Hark Bohm
Hark Hermann Bohm (* 18. Mai 1939 in Hamburg; † 14. November 2025 ebenda) war ein deutscher Filmregisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent. Er wurde vor allem mit sozialkritischen Produktionen wie Nordsee ist Mordsee (1976), Moritz, lieber Moritz (1978) oder Yasemin (1988) bekannt. Für letztere erhielt er das Filmband in Gold. Er war zudem Dozent am Institut für Theater, Musiktheater und Film der Universität Hamburg.
Leben
Jugend und Ausbildung
Hark Bohm wurde 1939 im Hamburger Stadtteil Othmarschen geboren und wuchs mit drei jüngeren Geschwistern, einem Bruder und zwei Schwestern, in Norddorf auf der Nordseeinsel Amrum auf.[1] Nach dem Abitur 1959 am Christianeum in Hamburg absolvierte Bohm seinen Wehrdienst bei der Bundesmarine und studierte Rechtswissenschaften in Hamburg, Berlin und Lausanne.[2][1] 1966 legte er sein Erstes Juristisches Staatsexamen ab.[2] Sein juristisches Referendariat in München brach er 1969 ab und befasste sich ab da hauptberuflich in verschiedenen Funktionen mit Film.
Familie
Bohms Mutter, die Studienrätin Hildegard Emma Precht, entstammte einer Familie von Kaufleuten und Segelmachern aus Bremerhaven.[1] Sein Vater Walter, Sohn eines Eisenbahninspektors aus Richtenberg in Vorpommern, war Rittmeister der baltischen Landeswehr und studierte nach der Enteignung seines Besitzes in Estland in Hamburg Jura. 1933 trat er der SS bei (letzter Rang: SS-Obersturmführer) und wurde anschließend Hauptlektor der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums und Hauptabteilungsleiter im Stabsamt des Reichsbauernführers Walther Darré im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA).[3][4] Ab 1935 war er zudem als Hochschuldozent für Agrarrecht und Agrargeschichte in Goslar tätig.[4] Nach dem Krieg war er Hamburger Obersenatsrat und Richter am Hamburgischen Landesverwaltungsgericht.[1] Hark Bohms Bruder war der Schauspieler Marquard Bohm (1941–2006).[1]
Bohm hatte aus der ersten Ehe seines Vaters mit Emmy von Kirschten drei in Reval geborene Halbbrüder, von denen zwei im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Sein mittlerer 1922 geborener Halbbruder diente als Kriegsfreiwilliger im Füsilier-Regiment Großdeutschland und im Volkssturm. Er wurde als Kriegsinvalide entlassen und starb 37-jährig an den Folgen seiner Kriegsverletzungen.
Privatleben
In erster Ehe war Bohm mit der späteren RAF-Terroristin Angela Luther verheiratet. Er und seine zweite Ehefrau Natalia adoptierten vier Kinder und betreuten zwei Pflegekinder.[5] Eines seiner Adoptivkinder war der Schauspieler Uwe Bohm (1962–2022), der bereits als Jugendlicher in einigen seiner Filme Hauptrollen spielte, meist noch unter seinem Geburtsnamen Uwe Enkelmann. Der Schauspieler Dschingis Bowakow ist ein jüngerer Bruder seiner Frau Natalia und wurde als Ziehsohn in der Familie Bohm aufgenommen.[6] Hark Bohm starb im November 2025 im Alter von 86 Jahren in Hamburg.[7]
Karriere
Durch seinen jüngeren Bruder Marquard kam Bohm in Kontakt mit der Münchner Filmszene. Er war zunächst Darsteller in einigen Filmen von Rainer Werner Fassbinder. Dieser setzte ihn vorzugsweise für pedantische und autoritäre Rollen ein. 1971 gründete der als linksliberal[7] beschriebene Bohm mit anderen Autorenfilmern des Neuen Deutschen Films den Filmverlag der Autoren. In den folgenden Jahren war er Regisseur und Autor einiger Kurzfilme, bevor er mit Tschetan, der Indianerjunge einen preisgekrönten Spielfilm drehte. 1974 entstand seine eigene Produktionsfirma namens Hamburger Kino Kompanie. Sein größter Erfolg wurde 1976 Nordsee ist Mordsee. Es folgten Filme wie Moritz, lieber Moritz (1978), die vor allem sozialkritisch verstanden werden sollten. Gemeinsam mit dem Verhaltensforscher Erik Zimen realisierte er 1976 bis 1978 den Dokumentarfilm Wölfe.
