Heeresgruppe Nord

Heeresgruppe Nord war die Bezeichnung für drei verschiedene Heeresgruppenkommandos des Heeres der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Sie waren Oberkommando jeweils wechselnder Armeen sowie zahlreicher Spezialtruppen.

Geschichte

Ein zerstörter Panzerkampfwagen IV
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Nach der Panzerschlacht bei Kowno 1941
Das zerstörte Tauroggen 1941
Tauroggen 1941

1. Formation

Die Heeresgruppe Nord wurde am 2. September 1939 durch Umbildung aus dem Armeeoberkommando 2 aufgestellt. Nach Beendigung des Überfalls auf Polen wurde sie in den Westen verlegt und am 10. Oktober 1939 in Heeresgruppe B umbenannt.

2. Formation

Am 21. Juni 1941 wurde die Heeresgruppe Nord durch Umbenennung des Stabes der Heeresgruppe C in Ostpreußen neu aktiviert. Am 22. Juni zu Beginn des Angriffes auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa) war die Heeresgruppe Nord unter Oberbefehl von Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb mit der 18. Armee (Generaloberst Georg von Küchler) am linken, der Panzergruppe 4 (GenOb. Erich Hoepner) im Zentrum und der 16. Armee (GenOb. Ernst Busch) am rechten Flügel, mit 26 Infanterie-, drei Panzer- und drei motorisierten Divisionen über die Memel zum Angriff nach Osten angetreten. Auf der gegnerischen Seite kämpften im Verband der sowjetischen Nordwestfront (Armeegeneral F. I. Kusnezow) die 8. Armee (Generalmajor P. P. Sobennikow) und 11. Armee (Generalleutnant W. I. Morosow), als Reserve fungierte dahinter die 27. Armee (Generalmajor N. E. Bersarin).

Erstes Operationsziel der Heeresgruppe Nord bei der anlaufenden Schlacht um das Baltikum war das Erreichen der Düna zwischen Jakobstadt und Dünaburg durch die Panzerverbände des Generals Hoepner. Schon am 23. Juni kam es bei TauroggenSchaulen zu schweren Panzerkämpfen, welche das deutsche XXXXI. Armeekorps (mot.) (General Georg-Hans Reinhardt) mehrere Tage aufhielten, während weiter südlich das LVI. Armeekorps (mot.) (General Erich von Manstein) zügig auf Jakobstadt vorankam. Am 28. Juni konnte das an der Ostseeküste eigenständig operierende XXVI. Armeekorps die Hafenstadt Libau und bis 1. Juli auch Riga als neue Marinestützpunkte gewinnen. Während die sowjetische 8. Armee die Küstenlinie zäh verteidigte, wurden die sowjetische 11. und 27. Armee schnell zum Rückzug über die Düna gezwungen.

Am 17. Juli beurteilte das Oberkommando der Heeresgruppe Nord die Lage und die künftigen Möglichkeiten und kam zu dem Ergebnis, das der Operationsraum, die eigenen Kräfte und der versteifte Widerstand der Roten Armee es geboten, Operationen nicht mehr in einem Zuge, sondern in Etappen durchzuführen. Folglich sollte die 16. Armee zunächst den vor ihrer Front stehenden Gegner einkesseln oder zurückwerfen. Der Angriff über die Linie Novgorod-Narva könne erst dann stattfinden, wenn außer dem I. Armeekorps noch 1 – 2 weitere Korps herangekommen seien; bis dahin sei es Aufgabe des Panzergruppe 4, in dieser Linie vorzurücken. Auch für den Angriff auf Estland waren die Kräfte zunächst zu gering. Ein erneuter Angriff könne erst ab 25. Juli stattfinden.

