Hagioskop

Ein Hagioskop (von gr. hágios „heilig“ und skopein „sehen, betrachten“),[1] Lepraspalte und – regional – Pönitenzfenster[2][3] (Pönitenz von lat. poenitentia „[kirchliche] Buße, Bußübung“) genannt, ist ein Mauerdurchbruch in einem mittelalterlichen Kirchengebäude, der von außen den Blick ins Innere der Kirche auf den Altar erlaubt.

Beschreibung und Geschichte

Teilweise werden Hagioskope auch als Pestfenster bezeichnet. Die an der Pest Erkrankten hätten diese Guckfenster jedoch gar nicht nutzen können, da sie meist innerhalb weniger Tage starben. Als Pestfenster werden in der Schweiz teilweise auch Innenfenster von Bauernhäusern zwischen der Stube und Nebenräumen bezeichnet, die der Versorgung von Pestkranken gedient haben sollen. Tatsächlich handelt es sich aber wohl um ehemalige, später verschlossene Wandschränke.[4]

Diese Mauerdurchbrüche waren rund, rechteckig oder auch kreuzförmig. Es gibt auch Hagioskope, die mit Mauerdurchbrüchen innerhalb der Kirche, etwa von Seitenschiffen aus, den Blick auf den Altar ermöglichen; ein Beispiel dafür ist die Kirche St. Georg in Bergham in Marktl in Oberbayern.

Im Mittelalter wurden manche Kirchen mit einer solchen Öffnung versehen, damit Menschen, die sich freiwillig oder notwendigerweise aus der Gemeinschaft mit anderen Menschen zurückgezogen hatten, das Geschehen am Altar betrachten und die Kommunion empfangen konnten. Freiwillig zurückgezogen lebten sogenannte Klausner oder Inklusen, die zum Zweck intensiverer religiöser Andacht und Meditation möglichst abgeschieden in kleinen Zellen lebten, die entweder von außen an die Kirche angebaut oder in dickere Wände hineingebaut waren.

Im 12. Jahrhundert kam es auch im Zuge großer Epidemien zur Notwendigkeit, größere Zahlen von Aussätzigen geistlich zu versorgen, die getrennt von der Gemeinde leben mussten. Diesen Kranken hatte das Dritte Laterankonzil 1179 zwar die Bildung eigener Gemeinschaften mit eigenen Priestern, eigenen Kirchen und eigenen Friedhöfen erlaubt, das war auf dem Land aber nicht immer möglich. Hagioskope finden sich daher meist in Gebieten, die im Mittelalter dünn besiedelt waren, kaum in Kirchen größerer mittelalterlicher Städte, wo Leprakranke oft in Leprosorien (Leprahäusern) untergebracht waren, die über eigene Kapellen verfügten.

Nach Ende der großen Lepra-Epidemien Ende des 16. Jahrhunderts wurden Hagioskope zum Teil verfüllt oder zugemauert und erst im 19. und 20. Jahrhundert bei Restaurierungsarbeiten wiederentdeckt und wiederhergestellt. Verbreitet waren Hagioskope neben Deutschland auch in Dänemark, in Finnland, in Frankreich, in Italien, in den Niederlanden, in Schweden sowie im Vereinigten Königreich.

Die einschlägige Forschungsliteratur diskutiert für das Deutschordensland nur Hagioskope, die für asketische Inklusen angelegt worden waren,[5] nicht die Nutzung durch Aussätzige.

Beispiele

Dänemark

Deutschland

Baden-Württemberg

Bayern

Hessen

  • Martinskirche (Södel)

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Finnland

Frankreich

Italien

  • Dreifaltigkeitskirche (Chiesa della Santissima Trinità, auch Sveta Trojica genannt) im Dorf Monteaperta, Gemeinde Taipana in der Region Friaul-Julisch Venetien.