1984 erschien mit Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen eine Verfilmung des Falls von Marianne Bachmeier, für deren Begnadigung er sich öffentlich eingesetzt hatte. 1986 griff er mit Der kleine Staatsanwalt erneut auf ein Justizthema zurück und spielte in der Titelrolle einen Staatsanwalt im aussichtslosen Kampf gegen Wirtschaftskriminalität. Mit Yasemin, der mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet wurde, und Herzlich willkommen entstanden in den folgenden Jahren zwei weitere sozialkritische Filme. Bernd Eichinger engagierte ihn im Jahr 2000 als Drehbuchautor und Regisseur für den TV-Zweiteiler Vera Brühne.
2015/16 schrieb Bohm zusammen mit Niki Stein die Drehbücher für die RTL-Fernsehserie Adolf Hitler,[8] basierend auf Thomas Webers Biografie Hitlers erster Krieg.[9] Zusammen mit Fatih Akin und Lars Hubrich schrieb er das Drehbuch zur Verfilmung des Romans Tschick von Wolfgang Herrndorf.[10] Für das Drehbuch zu Aus dem Nichts (2017) wurden Akin und Bohm 2018 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Bei der Verleihung wurde Bohm auch der Ehrenpreis für „herausragende Verdienste um den deutschen Film“ überreicht.
Bohm war Mitbegründer des Hamburger Filmbüros (1979). Im selben Jahr initiierte er auch das Filmfest Hamburg zusammen mit Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Wim Wenders mit der sogenannten Hamburger Erklärung. 1993 gründete er das Filmstudium Hamburg an der Universität Hamburg – wo er ab 1992 auch eine Professur innehatte –, das 2004 in die Hamburg Media School integriert wurde. Bohm war Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. 2003 war er eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie.
2024 veröffentlichte Bohm den Roman Amrum, der autobiografisch von der Kindheit eines Jungen am Ende des Zweiten Weltkrieges auf Amrum erzählt.[11] Ursprünglich wollte Bohm auch die Regie der Verfilmung des Romans übernehmen, musste aber aufgrund seiner nachlassenden Gesundheit absagen.[12] Schließlich übernahm auf Wunsch Bohms dessen Freund und Mentee Fatih Akin die Regie des gleichnamigen Films, der auf einem Drehbuch von Bohm basiert.[13] Noch während der Film in den deutschen Kinos lief, verstarb Bohm im November 2025.
Filmografie (Auswahl)
Als Schauspieler
- 1969: Rote Sonne
- 1969: Die Revolte
- 1970: Der amerikanische Soldat
- 1970: Der große Verhau
- 1972: Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte
- 1972: Händler der vier Jahreszeiten
- 1974: Angst essen Seele auf
- 1974: Fontane Effi Briest
- 1975: Faustrecht der Freiheit
- 1975: Angst vor der Angst (Fernsehfilm)
- 1976: Der starke Ferdinand
- 1976: Bomber & Paganini
- 1976: Adolf und Marlene
- 1978: Despair – Eine Reise ins Licht
- 1978: Die Ehe der Maria Braun
- 1979: Die dritte Generation
- 1979: 1 + 1 = 3
- 1979: Der Durchdreher
- 1980: Berlin Alexanderplatz
- 1980: Lili Marleen
- 1980: Panische Zeiten
- 1980: Endstation Freiheit
- 1981: Lola
- 1984: Der Beginn aller Schrecken ist Liebe
- 1985: Paradigma
- 1985: Nicht nichts ohne Dich
- 1986: Das Go! Projekt
- 1987: Der kleine Staatsanwalt (zugleich Regisseur)
- 1988: Linie 1
- 1989: Erdenschwer
- 1989: Treffen in Travers
- 1989: Beim nächsten Mann wird alles anders
- 1989: Das Spinnennetz
- 1990: Herzlich willkommen
- 1992: Schtonk!
- 1992: Ruby Cairo
- 1993: Justiz
- 1995: Das Versprechen
- 1995: Underground
- 1996: Gespräch mit dem Biest – Conversation with the Beast
- 1997: Knockin’ on Heaven’s Door
- 1997: Der Hauptmann von Köpenick
- 1998: Härtetest
- 1998: Tatort – Bildersturm
- 1999: ’Ne günstige Gelegenheit
- 2001: Invincible – Unbesiegbar (Invincible)
- 2002: Islandfalken (Fálkar)
- 2006: True North
- 2007: Underdogs
- 2007: Die Todesautomatik
- 2008: Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen
- 2008: Was wenn der Tod uns scheidet?
