Hans Grade

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Hans Grade vor seinem Haus (1939)

Johannes „Hans“ Gustav Paul Grade (* 17. Mai 1879 in Köslin, Provinz Pommern, Preußen, heute Polen;[1]22. Oktober 1946 in Borkheide) war ein deutscher Maschinenbauer, Unternehmer und Flugpionier.

Leben

Hans Grade
(um 1900)

Hans Grade arbeitete als Maschinenbau-Volontär in Grevenbroich und besuchte von 1900 bis 1904 die Technische Hochschule in Charlottenburg; dort wurde er ab 1900 Mitglied der Berliner Burschenschaft Gothia.

1903 konstruierte Grade in Köslin sein erstes Motorrad und übernahm eine Motorenwerkstatt, die er bis 1905 führte. 1905 gründete er die Grade-Motoren-Werke GmbH in Magdeburg. Nach Eintritt in das Magdeburger Pionier-Bataillon im Jahr 1907 begann er mit dem Bau seines ersten Dreidecker-Flugzeuges mit Sechs-Zylinder-Zweitaktmotor und unternahm am 28. Oktober 1908 seinen ersten Flug auf dem Cracauer Anger in Magdeburg. In etwa acht Metern Höhe überwand er auf dem Flug 100 Meter. Der Flug endete mit einer Bruchlandung. Grade unternahm mit diesem Flugzeug auf dem Gelände bis zum Mai 1909 rund 70 Flüge mit einer maximalen Fluglänge von etwa 700 m,[2] über die auch die internationale Fachpresse berichtete.[3] Diese ersten deutschen Motorflüge mit Flächenflugzeugen fanden mehr als 20 Jahre nach den Erstfahrten/Erstflügen von Luftschiffen statt – 1883 und 1884 (elektromotorisiert, Rückkehr zum Ausgangsort) in Frankreich und 1888 in Deutschland.

Am 14. August 1909 zog Grade mit seiner Werkstatt nach Bork, dem heutigen Borkheide. Nach nur drei Tagen unternahm er am 17. August 1909 in Bork den ersten Flug mit seinem noch in Magdeburg entwickelten Eindecker „Libelle“. Beim Versuch, den „Lanz-Preis der Lüfte“ zu gewinnen, hatte er am 26. September 1909 einen Absturz in einen Kiefernwald durch den Bruch des Propellers.[4] Er überstand den Zwischenfall unverletzt und gewann den mit 40.000 Goldmark dotierten Preis am 30. Oktober 1909 auf dem Flugplatz Johannisthal. Anschließend unternahm er Schauflüge in Hamburg, Bremen, Breslau und Magdeburg. 1909 errichtete Grade in Bork (Mark) eine Flugzeugfabrik die »Grade Fliegerwerke« und gründete 1910 die erste Flugschule in Deutschland. Beide waren bis 1914 in Betrieb. Es wurden 80 Flugzeuge gebaut und um 130 Schüler ausgebildet. Grade war einer der ersten deutschen Motorflieger. Sein Pilotenschein vom 1. Februar 1910, ausgegeben vom Luftschiffer-Verband Berlin, trägt die Nummer 2.

