Gudrun Zapf-von Hesse

Gudrun Zapf-von Hesse (* 2. Januar 1918 in Schwerin; † 13. Dezember 2019 in Darmstadt[1]) war eine international bekannte deutsche Typografin und Buchbinderin. Von 1951 bis zu seinem Tod im Jahre 2015 war sie mit Hermann Zapf verheiratet.

Leben und Leistungen

Gudrun Zapf-von Hesse (GZVH)[2] absolvierte eine Buchbinderlehre, ihre Gesellenjahre 1937 bis 1940 in Weimar bei Otto Dorfner und ihre Meisterprüfung 1940. Anschließend arbeitete sie in einer Berliner Handbücherei. Während ihrer Lehrzeit brachte sie sich autodidaktisch das Schriftschreiben nach Büchern von Edward Johnston und Rudolf Koch bei.[3] 1941 nahm sie Schriftunterricht bei Johannes Boehland an der Meisterschule für grafisches Gewerbe in Berlin.

1946 ging sie nach Frankfurt am Main zur Bauerschen Gießerei, wo sie von Georg Hartmann eingestellt wurde. Dort war sie war in der hausinternen Buchbinderin tätig, erhielt aber auch die Erlaubnis, für andere Kunden zu arbeiten. Bei Bauer lernte sie auch Heinrich Jost kennen, der dort als Art Director tätig war, sowie den Schriftgestalter Konrad F. Bauer. Bei Bauer lernte sie auch viel über den Prozess der Schriftgestaltung im Bleisatz und wurde dort wegen ihrer Fähigkeiten sehr geschätzt.[2] 1946 bis 1954 unterrichtete sie an der Städelschule das Fach Schrift. Gleichzeitig (1946–1955) betrieb sie eine eigene Buchbinderwerkstatt in Frankfurt.

Zapf von Hesse entwarf für Stempel, Berthold und URW zahlreiche Schriften, aber auch für Auftraggeber aus den USA wie Hallmark Cards in Kansas City oder Bitstream in Cambridge. Ihre erste Schrift, die von Hand in Messing geschnittene Hesse Antiqua, wurde nicht publiziert; erst durch die Veröffentlichung der Diotima für Stempel wurde sie in ihrem Fach bekannt.

1951 heiratete sie den Typografen Hermann Zapf, den sie bereits 1948 bei einer Ausstellung kennen gelernt hatte, und gab vorübergehend ihre Karriere auf.[2] Zwischen 1951 und 1954 wurden die Diotima, Diotima Italic, Ariadne (Initialen) und die Smaragd als Bleisatzschriften veröffentlicht. Ihre erfolgreichste Schrift Diotima wurde u. a. vom Autohersteller Opel und wird bis heute vom Schreibgerätehersteller Faber-Castell verwendet.[4] Weiterhin entwarf sie Einbände für die Bonner Buchgemeinde. Später gestaltete sie weitere Schriften, so die Shakespeare Roman und Italic (für Hallmark Cards Inc. in Kansas City) und Carmina (1986, für Bitstream Inc. Cambridge / Mass.), Nofret und Christiana (für Berthold AG in Berlin) und Columbine Script (für URW in Hamburg).[2] Von Apple erhielt sie zusammen mit ihrem Mann 1984 einen der ersten Macintosh-PCs kostenlos gestellt.

Gudrun Zapf-von Hesse wurde in den USA bekannter als in Deutschland und dort 1991 mit dem Frederic W. Goudy Award ausgezeichnet, der dem deutschen Gutenberg-Preis vergleichbar ist und als die höchste amerikanische Auszeichnung auf dem Gebiet der Schrift- und Buchkunst gilt. Sie war weltweit die zweite Frau, der diese Ehre zuteilwurde.[2] 2001 wurde ihr und ihrem Mann zu Ehren das Zapfest in San Francisco ausgerichtet und der 2. September von San Franciscos Bürgermeister Willie Brown zum Hermann and Gudrun Zapf Day ausgerufen.[5][6]

Seit 1993 war sie Mitglied der Schreibwerkstatt Klingspor Offenbach (seit April 2013 Ehrenmitglied). Von 1952 bis 2004 wurden ihre Entwürfe im In- und Ausland ausgestellt. Die bisher letzte Einzelausstellung fand 2010 im Archiv der Schreibwerkstatt Klingspor Offenbach statt.[7] Seit 1972 lebte Gudrun Zapf-von Hesse in Darmstadt.

Zu ihrem hundertsten Geburtstag am 2. Januar 2018 veröffentlichte die Firma Monotype eine digitale Fassung ihrer ersten Schrift, der Hesse Antiqua.[8][2]

Der Verein Stiftung Schriftkultur bot im Frühjahr 2019 mit Zapf und dem damals ebenfalls über 100 Jahre alten Künstler Helmut Matheis (1917–2021) eine Ausstellung unter dem Motto „Ein Jahrhundert – Zwei Schriftkünstler“ im Homburger Gut Königsbruch an.[9]

Am 20. Dezember 2019 wurde Gudrun Zapf-von Hesse auf dem Alten Friedhof Darmstadt an der Seite ihres 2015 verstorbenen Mannes (Grabnummer: II P 44) bestattet.[10]

Schriften

Schriftmuster der Diotima und Diotima kursiv; Linotype Library GmbH
  • Hesse Antiqua, 1947 (für Bauer, 2018 bei Monotype veröffentlicht)[11]
  • Diotima, 1952/1953 (für Stempel)
  • Smaragd, 1953 (für Stempel)
  • Ariadne, 1954 (für Stempel)
  • Shakespeare, 1968 (für Hallmark)
  • Carmina, 1986 (für Bitstream)
  • Nofret, 1986 (für Berthold)
  • Alcuin, 1991 (für URW)
  • Christiana, 1991 (für Berthold)
  • Colombine, 1991 (für URW)

