Hans Thoma stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater Franz Joseph Thoma (1794–1855) war ein gelernter Müller und arbeitete als Holzarbeiter im Schwarzwald. Seine Mutter Rosa Thoma (1804–1897), geborene Mayer, stammte aus einer Kunsthandwerkerfamilie. Ihr Großvater stammte aus Menzenschwand und war ein Bruder des Großvaters von Franz Xaver und Hermann Winterhalter.[1][2]
Auf einer Waldwiese, 1876, Hamburger Kunsthalle. Thomas Braut Cella war das Modell der weiblichen Figur im Bild
Nach Aufenthalten in Basel und Düsseldorf (1867–1868)[3] ging er zusammen mit Otto Scholderer 1868 nach Paris, wo ihn besonders die Werke Gustave Courbets und der Schule von Barbizon beeindruckten. Thoma ging schließlich nach München, die damalige Kunsthauptstadt Deutschlands. Er lebte dort von 1870 bis 1876. 1874 reiste er erstmals nach Italien.
1877 heiratete Thoma die Blumen- und Stilllebenmalerin Cella Berteneder. Eine zweite Italienreise folgte 1880, nachdem er 1879 England bereist hatte und dort 1884 im Art Club Liverpool ausstellen sollte. Er war mit Arnold Böcklin befreundet und stand dem Leibl-Kreis nahe.
Seit 1878 lebte Thoma im Frankfurter Westend, Haus an Haus mit dem Malerfreund Wilhelm Steinhausen, und in gemeinsamem Haushalt mit seiner Ehefrau, seiner Schwester Agathe und mit Ella, der 1878 adoptierten Nichte seiner Frau. Dort traf er unter anderem auf den in der Nachbarschaft (Mendelssohnstraße 69) lebenden SDAP-Politiker, Ex-Internatsdirektor und Privatgelehrten Samuel Spier und seine Frau, die Schriftstellerin und Kunstkritikerin Anna Spier. Die Spiers wie auch andere Bekannte Steinhausens unterstützten Thoma mit Aufträgen. Anna Spier schrieb Artikel und ein Porträt in Buchform über ihn; Thoma schuf für sie ein Exlibris und malte ein Porträt, das sich heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befindet.
Von 1886 bis 1899 lebte er in der FrankfurterWolfsgangstraße 150 und von 1896 bis 1898 zugleich auch in Oberursel in der Taunusstraße 20 (heute Altkönigstr. 20). Inschriften an beiden Häusern weisen darauf hin. Während dieser Zeit entstand auch der Fries mit mythologischen Szenen im Palais Pringsheim in München. Zeitweise beherbergte er den Schriftsteller Julius Langbehn. Der Erbauer des Wohnhauses der Thomas, Simon Ravenstein, unterstützte Thoma mit zahlreichen Aufträgen, deren erster 1882 die Ausmalung des Hauses des Architekten selbst war.
Thoma stand den Malern der Kronberger Malerkolonie nahe. 1899 bezog die vierköpfige Familie in Kronberg im Taunus eine Wohnung mit Atelier neben dem Friedrichshof, was Thoma als sichtbaren Ausdruck der lang ersehnten Anerkennung als Maler empfand.
Karlsruhe
Selbstporträt mit Blume, 1919, National Gallery of ArtHermann Dumler: Hans Thoma auf dem Totenbett
1899 wurde Hans Thoma zum Professor an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe und zum Direktor der Kunsthalle Karlsruhe ernannt. Dieses Amt übte er bis 1920 aus.[4] In der Kunsthalle stattete er die Thoma-Kapelle aus, die noch heute dort zu besichtigen ist; zu seinem 70. Geburtstag eröffnete ein Anbau mit Thoma-Museum. Die Karlsruher Zeit wurde überschattet durch den Tod seiner Frau Cella 1901, der Thoma jahrelang depressiv stimmte. Thoma wohnte nunmehr mit seiner Schwester in Karlsruhe.
Seit seiner Ausstellung im Münchner Kunstverein 1890 wurde er allgemein in Deutschland anerkannt. Thoma gehörte bis um etwa 1910 zu den angesehensten Malern Deutschlands. Meyers Großes Konversations-Lexikon hielt 1909 fest, er sei „einer der Lieblingsmaler des deutschen Volkes geworden“,[5] eine Bezeichnung, die 2013 vom Frankfurter Städel-Museum mit der Ausstellung Hans Thoma. „Lieblingsmaler des deutschen Volkes“ aufgegriffen wurde.[6]
Von 1905 bis 1918 war Thoma vom Großherzog ernanntes Mitglied der Ersten Kammer des Badischen Landtags. Im Oktober 1914 gehörte er zu den Unterzeichnern des Manifestes der 93, dessen Text zu Beginn des Ersten Weltkrieges den deutschen Militarismus zu verteidigen versuchte und bestritt, dass Kriegsgräuel in Belgien stattgefunden hatten.[7] 1919 organisierten Ernst Oppler und Lovis Corinth eine Geburtstagsfeier anlässlich seines 80.[8] Hans Thoma starb im November 1924 mit 85 Jahren in Karlsruhe.