Im September 1910 gelang ihm der erste Dauerflug mit einem Eindecker, bei dem er 4 Stunden und 30 Minuten in der Luft war. Am 28. Oktober 1910 wollte Grade den ersten Überlandflug von Bork nach Berlin-Johannisthal durchführen, dessen Strecke über rund 60 km von Bork über Beelitz, Trebbin, Blankenfelde und Rudow führen sollte. Aufgrund des widrigen Wetters wurde dieser Flug um zwei Tage verschoben. Am 30. Oktober 1910 startete er mit seinem „Grade-Eindecker“ zu dem vom Verein Deutscher Lufttechniker veranstalteten Überlandflug. Die weiteren Teilnehmer waren Eugen Wiencziers mit einem Blériot-Eindecker und Robert Thelen in einem Wright-Doppeldecker. Unter den Augen vieler Schaulustiger (von Berlin fuhr extra ein Sonderzug mit ermäßigten Preisen nach Bork) landete Grade nach einer Flugzeit von 53 Minuten und 40 Sekunden, und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 83 km/h wohlbehalten am Zielort. Wincziers gewann zwar diesen Flug und erhielt dafür 2500 Goldmark, aber Grade wurde mit seinem selbst entworfenen deutlich schwächeren Motor Zweiter, erhielt 1500 Goldmark Prämie, und ließ den Drittplatzierten Thelen (1000 Goldmark Prämie) noch deutlich (dessen Zeit: 56 Minuten 50 Sekunden) hinter sich. Auffallend an Grades Motor war auch der geringe Benzinverbrauch von nur circa 10 Litern.

Seinen ersten Überlandflug mit einem Dreidecker führte Grade dann am 9. April 1911 durch und erzielte einen Tag danach mit diesem einen Höhenrekord von 1.450 m. 1912 wurde Grade durch Kaiser Wilhelm II. der Kronenorden 4. Klasse verliehen.

Am 18. Februar 1912 erfolgte die erste Postbeförderung mit einem Flugzeug Hans Grades von Bork nach Brück – nur 6 km weit – durch den Piloten Hermann Pentz. Zur Finanzierung des Flugs waren eigene Briefmarken ausgegeben worden. Der Flug wird als erste Luftpostbeförderung in Deutschland gesehen.

Seinen ersten Versuch mit dem ersten Wasserflugzeug unternahm er am 21. August 1912 in Blankensee bei Trebbin. Hans Grade baute 1913 das erste für den Rückenflug geeignete Flugzeug.

Von 1914 an beschäftigte er sich vor allem mit Reparaturen von Kriegsflugzeugen und entwickelte einen Traktor. Später entwickelte er den ersten deutschen Kleinwagen und begann 1922 mit dessen Produktion. Der Bau von Flugzeugen war Deutschland nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages untersagt. Es wurden bis 1927 bis zu 2000 Autos produziert. In Grades Automobilwerk wurden bis zu 800 Arbeiter beschäftigt.

Im Jahr 1927 musste die Grade Automobilwerke AG wegen Kapitalschwierigkeiten geschlossen werden. In den 1930er Jahren versuchte Grade erfolglos, ein neues Volksflugzeug zu entwickeln. Grade übernahm 1934 Forschungsaufträge von der Industrie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zeitweise enteignet, erhielt aber seinen gesamten Besitz noch vor seinem Tod zurück. Hans Grade war mit der Magdeburgerin Käthe Grothum verheiratet, eine Tante der Schauspielerin Brigitte Grothum.[5]

Ehrungen

Die Hans-Grade-Grundschule in Borkheide[6] und die Hans-Grade-Schule in Berlin-Johannisthal[7] erinnern an den Flugpionier. In Borkheide befindet sich auch das Hans-Grade-Museum.[8] Weiterhin erinnert in Borkheide ein 1980 von der Potsdamer Bildhauerin Petra Raschke geschaffenes Denkmal an den Flugpionier.

Außerdem sind die Gradestraße in Britz,[9] die Hans-Grade-Allee in Schönefeld bei Berlin, der Hans-Grade-Weg in der Flugpioniersiedlung in Erfurt und der Hans-Grade-Ring in Potsdam nach ihm benannt. In den Städten Neuruppin und Werder (Havel) gibt es jeweils eine Hans-Grade-Straße in der Nähe ehemaliger Militärflugplätze. Die Stadt Magdeburg benannte eine Straße und eine Schule nach ihm. An der Tür des historischen Magdeburger Rathauses hat eines der Bronzereliefs von Heinrich Apel, auf denen wichtige Ereignisse der Stadtgeschichte dargestellt werden, Grades Flug von 1908 zum Gegenstand. Im Norden Nürnbergs ist ihm ein Hans-Grade-Weg gewidmet.