Niederlande

Schweden

Vereinigtes Königreich

Siehe auch

  • Seelenfenster, kleine Fensteröffnungen in den Giebeln historischer Gebäude, die dem Austritt der Seele nach dem Tod gedient haben sollen

Literatur

  • Armin Tuulse: Bönekamrar och hagioskop, in: E. Forsman u. a. (Hrsg.), Konsthistoriska studier, tillägnade Sten Karling, Stockholm 1966
  • Gerhard Elmer: Mauerdurchbrechender Blick und Hagioskop in der Backsteinarchitektur des Deutschordenslandes. In: Die sakrale Backsteinarchitektur des südlichen Ostseeraumes – der theologische Aspekt. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-7861-1569-9, S. 233–243.
  • Kai Peter Jankrift: Hagioskope – Unbeachtete Zeugnisse der Leprageschichte. In: Die Klapper – Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V. Münster, 7. Jahrgang / 1999, S. 1 ff., abgerufen am 30. Januar 2015.
  • Michael Böhnke: Theologische Gründe für und wider die Funktionalität der christlichen Religion. In: Norbert Jömann, Christiane Junker, Chadi Touma (Hg.): Religion – wieso, weshalb, warum? Zur Funktion von Religion aus soziologischer, biologischer, philosophischer und theologischer Sicht. Reihe: Edition KSHG, Bd. 3, LIT Verlag, Münster 2004, ISBN 3-8258-6947-4, S. 91–112, hier S. 95–97.
  • Ivo Just: Das Hagioskop der Johanniterkapelle in Bokelesch. In: Die Klapper – Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V., Münster, 13. Jahrgang / 2005, S. 11 f., abgerufen am 30. Januar 2015.
  • Ingeborg Nöldeke: Hagioskope mittelalterlicher Dorfkirchen auf der ostfriesischen Halbinsel – Eine unerwartete Entdeckung. In: Die Klapper – Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V., Münster, 18. Jahrgang / 2010, S. 10 f., abgerufen am 30. Januar 2015.
  • Ingeborg Nöldeke: Verborgene Schätze in ostfriesischen Dorfkirchen – Hagioskope, Lettner und Sarkophagdeckel – Unbeachtete Details aus dem Mittelalter. Isensee Verlag, Oldenburg 2014, ISBN 978-3-7308-1048-4; Inhaltsverzeichnis, abgerufen am 31. Januar 2015.
  • Alfred Rauhaus: Kleine Kirchenkunde – Reformierte Kirchen von innen und außen. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-63374-8, S. 91 ff.
  • Ingomar Reiff: Ostfrieslandfahrt zu Hagioskopen mittelalterlicher Dorfkirchen. In: Die Klapper – Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V., Münster, 18. Jahrgang / 2010, S. 12 f., abgerufen am 30. Januar 2015.
Commons: Hagioskop – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Aus der Arbeit der Denkmalpflege 2007 (PDF-Datei). In: schleswig-hostein.de
  2. a b Baugeschichtliches zurSt.-Marien-Kirche Boren (Memento vom 30. April 2015 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 19. November 2018.
  3. a b St.-Andreas-Kirche inBrodersby (Memento vom 8. April 2015 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 19. November 2018.
  4. Benno Furrer: Von Bannzapfen, Kruzifix und Pestfenster - Deutungen merkwürdiger Phänomene in volkstümlicher Überlieferung und Forschung. In: kathbern.ch
  5. Elmer, siehe Literatur.
  6. Kirche von Tørring (dänisch), abgerufen am 5. März 2015.
  7. Reinhold Kießling: Siechenhauskapelle Waiblingen – 540 Jahre alt. In: Die Klapper – Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e. V. Münster, 21. Jahrgang / 2013, S. 10 f., abgerufen am 2. März 2015.
  8. Eugen Schüle: Kapelle und Siechenhaus Waiblingen, abgerufen am 2. März 2015.
  9. Sanierung des Klösterle, abgerufen am 4. März 2015.