Thomas Frühwerke sind von einem lyrischen Pantheismus geprägt. In seiner Münchner Zeit malte er vor allem Landschaften. In Frankfurt standen Arbeiten mit erzählerischem oder allegorischem Inhalt im Mittelpunkt seines Schaffens. Im Alter arbeitete er intensiv an seiner „Thoma-Kapelle“, die er mit Szenen aus dem Leben und Wirken Jesu Christi ausschmückte.
Als seine besten und authentischsten Werke gelten noch heute seine Landschaften (Schwarzwald, Oberrheinebene und Taunus) und die Porträts seiner Freunde und Angehörigen wie auch seine Selbstporträts. Weniger überzeugen können heute oft grotesk überzeichnete, realistische, mythologisch-religiöse Darstellungen, die stark von Arnold Böcklin beeinflusst sind.
Er gehörte zur bevorzugten Auswahl zeitgenössischer Künstler, die das Komité zur Beschaffung und Bewertung von Stollwerckbildern dem Kölner Schokoladeproduzent Ludwig Stollwerck zur Beauftragung für Entwürfe vorschlug.[9]
Der Kunsthistoriker Henry Thode stilisierte Thomas Werk zu einer Verkörperung nationaler Identität, womit der Vereinnahmung durch die nationalsozialistische Kunstkritik der Boden bereitet wurde. Der Artikel Kampfbund für deutsche Kultur gibt diesbezüglich einen Hinweis, wie völkisch gesinnte Kreise die Hans-Thoma-Schule in Karlsruhe zu einem Zentrum deutschtümelnder Strömungen (Antisemitismus, Antikapitalismus und Heimatkunst) entwickelten. 2023 präsentierte der Hans-Thoma-Preisträger Marcel van Eeden die Ausstellung „1898“, in der anhand der Reise Thomas zur Rembrandt-Ausstellung in Amsterdam anhand diverser Dokumente hergeleitet wird, dass Thoma aktiver Antisemit gewesen sei.[10][11] Dagegen gab es einzelnen Widerspruch,[12] welcher aus Sicht der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe „massive Verletzungen von Standards des guten wissenschaftlichen Arbeitens“ aufwies, weswegen eine erneute Stellungnahme veröffentlicht wurde.[13]
Zu Thomas Schülern zählte unter anderem der spätere Leiter der Keramikfachschule Landshut Hermann Haas.
Biografische und künstlerische Parallelen zu Thoma finden sich bei dem etwas jüngeren Frankfurter Künstler Johann Georg Mohr.
Zu Thomas Freunden und Bekanntenkreis gehörte auch eine Reihe angesehener Poeten, Schriftsteller und Zeitschriftenherausgeber, wie Otto Julius Bierbaum, die sich nicht selten in Thomas Sommerfrische Finsterwalde, Tegernsee, trafen. Von Bierbaum und seiner Frau Gemma sind jeweils zumindest eine Zeichnung von Thoma bekannt.[14]
Ehrungen
In Bernau im Schwarzwald gründete der Bürgermeister Ludwig Baur 1949 das Hans-Thoma-Kunstmuseum[15] in dem Ölgemälde, Grafiken, kunstgewerbliche Arbeiten und Lebensdokumente einen Einblick in das Werk des Künstlers geben.
Der Gemeinderat von St. Blasien verlieh ihm am 25. September 1919 (Urkunde vom 2. Oktober 1920) das Ehrenbürgerrecht; außerdem ist hier ein Weg im Norden der Stadt nach ihm benannt.[17]
Um 1870 schuf er vier eindrucksvolle Darstellungen von Laufenburg; die Stadt ehrte ihn dafür mit der Benennung einer 1932 fertiggestellten Schule sowie eines Weges.[18]
Ein steinernes Porträt Thomas gehört zu den Figuren, die als Wasserspeier die Säulen des Stephanienbrunnens in Karlsruhe verzieren.
Am 1. September 1993 wurde ein Asteroid nach ihm benannt: (5492) Thoma.
Hauptwerke
Der KunstschriftstellerConrad Fiedler, 1884, Alte NationalgalerieTal bei Bernau, 1904, Hans-Thoma-Museum Bernau
Das Kornfeld, 1892, Hans-Thoma-Museum BernauDer Bienenfreund, 1863, Kunsthalle Karlsruhe
F. Fries: Hans Thoma, in: Deutsche Kunst und Dekoration, 2. Jahrgang 1898, S. 339–355, Doi:10.11588/diglit.6385.21.
Franz Hermann Meissner: Hans Thoma. Schuster & Loeffler, Berlin / Leipzig 1899 (archive.org).
