Hasankeyf

Hasankeyf
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Hasankeyf (Türkei)

Der Tigris in Hasankeyf, im Fluss die Pfeiler der 1116 erbauten alten Brücke
Basisdaten
Provinz (il):Batman
Koordinaten:37° 43′ N, 41° 25′ O
Einwohner:4.055[1] (2020)
Telefonvorwahl:(+90) 488
Postleitzahl:72 350
Kfz-Kennzeichen:72
Struktur und Verwaltung (Stand: 2019)
Gliederung:3 Mahalle
Bürgermeister:Abdulvahap Kusen (AKP)
Postanschrift:Raman Mah.
Recep Tayyip Erdoğan cad. No: 35/A
72350 Hasankeyf
Landkreis Hasankeyf
Einwohner:7.284[1] (2020)
Fläche:293 km²
Bevölkerungsdichte:25 Einwohner je km²
Kaymakam:Şenol Öztürk
Website (Kaymakam):
Vorlage:Infobox Ort in der Türkei/Wartung/Landkreis

Hasankeyf (altgriechisch Κιφας, kurdisch Heskîf oder Hesenkêf, aramäisch Hesna/Hesno, Hsenkep oder Hesno d-kepo, von syrisch ܚܨܢ ܟܐܦܐ Ḥéṣn Kayfa) ist eine antike Stadtfestung am Tigris und ein heutiger Landkreis in der türkischen Provinz Batman.

Der Landkreis wurde 1990 vom Kreis Gercüş abgetrennt und zusammen mit der Provinz Batman gegründet (Gesetz Nr. 3647). Er ist der kleinste und bevölkerungsärmste der gesamten Provinz Batman. Neben der Kreisstadt (Merkez) umfasst er 21 Dörfer (Köy), von denen das größte (Üçyol) 414 Einwohner hat. Durchschnittlich wohnen 154 Menschen in jedem Dorf, neun Dörfer haben mehr als dieser Durchschnitt Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist die zweitniedrigste der Provinz.

Name

Der türkische Name Hasankeyf bedeutet wörtlich „Hasans Freude“, was eine Verballhornung des arabischen Namens حصن كيفا / Ḥiṣn Kayfā ist. Ḥiṣn ist das gewöhnliche arabische Wort für Festung, Kayfā die arabische Form des aramäischen Wortes Kēfā, in hebräisch-aramäischen Buchstaben כיפא. Da es im Arabischen kein langes e gibt, wird es regelmäßig durch ay ersetzt. Die Bedeutung von Kēfā im Aramäischen ist „Fels“ oder „Stein“. Der Name Kephas für Petrus stammt von dem gleichen aramäischen Wort. Ḥiṣn Kayfā bedeutet demnach „Felsenfestung“ oder „Felsenburg“. Die Griechen und später die Römer nannten die Stadt Kip(h)as, Kephe, Cepha oder Ciphas.

Geschichte

Von den ersten Siedlungen bis zum 12. Jahrhundert

Detail einer Karte aus dem 17. Jahrhundert: Links erkennt man Hasankeyf, rechts ist die Stadt Diyarbakır zu sehen. Deutlich erkennt man die Brücke im Süden von Hasankeyf, die über den Tigris führt.

Ausgrabungen bei Hasankeyf Höyük 2 km östlich der Altstadt zeigen eine Besiedlung der Gegend seit dem 10. Jahrtausend v. Chr., also dem Präkeramischem Neolithikum A.[2] Damit ist Hasankeyf Höyük ein Zeitgenosse von Göbekli Tepe mit den bisher ältesten Tempelanlagen der Menschheitsgeschichte. Es ist jedoch erst in den Jahrhunderten nach christlicher Zeitrechnung greifbar. Der Ort lag in jenem Teil Nordmesopotamiens, den vom 3. Jahrhundert an sowohl die (Ost-)Römer als auch die persischen Sassaniden beanspruchten. Daher wechselten die Machthaber zunächst oft. Wohl bald nach 363 bauten die Römer hier eine Grenzfestung, die den wichtigen Tigrisübergang bewachen sollte. Man nannte diese Grenzfestung Kiphas und konnte die Sassaniden in den Folgejahren zumeist abwehren; erst 608 gelang diesen unter Chosrau II. die Einnahme des Ortes, den sie aber 630 an die Römer zurückgaben. Wohl 638, im Laufe der islamischen Expansion, eroberten die Araber den Ort. Seit diesem Zeitpunkt lebten die Christen dieser Gegend unter islamischer Oberhoheit, zuerst unter den Umayyaden, dann unter den Abbasiden. Die Hamdaniden herrschten hier von 906–990 und nach ihnen die kurdischen Marwaniden von 990–1096. Hasankeyf besaß bis dahin keine besondere strategische Bedeutung für die Moslems.