Damit tat sich für die Heeresgruppe ein Dilemma auf. Die Offensive hatte zwar zunächst die gesteckten Ziele erreicht, eine entscheidende Zerschlagung der Gegner aber nicht. Damit war die Heeresgruppe gezwungen, ihre Kräfte einzuteilen und sich auf eine Stoßrichtung zu konzentrieren. Da aber die Heeresgruppe Mitte ebenfalls ein solches Dilemma hatte und sich auf Smolensk konzentrieren musste (Kesselschlacht bei Smolensk 10. Juli bis 10. September 1941), tat sich eine Lücke zwischen den Heeresgruppen bei Welikije Luki auf.[1]

Bis Mitte Juli erreichte die Panzergruppe 4 den Peipussee und warf die sowjetische 8. Armee bei Narva zurück. Bereits am 10. August erfolgte, ohne Abwarten der nachrückenden Infanteriekorps der 18. Armee, der erste Angriff auf Leningrad. Er führte nicht zum Erfolg: Gegenangriffe der aus der Reserve herangeführten sowjetischen 27. Armee stoppten den Angriff der 16. Armee am Südflügel der Heeresgruppe im Raum Tschudowo. Bis Ende August konnte die 18. Armee die estnische Hauptstadt Tallinn erobern und folgte im September den Panzerverbänden zur Leningrader Blockade. Nachdem die finnische Armee unter Marschall Mannerheim nach Erreichen ihrer alten Grenze ihren Vormarsch an der karelischen Landenge eingestellt hatte, fiel der von Hitler erwartete Angriff auf Leningrad von Norden her aus. Leningrads Abwehr, ab September 1941 von Armeegeneral G. K. Schukow selbst organisiert, erwies sich für die Wehrmacht auch in der Folgezeit als zu stark. Hitler beabsichtigte die Aushungerung der Stadt; diese hielt der Belagerung aber bis Anfang 1944 erfolgreich stand.

Ende November 1941 versuchte das deutsche XXXIX. Armeekorps (mot.) unter General Rudolf Schmidt durch den Vorstoß auf Tichwin, die letzte offene Verbindung Leningrads über den Ladogasee nach Osten abzuschneiden. Die Sowjets warfen zur Verteidigung der dortigen Wolchow-Front (Armeegeneral K. A. Merezkow) drei neue Armeen (8., 42. und 55. Armee) an den bedrohten Abschnitt und brachten den deutschen Angriff endgültig zum Erliegen.

Im Frühjahr 1942 schickte das deutsche Oberkommando vier Infanteriedivisionen (61., 215., 126. und 250.) und die 20. ID. mot. aus der OKH-Reserve zur Verstärkung der Heeresgruppe Nord ab, dazu kamen die 225. und die 10. Infanteriedivision mot. aus Frankreich, die 5. Gebirgsdivision [[Balkanfeldzug (1941)<aus Jugoslawien]] und eine niederländische motorisierte SS-Brigade aus dem Reich an; zudem wurden vier Divisionen aus dem Raum Leningrad in die Angriffszone der Wolchow-Front umgruppiert. Im Juli 1942 gelang es der 18. Armee, die in die deutschen Linien eingebrochene sowjetische 2. Stoßarmee (GenLt. A. A. Wlassow) in einer Kesselschlacht vollständig zu zerschlagen (Schlacht am Wolchow). Die Sowjets konnten ihre Ausfälle durch Reservetruppen jedoch immer wieder ausgleichen und sogar verstärken. Nach der Eroberung der Halbinsel Krim wurde die freigewordene 11. Armee zur Heeresgruppe verlegt; ihre Verbände kamen gerade recht, um die sowjetischen Gegenoffensiven am Wolchow und bei Luga abzufangen (Erste Ladoga-Schlacht).

1943 war ein Jahr von schweren Stellungskämpfen, insbesondere im Raum Leningrad (Zweite und Dritte Ladoga-Schlacht) – aber ohne große Änderung der Frontlage. Doch schon im Januar 1944 musste die 18. Armee durch die Gegenoffensive der Leningrader Front (Armeegeneral L. A. Goworow) die Belagerung von Leningrad endgültig aufgeben und wurde nach Narwa zurückgedrängt. Als dann Ende Juni 1944 die Heeresgruppe Mitte (Generalfeldmarschall Busch) zwischen Witebsk, Orscha, Mogilew während der sowjetischen Sommeroffensive (Operation Bagration) zusammenbrach, kam es erneut zu Bewegungen. Der Südflügel der Heeresgruppe Nord im Raum Polozk war jetzt ungeschützt, die dort stehende 16. Armee (Gen. der Inf. Paul Laux) musste sich entlang der Düna nach Riga zurückziehen. In September (Unternehmen Aster) und Oktober erfolgte über Riga der allgemeine Rückzug der 16. und 18. Armee nach Kurland, wo sie von der sowjetischen 1. 2. und 3. Baltischen Front abgeschnitten wurden und im Kessel von Kurland noch bis Kriegsende im Mai 1945 ihre Stellungen halten konnten.

