Hans Gerhard Creutzfeldt

Hans Gerhard Creutzfeldt, um 1920

Hans Gerhard Creutzfeldt (* 2. Juni 1885 in Harburg; † 30. Dezember 1964 in München) war ein deutscher Psychiater, Neurologe und Neuropathologe. Er ist einer der beiden Namensgeber für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, einer unheilbaren Gehirnerkrankung. Creutzfeldt war ein herausragender Hirnforscher und Mitbegründer einer anatomisch fundierten Psychiatrie.

Leben

Hans Gerhard Creutzfeldts Vater Otto Creutzfeldt (1857–1935) war Arzt und Sanitätsrat in Harburg. Er arbeitete als Kassenarzt der Betriebskrankenkasse der Harburger Kautschuk-Fabrik Heinrich Traun & Söhne.[1]

Hans Gerhard Creutzfeldt studierte von 1903 bis 1908 Medizin an den Universitäten von Jena, wo er 1903 Mitglied der Burschenschaft Germania wurde[2], Rostock[3] und Kiel, wo er 1909 promoviert wurde. Nach einer tropenmedizinischen Ausbildung unternahm Creutzfeldt als Schiffsarzt große Fernreisen in den Pazifischen Ozean.

1912 entschied er sich, Hirnforscher zu werden. Er arbeitete im St. Georg Krankenhaus in Hamburg, im Neurologischen Institut von Frankfurt am Main, an den psychiatrisch-neurologischen Kliniken in Breslau bei Alois Alzheimer, in Kiel bei Ernst Siemerling und in Berlin an der Charité bei Karl Bonhoeffer sowie an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München. Im Ersten Weltkrieg war Creutzfeldt als Marinestabsarzt der Reserve eingesetzt und überlebte dabei den Untergang des Hilfskreuzers Greif, auf dem er eingeschifft war. Nach der Gefangennahme am 29. Februar 1916 wurde er als Arzt im Mai dieses Jahres repatriiert und diente bis Kriegsende 1918 in der Kaiserlichen Marine.

Verheiratet war Creutzfeldt mit Clara (Cläre) Sombart, einer Tochter des Soziologen und Nationalökonomen Werner Sombart. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und drei Söhne hervor, darunter der Gastroenterologe Werner Creutzfeldt (1924–2006), Ordinarius an der Georg-August-Universität Göttingen, und der Neurologe Otto Detlev Creutzfeldt (1927–1992).

Werk

Creutzfeldt habilitierte sich 1920 in Kiel und arbeitete als Erster Assistenzarzt an der dortigen Psychiatrischen und Nervenklinik unter Ernst Siemerling. In Kiel wandte sich Creutzfeldt der Neuropathologie zu und konnte zwei entzündliche Erkrankungen des Gehirns erstmals beschreiben. 1924 wechselte er als Erster Oberassistenzarzt an die Berliner Charité unter Karl Bonhoeffer und leitete das dortige hirnanatomische Laboratorium. 1925 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt.

An einer jungen Patientin der von Alois Alzheimer geleiteten Breslauer Universitäts-Nervenklinik hatte Creutzfeldt 1913 das klinische Bild und die pathologischen Veränderungen im Gehirn bei einer bis dahin unbekannten Krankheit erforscht. Die Frau litt unter Sprachstörungen, Verwirrtheit und Muskelzuckungen, bevor sie kurz darauf starb.[4] Die Beschreibung dieser Krankheit konnte Creutzfeldt, da er im Ersten Weltkrieg eingezogen wurde, aber erst 1920 und 1921 veröffentlichen, kurz vor dem Hamburger Neurologen Alfons Maria Jakob, der ähnliche Symptome an Patienten festgestellt hatte. 1922 wurde die Bezeichnung Creutzfeldt-Jakob-Krankheit eingeführt. Noch bei zwei weiteren Krankheitsbildern gelang ihm die Aufklärung hirnorganischer Veränderungsprozesse als Korrelat psychopathologischer Zustände; er wurde einer der Wegbereiter der modernen biologischen Psychiatrie.

1938 wurde Creutzfeldt als Professor auf den Kieler Lehrstuhl für Neurologie und Psychiatrie berufen und übernahm gleichzeitig die Leitung der dortigen Universitäts-Nervenklinik, wo er bis 1953 tätig war.

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus trat Creutzfeldt nicht der NSDAP bei. Seine politische Haltung gegenüber dem Regime wird als „reserviert, aber nicht unterschiedslos ablehnend“[5] beschrieben, er galt als „deutsch-national“.[6] Er war Anwärter des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes und förderndes Mitglied der SS.