Ausstellungen und Ehrungen (Auswahl)

  • 1948: Städel-Kunsthochschule, Frankfurt a. M.
  • 1952: Grafiska Institutet, Stockholm (mit Hermann Zapf)
  • 1970: Ausstellung, Klingspor-Museum, Offenbach
  • 1985: Ausstellung, ITC-Center, New York
  • 1991: Frederic W. Goudy Award, Rochester Institute of Technology, USA
  • 1998: Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Darmstadt
  • 2001: Ausstellung Calligraphic Type Design in the Digital Age: An Exhibition in Honor of the Contributions of Hermann & Gudrun Zapf, San Francisco Public Library
  • 2001: Mills College, Oakland, Kanada
  • 2016: Kunstpreis der Ike und Berthold Roland-Stiftung (mit Hermann Zapf posthum)

Literatur

  • Andreas Weber: Gudrun Zapf-von Hesse – Unaufdringliche Vollkommenheit. Homburg (Saar) 2019. In: Katalog zur Ausstellung Ein Jahrhundert – Zwei Schriftkünstler. Gudrun Zapf-von Hesse, Helmut Matheis. Hrsg. von der Stiftung Schriftkultur e. V. S. 8–11.
  • Rei Gesing mit Gudrun Zapf von Hesse: Die Weisheit der 100-Jährigen – 7 Fragen an die ältesten Menschen Deutschlands. Mit einem Vorwort von Simone Rethel-Heesters. (= MonoLit. Band 1) Solibro Verlag, Münster 2018, ISBN 978-3-96079-061-7. Interview mit Gudrun Zapf von Hesse auf den Seiten 46–49, Kapitelüberschriften in dem Buch sind in einer von Gudrun Zapf von Hesse entworfenen digitalen Schrift, der „Hesse Antiqua“ gesetzt.
  • Lupold von Lehsten: Gudrun Zapf-von Hesse und ihre Ahnentafel. In: Archiv für Familiengeschichtsforschung, Bd. 22 (2018), Heft 3, S. 82–94.
  • Gerda Breuer, Julia Meer (Hrsg.): Women in Graphic Design. Jovis, Berlin 2012, ISBN 978-3-86859-153-8, S. 189, 591.
  • Silvia Werfel: Eleganz und Präzision. Ein Leben für Handwerk und Kunst – Gudrun Zapf von Hesse. Ein Porträt. In: bindereport, 129. Jg., 2016-8, S. 42–45
  • Hessische Landesbibliothek Darmstadt (Hrsg.): Gudrun Zapf-von Hesse. Ausstellungskatalog. Darmstadt 1998.
  • Paul Hayden Duensing: Diotima of Gudrun Zapf-von Hesse. Farnham 1989.
  • Neil MacMillan: A–Z of Type Designers. New Haven 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ferdinand P. Ulrich: Gudrun Zapf von Hesse: Modern, nicht modisch. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. Dezember 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 19. Dezember 2019]).
  2. a b c d e f Yulia Popova: How many female type designers do you know? I know many and talked to some! Onomatopee, Eindhoven 2020, ISBN 978-94-93148-32-1, S. 79.
  3. http://www.schreibwerkstatt-klingspor.de/index.php/lebendiges-archiv/vitae/34-gudrun-zapf, Vitae Zapf-von Hesse, abgerufen am 15. April 2015
  4. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/zum-tod-der-typographin-gudrun-zapf-von-hesse-16542193.html, 19. Dezember 2019, abgerufen am 4. Februar 2020
  5. https://guildofbookworkers.org/sites/guildofbookworkers.org/files/gbwlist/2001/08/msg00010.html Zapfest auf guildofbookworkers.org, abgerufen am 15. April 2015
  6. http://creativepro.com/dot-font-the-other-zapf/ dot-font: The Other Zapf, abgerufen am 15. April 2015
  7. http://www.schreibwerkstatt-klingspor.de/index.php/lebendiges-archiv/vitae/34-gudrun-zapf Vitae Zapf-von Hesse, abgerufen am 15. April 2015
  8. https://www.monotype.com/de/ressourcen/artikel/hesse-antiqua-zum-100-geburtstag/ abgerufen am 19. Dezember 2018
  9. Sieben Jahrzehnte Schriftgestaltung mit Charme. Ausstellung der Stiftung Schriftkultur in Bruchhof. Saarbrücker Zeitung, Verlag und Druckerei GmbH, 11. April 2019, abgerufen am 28. März 2021.
  10. Darmstädter Echo, Freitag, 20. Dezember 2019, S. 13.
  11. Hesse Antiqua™ zum 100. Geburtstag. 12. Dezember 2019, abgerufen am 3. Juni 2023.

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Hamburgefons Diotima.png

Sample of the Diotima font (first line Diotima Roman, second line Diotiman Italic, both 60 pt). This font was created in 1952 by the German type designer Gudrun Zapf-von Hesse. The word "Hamburgefons" is commonly used for showing the particularities of a font.

The sample was generated with the Linotype Font-Sampler, an on-line tool by Linotype Library GmbH for generating font samples (graphic images) of every typeface available there. Sascha Brawer has contacted info@linotype.com, asking for permission to take screenshots of their tool, mentioning the intention to use these screenshots as illustrations for Wikipedia articles.