Hadrut (Provinz)
Hadrut (armenisch Հադրութ, auch Hadrout) ist eine Provinz der international nicht anerkannten Republik Arzach, die durch den Krieg um Bergkarabach 2020 von den Truppen Aserbaidschans eingenommen wurde und so faktisch nicht mehr besteht. Hauptstadt war die ebenfalls 2020 von Aserbaidschan eroberte Stadt Hadrut. Sie verwaltete neben ihrem ursprünglichen Kerngebiet auch die besetzten Bezirke Füzuli (teilweise) und Cəbrayıl.
Geografie
Die Provinz hat laut der Republik Arzach nominell eine Fläche von 1876,8 Quadratkilometern.[1] Sie erstreckt sich vom südlichen Karabachgebirge in die Ebenen des Aras-Tals. Der Aras, Grenzfluss zum Iran im Süden, ist zugleich größter Fluss der Provinz. Im Westen grenzt die Provinz Kaschatagh beziehungsweise die aserbaidschanischen Bezirke Laçın, Qubadlı und Zəngilan an. Im Norden die Provinz Schuschi oder der entsprechende Bezirk Aserbaidschans, die Provinz Askeran, aserbaidschanisch Bezirk Xocalı, und die Provinz Martuni, die für Aserbaidschan wie das Kerngebiet Hadruts zum Bezirk Xocavənd gehört. Im Osten bildete die lange Zeit bestehende Waffenstillstandslinie die Grenze zu Aserbaidschan mit den unbesetzten Teilen des Bezirks Füzuli.
Neben dem Aras fließen in der Provinz die im Karabachgebirge entspringenden Flüsse Ischkan, Koslutschaj, Tschachmach und Singyanakap, die alle in den Aras münden. In der Provinz liegen die Asych-Höhlen, in denen sich steinzeitliche Malereien finden.
Geschichte
Das Gebiet im Süden der Region Bergkarabach war im Laufe seiner Geschichte Teil vieler armenischer Herrschaftsgebiete und stand seit dem 7. Jahrhundert häufig unter der Vorherrschaft islamischer Staaten. Schließlich war es Teil des Meliktums Disak, das im 18. Jahrhundert in das Khanat Karabach eingegliedert wurde.[2] Das Khanat wurde im 19. Jahrhundert Teil des Russischen Reiches und in diesem aufgelöst. Nach der Oktoberrevolution und der Unabhängigkeitserklärung der Staaten südlich des Kaukasus war die Region zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan umstritten und umkämpft. Nach Eingliederung beider Staaten in die Sowjetunion fiel das Gebiet an die Aserbaidschanische SSR, in dem die bergigen nördlichen Teile mit armenischer Bevölkerung zum Autonomen Oblast Bergkarabach kamen, die südlichen mit aserbaidschanischer Bevölkerung ohne Autonomie verwaltet wurden.[3]
Nachdem sich in den 1980er Jahren der Bergkarabachkonflikt zwischen den Armeniern und Aserbaidschanern sowie der Aserbaidschanischen SSR verschärft hatten, erklärte Bergkarabach während des Zusammenbruchs der Sowjetunion 1991 die Unabhängigkeit und es kam zu einem offenen Krieg, in dem Armenien Bergkarabach unterstützte. Die Republik Bergkarabach beziehungsweise die armenische Armee konnten sich behaupten und die Gebiete zwischen dem Karabachgebirge und dem Aras besetzen. Die aserbaidschanische Bevölkerung floh. Die Provinz ging aus dem Rayon Hadrut der Autonomen Oblast hervor. 1991 wurde dieser im Zuge der offiziellen Auflösung der Autonomie vom aserbaidschanischen Parlament mit dem Rayon Martuni zum Bezirk Xocavənd zusammengelegt, was durch den Krieg jedoch nicht umgesetzt wurde. Nach der Besetzung der südlich gelegenen Teile Aserbaidschans verwaltet die Provinz auch Teile des aserbaidschanischen Bezirks Füzuli und den gesamten Bezirk Cəbrayıl.