Airbus A310 MRT MedEvac „Hans Grade“ der Luftwaffe (2003)

Die Luftwaffe hat einen Airbus A310 MRTT (10+26) nach ihm benannt. Zuvor führte eine Boeing 707 (10+02) der Flugbereitschaft seinen Namen. Der Güstrower Flugsportverein führt seinen Namen im Vereinstitel: „Aero Club von Güstrow Hans Grade e. V.“. Des Weiteren gibt es am Flugplatz Schönhagen eine Flugschule „Hans Grade“.

Anlässlich des 100. Jahrestag des ersten Motorflugs von Hans Grade fanden vom 28. September bis zum 2. November 2008 im Jahrtausendturm und im Technikmuseum Magdeburg die Hans-Grade-Festwochen statt, eine Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen, Vorträgen und Theateraufführungen, mit denen die Stadt Magdeburg den Flugpionier ehrte.[10] Hierbei wurde auch die von Henning Wagenbreth entworfene Sondermarke der Deutschen Post „100 Jahre Motorflug – Hans Grade“ präsentiert.[11][12]

Siehe auch

Literatur

  • Gustav EwaldGrade, Hans Gustav Bernhard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 702 (Digitalisat).
  • Karl-Dieter Seifert: Hans Grade. Ein Leben in stürmischen Zeiten. Magdeburg 2008, ISBN 978-3-938247-98-3.
  • Heiko Müller: Motorflugpionier und Universaltalent. In: Klassiker der Luftfahrt. Nr. 6, 2008, ISSN 1860-0654, S. 32–35.
  • G. Schmitt, W. Schwipps: Pioniere der frühen Luftfahrt. Gondrom Verlag, Bindlach 1995, ISBN 3-8112-1189-7.
  • Hans Ahnert: Ein Leben für die Fliegerei. Militärverlag der DDR, Berlin 1986, ISBN 3-327-00183-9.
  • Manfred Beckert: Grade, Hans. In: Guido Heinrich, Gunter Schandera (Hrsg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Scriptum, Magdeburg 2002, ISBN 3-933046-49-1.
  • Karl-Dieter Seifert: Hans Grade, Pionier der Fliegerei. In: Urania Universum. Band 9, 1963, S. 200–206.

Filme

In dem 1914 gedrehten Spielfilm Der Flug in die Sonne mit Tilla Durieux war Hans Grade der erste deutsche Pilot, der in einem Spielfilm flog.[13]

Im 1935 veröffentlichten NS-Propagandafilm Wunder des Fliegens führt Grade seinen Eindecker auf einem Flugtag vor.

In dem 1938 unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner gedrehten Film Ziel in den Wolken über die Anfänge der Fliegerei in Berlin-Johannisthal spielt Hans Grade sich selbst.[14]