- 2008: Der Architekt
- 2008: Leo und Marie – Eine Weihnachtsliebe
- 2011: Wer wenn nicht wir
- 2011: Kissenschlacht
- 2015: Der Liebling des Himmels
- 2017: Beutolomäus und der wahre Weihnachtsmann
- 2019: Der Goldene Handschuh
- 2019: Tatort: One Way Ticket
- 2019: Und der Zukunft zugewandt
- 2021: Zimmer mit Stall: Schwein gehabt
Als Regisseur und Drehbuchautor
- 1972: Tschetan, der Indianerjunge
- 1973: Ich kann auch ’ne Arche bauen
- 1974: Wir pfeifen auf den Gurkenkönig
- 1976: Nordsee ist Mordsee
- 1978: Moritz, lieber Moritz
- 1980: Im Herzen des Hurrican
- 1984: Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen
- 1985: Wie ein freier Vogel – Como un pajaro libre (Dokumentarfilm)
- 1987: Der kleine Staatsanwalt
- 1988: Yasemin
- 1990: Herzlich willkommen
- 1997: Für immer und immer
- 2001: Vera Brühne
- 2002: Atlantic Affairs
- 2016: Tschick (Drehbuch)
- 2017: Aus dem Nichts (Drehbuch)
- 2025: Amrum (Drehbuch)
Auszeichnungen
- 1973: Preis der AG der Filmjournalisten (Bester Spielfilm des Jahres) für Tschetan, der Indianerjunge
- 1988: IFF Chicago: Preis (Bestes Drehbuch) für Yasemin
- 1989: Filmband in Gold (Regie) für Yasemin
- 2018: Zwei Deutsche Filmpreise (Ehrenpreis sowie Drehbuchpreis für Aus dem Nichts)
Schriften
- mit Philipp Winkler: Amrum. Roman. Ullstein Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-550-20269-8.
Literatur
- Regisseur und Drehbuchautor Hark Bohm. In: Susanne Wiedmann: Amrum. Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50231-2, S. 33–46.
- Peer Moritz: Hark Bohm – Regisseur, Autor, Schauspieler, Produzent. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 24, 1994
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 1: A–C. Erik Aaes – Jack Carson. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 446.
Weblinks
- Literatur von und über Hark Bohm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hark Bohm bei filmportal.de
- Hark Bohm bei IMDb
- Hark Bohm bei Crew United
- „Glückwunsch. Dem Filmemacher Hark Bohm zum 70“, Die Welt, 18. Mai 2009
Interviews
- „Ich versuche heute, von Studenten zu lernen“ ( vom 25. Februar 2003 im Internet Archive), Die Welt, 6. Januar 2003
- „Roter Teppich für Hark Bohm. Filmstudium feiert heute sein zehntes Jubiläum“ ( vom 28. September 2007 im Internet Archive), Hamburger Abendblatt, 15. Januar 2003
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Pommersches Geschlechterbuch, Neunter Band (1977), S. 215–217.
- ↑ a b Hark Bohm im Munzinger-Archiv, abgerufen am 29. April 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑ Degeners Wer ist’s?, X. Ausgabe (1935), Berlin 1935, S. 158.
- ↑ a b Hans-Christian Harten: Himmlers Lehrer. Die Weltanschauliche Schulung in der SS 1933–1945, Paderborn 2014, S. 53.
- ↑ Regisseur Hark Bohm über die „natürliche Gier, Adoptivvater zu sein“. In: Die Welt. 22. August 2004, abgerufen am 11. Juni 2024 (Interview mit Till Stoldt).
- ↑ Porträt: Auf einen Spaziergang mit Hark Bohm – Erinnerungen eines Autorenfilmers. In: Duoscope. 9. April 2016, abgerufen am 25. August 2022.
- ↑ a b Todesfall: Filmemacher Hark Bohm stirbt im Alter von 86 Jahren. In: Tagesspiegel. 14. November 2025, abgerufen am 15. November 2025.
- ↑ Jörg Thomann: Serie über Hitler: „Warum eigentlich nicht?“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. Februar 2016, abgerufen am 5. Juni 2016.
- ↑ Hitler (AT). In: www.ufa-fiction.de. Archiviert vom am 8. August 2016; abgerufen am 14. November 2025.
- ↑ Tschick. Internet Movie Database, abgerufen am 5. Juni 2016.
- ↑ Katja Weise: Roman "Amrum": Hark Bohms Hommage an eine Insel. Abgerufen am 17. November 2025.
- ↑ "Amrum". 8. Oktober 2025, abgerufen am 17. November 2025.
- ↑ Thomas Abeltshauser: Fatih Akin: Lass mal auf deine Insel gehen … In: epd Film. 6. Oktober 2025, abgerufen am 6. Oktober 2025.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Bohm, Hark |
| ALTERNATIVNAMEN | Bohm, Hark Hermann (vollständiger Name) |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor |
| GEBURTSDATUM | 18. Mai 1939 |
| GEBURTSORT | Hamburg |
| STERBEDATUM | 14. November 2025 |
| STERBEORT | Hamburg |