear, Aircraft, Quick Reaction Alert, Intercept
- Country: Scotland