Hebraistik
Als Hebraistik bezeichnet man die wissenschaftliche Beschäftigung mit der hebräischen Sprache. Die Hebraistik als universitäre Disziplin ist heute meist Teil der Fächer Theologie, Semitistik und Judaistik.
Geschichte
Die systematische Beschäftigung mit der hebräischen Sprache geht auf die Masoreten zurück, die den Text der hebräischen Bibel kommentierten und den ursprünglich konsonantischen Text mit Vokalen und zusätzlichen Hilfszeichen versahen. Im arabischen Raum, der damals auch Spanien und Sizilien mit einschloss, setzte die wissenschaftliche Beschäftigung mit der hebräischen Grammatik bereits ab dem 9./10. Jahrhundert, beispielsweise durch den jüdischen Übersetzer Saadia Gaon, ein.
Als Begründer der Hebraistik im christlichen Europa gilt der deutsche Humanist Johannes Reuchlin, der bei dem jüdischen Hofarzt Jacob ben Jechiel Loans die hebräische Sprache studierte und schließlich im Jahre 1506 selbst eine althebräische Grammatik mit Glossarium veröffentlichte. Auch wenn jüdische Gelehrte das Werk Reuchlins als primitiv und laienhaft schmähten, weckte es allgemeines Interesse an der hebräischen Sprachforschung und der alttestamentlichen Bibelwissenschaft. Reuchlin trat zudem für die Rechte der Juden und gegen die Vernichtung jüdischer Bücher ein.
Als weitere frühe Hebraisten gelten der jüdische Gelehrte Elijah Levita und der christliche Reformator Paulus Fagius. 1542 gaben die beiden Forscher gemeinsam ein viersprachiges Wörterbuch in Isny heraus. Levita schrieb für diese Ausgabe eine hebräisch-deutsche Grammatik. In diesen Kreis gehörten auch Sebastian Münster und Georg Witzel, der eine "Lobrede auf die Hebräische Sprache" verfasste. 1590 veröffentlichte der Marburger Professor Otto Walper eine ausführliche hebräische Grammatik. Im katholischen Raum war der Emmericher Heinrich Uranius durch eine hebräische Grammatik (1541) bekannt.
In Florenz gründete der Dominikaner Girolamo Savonarola am Kloster San Marco in Florenz eine Sprachschule, aus der einige bedeutende Hebraisten hervorgingen: Santi Pagnini, der zahlreiche Lehrbücher und Lexika verfasste, und Sante Marmochino († 1548), der 1538 die philologisch akribisch erarbeitete „Bibbia nuovamente tradotta dalla hebraica verità in lingua thoscana“ veröffentlichte. Weitere bedeutende Hebraisten des Dominikanerordens waren Agostino Giustinani († 1536), der ab 1518 an der Pariser Universität Hebräisch und Arabisch unterrichtete, und Sixtus von Siena (1520–1569).[1]
Zu den bedeutenden Hebraisten im 19. und 20. Jahrhundert zählt Franz Praetorius, der ab 1880 Orientalistik an der Universität Breslau lehrte.[2]
Althebraistik
Die Althebraistik erforscht das sogenannte klassische Hebräisch als Sprache Altisraels und des Tanach bzw. des Alten Testaments von den Anfängen am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. bis etwa um 200 n. Chr.
Literatur
- Joanna-Maria Keller: Kilian Leib als Hebraist. 1994.
- Hartmut Bobzin: Hebraistik im Zeitalter der Philologia Sacra am Beispiel der Universität Altdorf. St. Ottilien 1993.
- Hartmut Bobzin: Friedrich Rückert (1788–1866). Ein vergessener Alttestamentler und Hebraist. 1989.
- Ghil’ad Zuckermann: 2020: Revivalistics: From the Genesis of Israeli to Language Reclamation in Australia and Beyond. Oxford University Press (ISBN 9780199812790 / ISBN 9780199812776); 2003: Language Contact and Lexical Enrichment in Israeli Hebrew. Palgrave Macmillan (ISBN 9781403917232 / ISBN 9781403938695).
- Gerd Treffer: Der Begründer der christlichen Hebraistik zum 550. Geburtstag Johannes Reuchlins. In: Klerusblatt, 2005.
- Werner Raupp: MÜNSTER, Sebastian. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 316–326 .
- Adalbert Böning: Georg Witzel (1501–1573) als Hebraist und seine Lobrede auf die Hebräische Sprache. 2004, ISBN 9783927382497.
- Andreas Angerstorfer: Joseph Franz von Allioli als Bibelübersetzer, Hebraist, Exeget und Orientalist. 1993.
- Christoph Dröge: Giannozzo Manetti als Denker und Hebraist. Frankfurt am Main u. a. 1987.
- Daniel M. Welton: John Lightfoot, the English Hebraist. A historical lecture. 1878.
Weblinks
- Online-Version von Reuchlins De rudimentis hebraicis von 1506
- Walpers Grammatica linguae sanctae von 1590 bei Google Books
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Elias H. Füllenbach, Bibel- und Hebräischstudien italienischer Dominikaner des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Bibelstudium und Predigt im Dominikanerorden. Geschichte, Ideal, Praxis, hrsg. von Viliam Stefan Doci und Thomas Prügl, Rom 2019 (= Dissertationes Historicae, Bd. 36), S. 255–271.
- ↑ Jürgen W. Schmidt: Kein Fall von „Ritueller Blutabzapfung“ – die Strafprozesse gegen den Rabbinatskandidaten Max Bernstein in Breslau 1889/90 und deren sexualpsychologischer Hintergrund. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013 (2014), S. 483–516, hier: S. 496.