Ab 1101 wurde Hasankeyf unter den Artukiden zum Zentrum ausgebaut. Die Artukiden stammen von Artuk, einem General des Seldschukenherrschers Malik Schah I., ab. Sie herrschten bis 1232, waren aktive politische Akteure und bauten die Stadt aus. Sie bauten eine Medrese, Wasserkanäle, die zur Burg hin hochreichten, und eine Brücke über den Tigris.

Geschichte ab dem 13. Jahrhundert

1232 fiel die Stadt an die Ayyubiden. 1260 wurde die Stadt von den Mongolen überrannt. Hülegü verschonte Hasankeyf, als er hörte, dass dessen Herrscher ein Ayyubide war. 1301 überfiel Hülegüs Nachkomme Ghazan die Stadt. Nach der Zerstörung bauten die Ayyubiden die Stadt wieder auf. Viele der Bauwerke stammen aus dieser Zeit.

Ab Mitte des 15. Jahrhunderts stagnierte die Entwicklung. Von 1461 bis 1482 regierten die Akkoyunlar. Die Ayyubiden gewannen Hasankeyf zwar wieder, gerieten dann aber unter den Druck der Safawiden. 1515 gewannen die Osmanen dieses Gebiet und überließen den Ayyubiden die Verwaltung der Stadt. Dies war eine Strategie des Sultans, um die lokalen kurdischen Herrscher gegen die Safawiden zu gewinnen. Die Herrschaft der Ayyubiden endete 1524 und die Osmanen schlugen Hasankeyf dem Eyâlet Diyarbakır zu.

Im 16. Jahrhundert soll die Stadt an die 10.000 Einwohner gehabt haben, davon 60 % Christen. Damals war das zu Hasankeyf gehörende Gebiet allerdings größer und umfasste ganz Batman, Siirt und Teile von Mardin. Mit der Zeit verlor Hasankeyf immer mehr an Größe und Bedeutung, behielt bei den Kurden jedoch den Status einer Kultstätte bzw. eines nationalen Erbes.

Während des Genozids an den Armeniern 1915–1917 war Hasankeyf ein wichtiger Vernichtungsort, da sich Deportationsrouten dort kreuzten.

Die Bevölkerungszahl sank in den letzten 20 bis 30 Jahren dramatisch.

Das umstrittene Staudamm-Projekt

Im Zuge des Südostanatolien-Projekts, das die Schaffung vieler Staudämme – wie auch des Ilısu-Staudamms – im Südosten der Türkei zum Ziel hat, plante der türkische Staat, Hasankeyf unter Wasser zu setzen. Dagegen regte sich nationaler und internationaler Protest. Ungeachtet dessen begann die Türkei Anfang August 2006 mit dem Bau des Staudamms.

Am 15. Dezember 2006 gewährte der Schweizer Bundesrat den Firmen Alstom, Colenco, Maggia und Stucky Exportrisikogarantien in Höhe von 225 Millionen Franken für das Ilısu-Staudammprojekt. Von den etwa 100 angeführten Auflagen sollten mindestens 25 „zufriedenstellend“ erfüllt werden. Am 26. März 2007 genehmigten auch das deutsche[3][4] und das österreichische[5] Regierungskabinett Kreditgarantien für am Bauprojekt beteiligte einheimische Unternehmen, da die vorgegebenen Kriterien erfüllt seien. Teile der antiken Stadt sollten versetzt und in einem Kulturpark wieder aufgebaut werden. Kritiker vermelden aber, dass nur ein kleiner Teil der antiken Schätze bewahrt werden werde.

Die Schweiz stoppte die Exportrisikogarantie, ebenso Deutschland und Österreich, nachdem trotz erheblicher Verbesserungen des Projekts Auflagen für den Umwelt- und Kulturgüterschutz nicht zufriedenstellend erfüllt worden waren[6].

Im Februar 2010 gab der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan bekannt, dass seine Regierung neue Kreditgeber gefunden hat und der Staudamm gebaut werden kann. Anfang 2016 beschloss das türkische Parlament endgültig, das Projekt umzusetzen.[7]

Die Staumauer wurde im Juli 2017 fertig gestellt.[8] Am 12. Mai 2017 wurde das Zeynel-Bey-Mausoleum mit einem speziellen Transporter versetzt, um einer Überflutung zu entgehen. Es befindet sich nun 2 km entfernt im neuen Hasankeyf-Kulturpark.[9] Weitere acht bedeutende Gebäude sollten ebenfalls umgesetzt werden.[10] Auch ein Teil der Bevölkerung wurde nach „Neu-Hasankeyf“ umgesiedelt.[11]

Eine letzte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Flutung des Ortes wurde am 21. Februar 2019 abgewiesen.