  10. Die Außenwandmalerei derJohanniterkirche Mirow (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), abgerufen am 2. Februar 2015.
  11. Wolfgang Runge: Kirchen im Oldenburger Land, Band I (Kirchenkreise Butjadingen, Brake, Elsfleth. Mit Anmerkungen zu Ludwig Münstermann), Heinz Holzberg Verlag, Oldenburg 1983, ISBN 3-87358-167-1, S. 25 ff.
  12. Dr. Jörgen Welp: Kirchen in der oldenburgischen Wesermarsch, abgerufen am 2. Februar 2015.
  13. Zugemauerte Nische (Hagioskop) entdeckt, abgerufen am 16. Februar 2015.
  14. Spaziergang durch Kirchwahlingen, abgerufen am 6. Dezember 2015.
  15. Hagioskop – Lepraspalte in der Kirche Midlum im Rheiderland, abgerufen am 11. Februar 2015.
  16. Die Rasteder St.-Ulrichs-Kirche, abgerufen am 11. Februar 2015.
  17. Lepraspalten in der Kirchenwand – Das Hagioskop von Roggenstede, abgerufen am 1. Februar 2015.
  18. Lepraspalte an der Sandeler Kirche, abgerufen am 11. Februar 2015.
  19. Zugemauertes Hagioskop in der Kirche Strackholt, abgerufen am 11. Februar 2015.
  20. Hagioskop der Suurhuser Kirche, abgerufen am 1. Februar 2015.
  21. KircheSt. Ulricus in Börninghausen (Memento vom 26. Dezember 2015 im Internet Archive), abgerufen am 1. Februar 2015.
  22. Karen Künstler-Brandstädter: Die Baugeschichte der Liebfrauenkirche in Andernach, [Masch.] Diss. phil. Bonn 1994, S. 90.
  23. Das Kirchenschiff wurde 1886 durch Brandstiftung zerstört, erhalten ist der Chorraum, die Eligiuskapelle, abgerufen am 15. Februar 2015.
  24. Eintrag zu Siechenhaus in der Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier, abgerufen am 26. Januar 2016.
  25. Manfred Böckling: Dunkle Geschichten aus Koblenz - Schön & schaurig, Gudensberg-Gleichen 2018, S. 47–49.
  26. Jiri Fajt (Hg.), Wilfried Franzen (Hg.), Peter Knüvener (Hg.): Die Altmark von 1300 bis 1600 – Eine Kulturregion im Spannungsfeld von Magdeburg, Lübeck und Berlin. Lukas Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86732-106-8, S. 309.
  27. Hagioskop derKirche Nôtre Dame in Dives-sur-Mer (Memento vom 3. Februar 2015 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 19. November 2018.
  28. Hagioskop derBasilika Notre-Dame-du-Roncier in Josselin (Memento vom 16. September 2013 im Internet Archive), abgerufen am 19. November 2018.
  29. Baugeschichte derAlte Kirche Oosterbeek (Memento vom 18. September 2012 im Internet Archive) (niederländisch), abgerufen am 27. Dezember 2015.
  30. Das kreuzförmige Hagioskop der Kirche von Bro, abgerufen am 1. Februar 2015.
  31. Kurze Beschreibung der Kirche von Granhult (schwedisch), abgerufen am 2. Februar 2015.
  32. Das Hagioskop der Kirche von Husaby, abgerufen am 4. März 2015.
  33. Priorat: von einer Abtei abhängiges, kleines Kloster.

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Lepers' Window - Ffenestr y Gwahanglwyfusion, Eglwys Beuno Sant St Beuno (d.642?)was a reputed healer as well as an establisher of churches. In the Middle Ages, lepers came to the church at Pistyll looking for a cure. These were housed in a hospice set up at Cae Hosbis Pennla, the main body of pilgrims enroute to Bardsey being accommodated on a separate site on the Cefnedd hill behind the church. During Mass, the lepers stood outside the north-western end of the church and at communion time received the Host through this small window.
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