Als ärztlicher Beisitzer am Erbgesundheitsobergericht Berlin war er an Entscheidungen über Zwangssterilisierungen beteiligt. Während der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programme Aktion T4 und Aktion Brandt wurden 605 Patienten der Kieler Klinik in Landeskrankenhäuser verlegt. 135 dieser Patienten wurden anschließend in Tötungsanstalten deportiert, von diesen wurden mindestens 65, wahrscheinlich jedoch über 100 ermordet.[5] Sich selbst sah Creutzfeldt später als einen entschiedenen „Gegner der Irrenmorde“.[6] Zudem erstattete Creutzfeldt Gutachten in Militärgerichtsverfahren. Es ist ein Fall eines Marinesoldaten dokumentiert, der aufgrund der von Creutzfeldt gutachterlich attestierten Zurechnungsfähigkeit hingerichtet wurde. Ebenso wurden allerdings durch seine Gutachten Menschen vor der KZ-Haft bewahrt.[6]

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende war Creutzfeldt für sechs Monate erster Nachkriegsrektor der Universität Kiel. Seine Bemühungen, die Universität wieder aufzubauen, verursachen einige Konflikte mit der britischen Besatzungsmacht, die ihm vorwarf, zu viele tatsächlich oder potentiell als Kriegsverbrecher belastete Dozenten eingestellt zu haben. Er wurde von der britischen Militärregierung einiger Ämter enthoben, als er sich einer Anordnung zur Begrenzung bei den Neuimmatrikulationen von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren widersetzte. Creutzfeldt ging 1953 nach seiner Emeritierung nach München und arbeitete dort an einem Forschungsauftrag der Max-Planck-Gesellschaft. Im Dezember 1954 machte er den Präsidenten des Landessozialgerichts in Schleswig, Ernst Siegfried Buresch, schriftlich darauf aufmerksam, dass es sich bei dem am Gericht als Gutachter beschäftigten Arzt „Fritz Sawade“ tatsächlich um Werner Heyde handele.[7] Heyde war von 1939 bis 1941 medizinischer Leiter der Aktion T4 und wurde wegen seiner Beteiligung an der Ermordung von Behinderten und psychisch Kranken polizeilich gesucht. Der Gerichtspräsident reichte Creutzfeldt das Schreiben zurück, ohne gegen Heyde vorzugehen. Auch Creutzfeldt unterließ es, seine Kenntnisse den Fahndungsbehörden mitzuteilen. Heyde konnte noch bis November 1959 als Gutachter praktizieren.

Literatur

  • Jörn Henning Wolf: Art. Creutzfeldt, Hans Gerhard. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 277 f.
  • Karl-Werner Ratschko: Drei Kieler Medizinprofessoren im „Dritten Reich“, Ernst Holzlöhner, Hans Gerhard Creutzfeldt und Enno Freerksen. In: Christoph Cornelißen, Carsten Mish (Hrsg.): Wissenschaft an der Grenze, Die Universität Kiel im Nationalsozialismus. Klartext, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0240-4, S. 135–150.
  • Karl-Werner Ratschko: Nicht alle waren Nazis. Der Weg des Kieler Universitätspsychiaters Hans Gerhard Creutzfeldt im Nationalsozialismus. In: Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, Jg. 68 (2015), Heft 7, S. 28–31.
  • Michael Illert: Hans Gerhard Creutzfeldt – Nervenarzt, Wissenschaftler, erster Nachkriegsrektor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ein Beitrag zu seiner Tätigkeit in den Jahren 1933 bis 1946. Ludwig, Kiel 2020, ISBN 978-3-86935-374-6.

Einzelnachweise

  1. Otto Creutzfeld Kurzbiografie im Newsletter des DRK Landesverbandes Hamburg, 2. Ausgabe, Mai 2014, S. 5.
  2. Ernst Elsheimer (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28. Frankfurt am Main 1928, S. 75.
  3. Siehe dazu den Eintrag der Immatrikulation von Hans-Gerhard Creutzfeldt im Rostocker Matrikelportal
  4. Sabine Schuchert: Creutzfeldt und Jakob waren beide einem Rätsel auf der Spur (= Berühmte Entdecker von Krankheiten.) In: Deutsches Ärzteblatt. Band 116, Heft 49, 6. Dezember 2019, [S. 60] (Schlusspunkt), Link.
  5. a b Jörn Henning Wolf: Große Forscher von der Förde: Hans Gerhard Creutzfeldt. (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) Undatiert, abgerufen am 12. November 2018.
  6. a b c Michael Legband: Gefangen im System (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive). In: Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9 / 2001, S. 15–16.
  7. Klaus-Detlef Godau-Schüttke: Die Heyde/Sawade-Affäre. Wie Juristen und Mediziner den NS-Euthanasieprofessor Heyde nach 1945 deckten und straflos blieben. 2. Auflage. Nomos, Baden-Baden, 2001. ISBN 3-7890-7269-9. Seite 132–149.

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