Weblinks

Commons: Hans Grade – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Urkunde Nr. 213, Geburts-Haupt-Register, Standes-Amt Coeslin 1879. (JPG) In: Materiały zdigitalizowane/Digitalisierte Materialien. Archiwum Państwowe w Koszalinie/Staatsarchiv in Koszalin, abgerufen am 24. Februar 2018.
  2. 100 Jahre deutscher Motorflug – Hans Grade erringt den ersten Lanz-Preis der Lüfte. In: FliegerRevue. November 2009, S. 50–53.
  3. German Aeroplane – The Grade. In: Flight, 2. Januar 1909, S. 3–4 (englisch); archive.org “It is reported from Berlin that an engineer named Grade had succeeded in making flights from 100 to 400 metres in length at an altitude of about 1 metre and at speeds varying from 30 to 40 kiloms. per hour.”
  4. Herr Grade Has a Fall. In: Flight, 2. Oktober 1909, S. 612 (englisch); Textarchiv – Internet Archive „While making an attempt to win the Lanz Prize […]“
  5. Vor genau 100 Jahren hob Hans Grade zum ersten deutschen Motorflug ab. (Memento vom 20. August 2009 im Internet Archive) In: Märkische Allgemeine Online, 3. November 2008.
  6. Hans-Grade-Grundschule Borkheide mit Schulprogramm 2013 (PDF; 2,0 MB).
  7. Hans-Grade-Schule – Integrierte Sekundarschule in Berlin-Johannisthal.
  8. Hans-Grade-Museum.
  9. Gradestraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  10. Erster deutscher Motorflug. Festwochen zu Ehren von Hans Grade in Magdeburg. (Memento vom 21. August 2009 im Internet Archive). In: MDR, 3. November 2008.
  11. Pressemitteilung: Bundesfinanzministerium stellt Sonderbriefmarke „100 Jahre Motorflug – Hans Grade“ vor. (Memento vom 21. August 2009 im Internet Archive). In: Bundesministerium der Finanzen, Nr. 48 (2008), 28. Oktober 2008, ohne Abbildung.
  12. Bild: Briefmarke mit Ersttagsstempel. (Memento vom 20. Juli 2022 im Internet Archive). In: ebay.
  13. Klaus Bruske: Borkheide: Deutschlands erster Motorpilot Hans Grade starb heute vor 50 Jahren. Sein „Fliegerbier“ gibt es noch immer. (Memento vom 10. April 2016 im Internet Archive). In: Berliner Zeitung, 22. Oktober 1996.
  14. Ziel in den Wolken. In: Filmportal.de, abgerufen am 20. Juni 2022. – 100 Min., 35 mm-Film, 1:1,37, s/w, Ton, Uraufführung: 1. Dezember 1938, Berlin.

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Bundesarchiv Bild 146-1979-081-13, Berlin, Hans Grade bei seinem Geburtstagsflug.jpg
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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Der Geburtstagsflug eines 60-jährigen Flugpioniers

Der bekannte Flugpionier Hans Grade, welcher am 17. Mai 1939 seinen 60jährigen Geburtstag feiert, flog an seinem Ehrentage ein noch in seinem Besitz befindliches Original-Flugzeug aus dem Jahre 1909 also jetzt 30 Jahre alt, auf dem Berliner Flughafen Tempelhof. Wenn der Geburtstagflug auch nicht mehr wie 550 Meter betrug, so staunten doch die Flugkapitäne unserer Grossen Lufthansaflugzeuge, was so eine alte "Kiste" und so ein "Alter Knochen" noch zu leisten vermag.
Bild 1.: Der 60-jährige Flugpionier Hans Grade bei seinem Geburtstagsflug mit einer Maschine aus dem Jahre 1909 auf dem Berliner Zentralflughafen.

(Anmerkung der Schriftleitung. Die Aufnahmen wurden Sonntag den 14.5.1939 gemacht, da an einem Wochentage es der Betrieb auf dem Flughafen nicht zulässt).
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Hans Grade vor seinem Heim

60. Geburtstag von Hans Grade Am 17. Mai begeht der bekannte Flugpionier, Hans Grade, in Borkheide (Mark) seinen 60. Geburtstag. Grade ist einer der bekanntesten deutschen Sportflieger der Vorkriegszeit und beteiligt sich noch heute mit seiner alten Maschine an Flugveranstaltungen. U.B.z.: Hans Grade vor seinem Heim Fot. Mül. 12.5.39 6136-39

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  • Grade, Hans: Flugpionier, Deutschland
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Hans Grade um 1900
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Hans Grade

Zentralbild Hans Grade fliegt auf dem Marsfeld bei Berlin (1909) 17203-09

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Hans Grade in seinem Eindecker

Der alte Pionier der Fliegerei, Meister Hans Grade in seinem alten Grade-Eindecker bei seinem ersten Fluge in Bork i.d. Mark, 1909

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Grade Dreidecker