Am 25. Januar 1945 wurde die Heeresgruppe Nord in Heeresgruppe Kurland umbenannt.

3. Formation

Am 27. Januar wurde in Ostpreußen die bisherige Heeresgruppe Mitte in die Heeresgruppe Nord umbenannt, den Oberbefehl erhielt Generaloberst Lothar Rendulic. Diese Formation enthielt anfangs die 3. Panzerarmee, die 2. und 4. Armee. Nachdem die Stoßkeile der 2. Weißrussischen Front (Marschall K. K. Rokossowski) Ende Januar 1945 diese neue Heeresgruppe Nord abermals gespaltet hatten, kämpfte sich der Rest der 4. Armee (Gen. der Inf. Friedrich-Wilhelm Müller) auf Königsberg zurück und wurde im Raum des Heiligenbeiler Kessels im März aufgerieben. Die Verbände der 2. Armee (General der Panzertruppe Dietrich von Saucken) kämpften sich derweil nach Danzig und auf die Halbinsel Hela zurück, wo sich das Armeeoberkommando Ostpreußen etablierte, deren Truppen sich noch bis Mai 1945 halten konnten.

Am 2. April 1945 wurde die Heeresgruppe Nord (seit 13. März unter GenOb. Walter Weiß) endgültig aufgelöst, ihr Stab bildete danach das Armeeoberkommando 12 (AOK 12), welches sich an der Elbe im Raum Magdeburg – Potsdam etablierte. Der Stab der freigewordenen 3. Panzerarmee wurde für neue Formationen an der Oder im Raum Stettin verwendet und der Heeresgruppe Weichsel (Generaloberst Gotthard Heinrici) als nördlicher Flügel unterstellt.

Oberbefehlshaber

Gliederung der Heeresgruppe

Heeresgruppen-Truppen
  • Heeresgruppen-Nachrichten-Regiment 537
  • Heeresgruppen-Nachrichten-Regiment 639 (2. Aufstellung)
  • Heeresgruppen-Nachrichten-Regiment 537
Unterstellte Großverbände
DatumUnterstellte Großverbände
1. Aufstellung (1939)
September 19393. Armee, 4. Armee
2. Aufstellung (1941–1945)
Juni 194116. Armee, 18. Armee, Panzergruppe 4
Oktober 194116. Armee, 18. Armee
September 194211. Armee, 16. Armee, 18. Armee
Dezember 194216. Armee, 18. Armee
März 1944Armeeabteilung Narwa, 16. Armee, 18. Armee
September 194416. Armee, Armeeabteilung Grasser, 18. Armee
November 194416. Armee, Armeeabteilung Kleffel, 18. Armee
Dezember 194416. Armee, 18. Armee
Weiter siehe Heeresgruppe Kurland*
Februar 1945Armeeabteilung Samland, 4. Armee

* Umbenennung der Heeresgruppe Mitte in Heeresgruppe Nord Ende Januar 1945

Siehe auch

  • Schematische Kriegsgliederung der Wehrmacht für das Unternehmen Barbarossa
  • Schematische Kriegsgliederung der Wehrmacht für den Überfall auf Polen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4: Der Angriff auf die Sowjetunion. Mit Beiträgen von Horst Boog, Jürgen Förster u. a. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1993, ISBN 978-3-421-06098-3. - 469 -469 und 459–461

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Zerstörter Panzerkampfwagen IV nach den Kämpfen bei Kowno.
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das zerstörte Tauroggen 1941
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Bilder meines Großvaters, wären der Jahre 1939 bis 1943, Beschreibungen folgen später