Fritz von OstiniThoma. Verlag von Velhagen und Klasing, Bielefeld / Leipzig 1900.
A.[nna] Spier: Hans Thoma. Ein Portrait. Heinrich Keller, Frankfurt a. M. 1900.
A.[nna] Spier: Hans Thoma. In: Die Kunst unserer Zeit, 11. Jahrgang. 1. Halbband. Franz Hanfstaengl, München 1900, S. 61–112. (Textarchiv – Internet Archive).
Lili Fehrle-Burger: Die Gemälde von Hans Thoma in der Peterskirche. In: Heidelberger Fremdenblatt. 7, 1961, S. 2–6.
Hans Thoma. Ausstellungskatalog. Karlsruhe 1974.
Augustinermuseum Freiburg (Hrsg.): Hans Thoma. Lebensbilder. Gemäldeausstellung zum 150. Geburtstag. Langewiesche, Königstein/Taunus 1989, ISBN 3-7845-7870-X
Christa von Helmolt: Hans Thoma. Spiegelbilder. Klett-Cotta, Stuttgart 1989, ISBN 3-608-76261-2.
Ursula Peters: Frau Anna Spier, portraitiert von Hans Thoma. In: Monatsanzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nr. 145. Nürnberg 1993, S. 1163–1166.
Jan Lauts: Hans Thoma. Langewiesche, Königstein/Taunus 1995, ISBN 3-7845-1671-8.
Ausst.-Kat.: Idylle auf Zeit. Malerferien am Untersee 1880 bis 1914. (Städt. Wessenberg-Galerie) Konstanz 2009.
Hans Peter Buohler: [Art.] Thoma, Hans. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. Begr. von Walther Killy, hg. von Wilhelm Kühlmann (u. a.). Zweite, vollst. überarb. Auflage. Band 11. de Gruyter, Berlin / New York 2011, ISBN 978-3-11-022040-7, S. 484–486.
Felix Krämer, Max Hollein (Hrsg.): Hans Thoma. ‚Lieblingsmaler des Deutschen Volkes‘. Köln 2013, ISBN 978-3-86832-154-8.
Hans-Thoma-Kunstmuseum Bernau im Schwarzwald (Hrsg.): Hans Thoma. Stationen eines Künstlerlebens. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014, ISBN 978-3-7319-0009-2.
Frank Engehausen (Hrsg.): Hans Thoma (1839–1924), zur Rezeption des badischen Künstlers im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2022 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen; 231), ISBN 978-3-7995-9580-3.
↑Bernau: Auch mit weißem Bart noch der „Bub“. In: suedkurier.de. 5. März 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. März 2016; abgerufen am 19. März 2016.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.suedkurier.de
↑Thoma, Hans. In: Biographisches Künstler-Lexikon. Leipzig 1882, S. 518.
↑Geschichte – Die Sammlung im 19. Jh.@1@2Vorlage:Toter Link/www.kunsthalle-karlsruhe.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, abgerufen am 30. Mai 2010.
↑Text des Manifests (Memento desOriginals vom 17. Februar 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nernst.de
↑Thomas Corinth: Lovis Corinth – Eine Dokumentation. Ernst Wasmuth, 1979, S. 255.
↑Detlef Lorenz: Reklamekunst um 1900. Künstlerlexikon für Sammelbilder. Reimer-Verlag, 2000.
↑Christian M. Geyer: Hans-Thoma-Preis 2023. Ein Fallbeispiel „Künstlerischer Forschung“. Hrsg.: https://www.arthistoricum.net/. 1. Auflage. 8. November 2023 (51 S., uni-heidelberg.de [abgerufen am 29. November 2023]).
↑Frédéric Bußmann: Stellungnahme der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe zur Schrift von Dr. Christian M. Geyer zur Ausstellung „Marcel van Eeden – 1898“ im Rahmen des Hans-Thoma-Preises 2023. Hrsg.: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. 8. November 2023 (kunsthalle-karlsruhe.de [abgerufen am 30. Oktober 2024]).
↑Hans-Joachim Böttcher: Otto Julius Bierbaum – Ein Poetenleben voller Ruhm und Tragik. Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2022, ISBN 978-3-944487-94-6, S.85, 171ff.
Palais Pringsheim 1.jpg Interieur des Palais Pringsheim, Arcisstraße 12 in München. Inneneinrichtung von Joh. Wachter und Hofmöbelfabrikant O. Fritsche in München.
1890 bezog der Mathematiker und bedeutende Kunstsammler Alfred Pringsheim mit seiner Familie diese Neo-Renaissance-Villa. sie wurde 1935 von den Nationalsozialisten enteignet und wich um 1938 einem Neubau.