Der ursprüngliche Termin für die Flutung im Juni 2019 musste zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben werden, da der Tigris zu diesem Zeitpunkt zu viel Wasser führte und diverse Vorbereitungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.[12] Zwischen dem 20. und 22. Juli 2019 wurde laut der Wasserbehörde DSI mit einer „Testaufstauung“ begonnen.[13] Die Initiative zur Rettung von Hasankeyf berichtete, dass diese am 29. Juli weiterhin andauerte.[14] Ende 2020 war die Flutung abgeschlossen.[15]

Sehenswürdigkeiten

  • 1116 vom Artukiden Fahrettin Karaaslan erbaute Alte Brücke, heute eine Ruine. Teile der alten Brücke bestanden aus Holz, das man entfernte, wenn Feinde die Stadt bedrohten.
  • Artukidische Palast
  • Ayyubidische Ulu Cami
  • Kleiner Palast der Ayyubiden
  • Felsenwohnungen
  • Zeynel-Bey-Mausoleum, Grabmal des Sohnes von Uzun Hasan aus dem 15. Jahrhundert

Literatur

  • Rainer Hermann: Der Untergang von Hasankeyf (2020, mit zahlreichen Fotografien)
  • A. Fink: Der arabische Dialekt von Hasankeyf am Tigris (Osttürkei). Geschichte – Grammatik – Texte – Glossar. Harrassowitz, Wiesbaden 2017, (= Semitica Viva, 57), ISBN 978-3-447-10898-0.
  • S. Ory: Ḥiṣn Kayfā. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd 3. Brill, Leiden 1986–2002, ISBN 90-04-08114-3, S. 506–509.

Fernsehen

  • Re: Der Untergang von Hasankeyf, arte, 2020[16]
  • Weltspiegel: Hasankeyf geht unter, ARD, 2020[17]

Weblinks

Commons: Hasankeyf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Türkiye Nüfusu İl ve İlçelere Göre Nüfus Bilgileri, abgerufen am 26. Februar 2021
  2. Miyake et al.: New Excavations at Hasankeyf Höyük: A 10th millennium cal. BC site on the Upper Tigris, Southeast Anatolia
  3. Land unter für deutschen Export. die tageszeitung, 28. März 2007.
  4. Exportkreditgarantie für Ilisu-Staudamm (Memento vom 11. Mai 2008 im Internet Archive), Bundeswirtschaftsministerium
  5. Ilisu-Projekt. Republik Österreich erteilt Exportgarantie., wienweb.at, 26. März 2007.
  6. Keine Garantien für umstrittenen Ilisu-Damm. NZZ online, 7. Juli 2009
  7. Hasankeyf: 12.000 Jahre Geschichte werden geflutet (Memento vom 9. August 2017 im Internet Archive), Meldung der DTJ vom 29. Januar 2016.
  8. Ilısu Barajı'nın gövdesi tamamlandı. Meldung der Hürriyet vom 29. Juli 2017.
  9. Türkei rettet 1100-Tonnen-Grabstätte. Meldung auf www.n-tv.de vom 12. Mai 2017.
  10. Hasankeyf'teki Kültürel Miras Bir Bir Taşınıyor. Meldung der Milliyet vom 27. Juli 2017.
  11. tagesschau.de: Hasankeyf - der Stausee schluckt alles. Abgerufen am 8. Juli 2020.
  12. Flutung von Hasankeyf vertagt. In: tagesschau.de. 10. Juni 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  13. Die Flutung des Ilisu-Staudamms hat begonnen! ANF News, 27. Juli 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  14. Hasankeyf: Aufstauung ohne Vorwarnung. ANF News, 1. August 2019, abgerufen am 12. August 2019.
  15. Jan Petter: Hier war eine Stadt In: Spiegel online, 23. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
  16. Re: Der Untergang von Hasankeyf: Ein Weltkulturerbe versinkt im Stausee, arte, 27. Mai 2020; [1]
  17. Hasankeyf geht unter, Weltspiegel, 19. April 2020

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Hasankeyf or Heskîf, Turkey, 2004. The remnants of the old Hasankeyf Bridge alongside the new The Hasankeyf Bridge built by Selim Baysal in 1957. Other version:

1671 Hasankeyf and Diyarbekir from Ottoman map of Tigris and Euphrates 2012 Kurşun Z Fig2.jpg
The cities of Hasankeyf (left) and Diyarbekir (right) on the Tigris river. South is at the top. Detail from a 17th-century map of the Tigris and Euphrates now owned by Shaikh Hassan bin Muhammed al-Thani of Qatar. The map may have been drawn by the Ottoman traveler Evliya Çelebi.
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Ein Vogelansicht zur historischer Brücke.
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Ein Ansicht von Hasankeyf aus anderer Seite des Flusses.
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Hsankeyfin Kuşbakışı görünüşü.
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Ein Anschicht von alte und neue Hasankeyf.
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Ein Ansicht von historischer Brücke.