Im Laufe des Oktobers und Anfang November 2020 wurde die Provinz im Krieg um Bergkarabach zum größten Teil von aserbaidschanischen Truppen erobert. Wie viele Personen in den Orten zurückblieben, ist nicht bekannt. Nach Angaben des arzachischen Gouverneurs der Provinz Hadrut, Kamo Petrosyan, vom 22. November 2020 wurden durch die Besetzung insgesamt 13.500 Personen aus der Stadt Hadrut und 45 Dörfern der Provinz obdachlos.[4] Flüchtlinge aus Hadrut machten sich bereits kurz nach dem Waffenstillstand durch Kundgebungen vor den Botschaften Russland, Frankreichs und der USA bemerkbar, für die sie Briefe mit der Forderung nach „De-Okkupation“ Hadruts mitbrachten. Der französische Botschafter Jonathan Lacote empfing sie persönlich.[5] Am 16. November 2020 wurden Hadruter Flüchtlinge vom armenischen Staatspräsidenten Armen Sarkissjan empfangen.[6] Nach Angaben des Gouverneurs Kamo Petrosyan wurden die isolierten Ortschaften Chzaberd (Çaylaqqala) und Hin Tagher (Köhnə Tağlar) ganz im Westen der Provinz bis zum Waffenstillstand in der Nacht vom 9. zum 10. November 2020 von karabach-armenischen Einheiten gehalten und bleiben somit laut Waffenstillstandsabkommen außerhalb aserbaidschanischer Kontrolle, und damit auch das Kloster Katarowank bei Hin Tagher.[7][4] Nach aserbaidschanischen Angriffen am 11. und 12. Dezember räumten armenische Milizen und russischen Friedenstruppen die Ortschaften, sodass sie in Folge auch unter aserbaidschanische Kontrolle kamen und seine Zivilbevölkerung ebenfalls flüchtete.[8][9]
Ortschaften und Einwohner
Die Provinz hatte laut dem Zensus von Bergkarabach von 2005 12 005 Einwohner bei 6,4 Einwohnern pro Quadratkilometer.[10] Für 2015 wurden 13.600 Einwohner angegeben, davon 4.100 in Städten und 9.500 in ländlichen Gemeinden.[11] In der Provinz lagen eine Stadt (Hadrut), acht größere Orte und 20 Gemeinden (2005)[10] beziehungsweise 2015 eine Stadt und 29 Gemeinden.[11]
Armenischer Name (zugeh. Ortsteile) | in armenischer Schrift | Aserbaidschanischer Name | Einwohner nach Zensus 2005[10] | Koordinate |
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Hadrut (Tjak, Wank) | Հադրութ | 2 974 | Lage | |
Ajgestan (Melikaschen) | Այգեստան | Qoçbəyli | 308 | Lage |
Asoch | Ազոխ | Azıx | 806 | Lage |
Aknaghbjur | Ակնաղբյուր | Ağbulaq | 330 | Lage |
Arakel (Dsoragjugh, Dschraberd, Saralandsch) | Առաքել | Arakül | 173 | Lage |
Arewschat | Արևշատ | Dolanlar | 180 | Lage |
Banadsor (Zor) | Բանաձոր | Binədərəsi | 167 | Lage |
Drachtik | Դրախտիկ | Zoğalbulaq | 417 | Lage |
Taghaser | Թաղասեռ | Tağaser | 491 | Lage |
Taghut | Թաղուտ | Ataqut | 198 | Lage |
Chandschadschor (Hajkawan) | Խանձաձոր | Ağcakənd | 205 | Lage |
Chzaberd (Spitakaschen) | Խծաբերդ | Çaylaqqala | 165 | Lage |
Zakuri | Ծակուռի | Hünərli | 100 | Lage |
Zamdschor (Sarinschen) | Ծամձոր | Dərəkənd | 81 | Lage |
Hachlu/Hartaschen | Հախլլու | Axullu | 101 | Lage |
Hakaku | Հակակու | Ağdam | 145 | Lage |
Hin Tagher | Հին Թաղեր | Köhnə Tağlar | 168 | Lage |
Mariamadsor | Մարիամաձոր | Məmməddərə | 258 | Lage |
Mez Tagher | Մեծ Թաղեր | Böyük Tağlar | 1 503 | Lage |
