Hanebüchen
Als hanebüchen (auch hagebüchen, von mittelhochdeutsch: hagenbüechin)[1] bezeichnet man im heutigen Deutsch Ideen oder Handlungen, um sie als abwegig, haarsträubend oder empörend zu bewerten. Der Ausdruck hat damit seit seinen Ursprüngen einen größeren Bedeutungswandel durchgemacht; er leitet sich ursprünglich von dem Baum Hainbuche bzw. Hagebuche ab.
Herkunft
Ursprünglich bedeutet der Ausdruck „aus dem Holz der Hagebuche“. Das knorrige, besonders harte und schwer zu bearbeitende Holz der Hagebuche,[2] heute meist Hainbuche genannt, bildete die Grundlage für Redewendungen wie „hagebüchener Kerl“; aus dem Berlin des 19. Jahrhunderts sind auch „hambüchen“ und sonst vereinzelt „hânebüchen“ belegt.[3] Die übertragene Bedeutung des Begriffs blieb dabei zunächst bei „handfest, derb, knorrig, grob“, dann auch „steif, schwer zu bewegen“.[4] Im oberhessischen Hinterland um Michelbach, Dilschhausen und Weitershausen kannte man bis 1840 „hagebüchene Gulden“, die von geringerem Wert als normale Gulden waren.[5]
Bedeutungswandel
Während des 18. Jahrhunderts erfuhr der Begriff einen Bedeutungswandel hin zur noch heute gebräuchlichen Bedeutung „abwegig, absurd“. In gängigen Redewendungen ist von „hanebüchenen Lügen“[6] oder „hanebüchenen Fehlern“[7] die Rede, womit ausgedrückt werden soll, dass die betreffende Person eine grobe oder unerhörte ,Verfehlung‘ begangen hat.[8]
In seinen Davidsbündlertänzen, op. 6 (1837), hatte Robert Schumann den dritten Tanz ursprünglich mit „etwas hahnbüchen“ überschrieben. In der zweiten Edition wurde diese Bezeichnung durch „Mit Humor“ ersetzt.[9][10]
Heutige Verwendung
Im Gegenwartsdeutsch tritt das Wort auch in der Bedeutung von „unverständliche Entscheidung“ oder „an den Haaren herbeigezogen“ auf, zum Beispiel als „hanebüchener Unsinn“.[11][12]
Der erweiterte Bedeutungsumfang lässt sich gut an den möglichen Übersetzungsoptionen ablesen, die mittlerweile für hanebüchen angeboten werden. Englische Übersetzung schließen beispielsweise – je nach Kontext – die Bedeutungen unglaublich, empörend, haarsträubend, grotesk, abwegig, absurd und skandalös mit ein.[13]
Für die Verwendung im Französischen wird dagegen lediglich unglaublich (inouï) angeboten[14] und im Italienischen unerhört (inaudito).[15]
Da der Bedeutungsursprung heute den meisten Menschen nicht mehr bekannt ist, wird oft der Fehlschluss gezogen, das Wort hätte etwas mit dem „Hahn“ zu tun, daher ist die falsche Schreibweise mit „h“ (hahnebüchen) ein beliebter Fehler.[16]
Die bairische Variante
Im bairischen Sprachraum leiten sich die Begriffe hagelbuchern, hagelbuachern oder hoglbuachan gleichfalls von der Hagebuche ab. Etwas abweichend von der Bedeutung von hanebüchen bezeichnet dies einmal einen direkten, knorrigen, oftmals groben Menschen oder eine derbe, schlichte, aber unverwüstliche und grundsolide Sache, beispielsweise bezogen auf Kleidung, Werkzeug oder Haushaltsgegenstände.[17] Eine bayerische Band, die – nach eigenen Worten – bayerische Folklore ohne Kitsch und Strom darbietet, nennt sich De Hoglbuachan.[18]
Literatur
- Gerhard Wahrig: Deutsches Wörterbuch. Hrsg. von Renate Wahrig-Burfeind. Bertelsmann-Lexikon-Verlag, München 2000, S. 600, ISBN 978-3-577-10241-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Franz Pfeiffer: Deutsche Classiker des Mittelalters. Mit Wort- und Sacherklärungen. 4. Band, 1. Theil, Hartmann von Aue. Êrec der Wunderbære. Hrsg. von Fedor Bech, Brockhaus, Leipzig 1867, S. 244.
- ↑ Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn: erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. C.H. Beck, München 2001, S. 135.
- ↑ Franz Sandvoss: So spricht das Volk: volksthümliche Redensarten und Sprichwörter. 2. Auflage. E. Schotte & Co., Berlin 1861, S. 23, Textarchiv – Internet Archive.
- ↑ hagebüchen. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 10: H, I, J – (IV, 2. Abteilung). S. Hirzel, Leipzig 1877 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ August Friedrich Christian Vilmar: Idiotikon von Kurhessen. Elwert’sche Universitätsbuchhandlung, Marburg/Leipzig 1868, S. 143, Textarchiv – Internet Archive.
- ↑ Christa Pöppelmann: Ich glaub’ mein Schwein pfeift! Die bekanntesten Redensarten und was dahinter steckt. Compact Verlag, München 2009, S. 42.
- ↑ Jens Petersen: Die Sprachpanscher. Polemiken, Glossen, Texte. tredition, Hamburg 2008, S. 14.
- ↑ Boris D Paraškevov: Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur: Lexikon etymologischer Dubletten im Deutschen. Walter de Gruyter, Berlin [u. a.] 2004, S. 131 f.
- ↑ Janina Klassen: Clara Schumann: Musik und Öffentlichkeit. Böhlau, Köln 2008, S. 199.
- ↑ Arnfried Edler: Robert Schumann. C.H. Beck, München 2009, S. 38 f.
- ↑ Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit: die verrücktesten Wörter im Deutschen. C.H. Beck, München 2008, S. 112.
- ↑ Als Beispiel für den Sprachgebrauch selbst in der Wissenschaftstheorie: Lutz Danneberg: Epistemische Situationen, kognitive Asyemmtrien und kontrafaktische Imaginationen. In: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit: Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, S. 206 (Anm. 30).
Wahrig – ein Wort, eine Schreibung: die Wahrig-Hausorthografie von A–Z. Wissen-Media-Verlag, Gütersloh 2006, S. 226. - ↑ Deutsch-Englisch-Übersetzung für: hanebüchen dict.cc, abgerufen am 27. Mai 2021.
- ↑ Deutsch-Französisch-Übersetzung für: hanebüchen dict.cc, abgerufen am 27. Mai 2021.
- ↑ Deutsch-Italienisch-Übersetzung für: hanebüchen dict.cc, abgerufen am 27. Mai 2021.
- ↑ Beliebte Fehler; hahnebüchen / hanebüchen korrekturen.de Portal für Rechtschreibung, abgerufen am 27. Mai 2021.
- ↑ Bairisches Wörterbuch
- ↑ Homepage von De Hoglbuachan