Mochrenes | Մոխրենես | Susanlıq | 212 | Lage |
Noraschen | Նորաշեն | Günəşli | 112 | Lage |
Pletanz (Zachkawank) | Պլեթանց | Bulutan | 74 | Lage |
Dschrakus (Hogher) | Ջրակուս | Çiraquz | 237 | Lage |
Wardaschat | Վարդաշատ | Edişa | 166 | Lage |
Togh | Տող | Tuğ | 700 | Lage |
Tumi | Տումի | Binə | 760 | Lage |
Uchtadsor | Ուխտաձոր | Edilli | 327 | Lage |
Kjuratagh | Քյուրաթաղ | Düdükçü | 274 | Lage |
Karmrakutsch | Կարմրակուճ | Qırmızıqaya | 125 | Lage |
Sonstige | 148 | |||
Aradschamugh | Առաջամուղ | nicht geführt | Lage | |
Arpagetik | Արփագետիկ | Arpagədik | nicht geführt | Lage |
Idschewanatun | Իջեւանատուն | Qarğabazar | nicht geführt | Lage |
Dschrakan/Mechakawan | Ջրական | Cəbrayıl | nicht geführt | Lage |
Karagluch | Քարագլուխ | Daşbaşı | nicht geführt | Lage |
Petrosaschen | Պետրոսաշեն | nicht geführt | Lage | |
Waranda | Վարանդա | Füzuli | nicht geführt | Lage |
Einzelnachweise
- ↑ Nagorno Karabakh in Figures, Statistical Booklet. NATIONAL STATISTICAL SERVICE OF THE NAGORNO KARABAKH REPUBLIC, 2015. S. 12.
- ↑ Robert H. Hewsen: Armenia: A Historical Atlas. University of Chicago Press, Chicago 2001, ISBN 0-226-33228-4, S. 163.
- ↑ Daniel Müller: Die Armenier in den Kreisen Dzebrail, Susa und Dzecansir des Gouvernements Elisavetpol nach den amtlichen Familienlisten von 1886. In: Fikret Adanır, Bernd Bonwetsch (Hrsg.): Osmanismus, Nationalismus und der Kaukasus: Muslime und Christen, Türken und Armenier im 19. und 20. Jahrhundert. Reichert, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89500-465-0, S. 72 f., 82.
- ↑ a b Artsakh’s Hadrut regional administration head: It became possible to keep Khtsaberd, Hin Tagher villages. News.am, 23. November 2020.
- ↑ Siranush Ghazanchyan: Residents of Hadrut hand over letters to Embassies of Russia, France and US. Public Radio of Armenia, 12. November 2020.
- ↑ Armenia President Voices Solidarity with Hadrut Residents; Says He Feels Slighted His Diplomatic Experience Was Overlooked. Hetq.am, 16. November 2020.
- ↑ Anzhelika Zakaryan, Civilnet: Civilnet Anzhelika Zakaryan says that Armenians hold two more locations in Azerb. rear: Katarovank monastery and Köhnə Tağlar village. Caucasus.liveuamap.com, 27. November 2020.
- ↑ Armenian reservists disappear in Gadrut District. In: Kawkasski Usel. 15. Dezember 2020, abgerufen am 10. Juli 2021 (englisch).
- ↑ BBC News Azərbaycanca (Hrsg.): Hadrutun iki kəndi yenidən Azərbaycanın nəzarətindədir. 13. Dezember 2020 (bbc.com [abgerufen am 10. Juli 2021]).
- ↑ a b c Results of 2005 census of the Nagorno-Karabakh Republic (PDF, englisch, abgerufen am 23. April 2008; 131 kB)
- ↑ a b Nagorno Karabakh in Figures, Statistical Booklet. NATIONAL STATISTICAL SERVICE OF THE NAGORNO KARABAKH REPUBLIC, 2015. S. 12.
Weblinks
- Now the time has come for building Artikel von Victoria Abrahamyan über den Aufbau in der Provinz von 2006 (im Internet Archive)
Koordinaten: 39° 30′ N, 47° 0′ O
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Lage der Porvinz XY (siehe Dateiname) in der Republik Bergkarabach.
Nagorno-Karabakh Autonomous Oblast map.