Gruppennarzissmus

Gruppennarzissmus ist nach dem deutschen Psychoanalytiker, Philosophen und Sozialpsychologen Erich Fromm die Übertragung des eigenen Narzissmus einer Person auf eine soziale Gruppe, auf die Nation, auf eine Kirche (religiöser Narzissmus) oder eine Gruppierung, die eine bestimmte Anschauung vertritt u. ä. Die betroffenen Personen behaupten z. B., ihre Nation sei die Beste unter allen Nationen. Dabei sehen sie nur die positiven Seiten ihrer eigenen Nation/Religion/…, wobei sie bei anderen nur Negatives erkennen (beim Narzissmus bezieht sich solches Denken auf die eigene Person). Dadurch könnten Gemeinschaften gebildet werden in denen das Selbstwertgefühl überhöht wird. Gerade die am wenigsten respektierten Mitglieder, wirtschaftlich und kulturell Arme, erführen in dem narzisstischen Stolz eine hohe Befriedigung. Um die Unzufriedenheit einer Gesellschaft, in der ein großer Teil nur unzureichend versorgt ist, zu kompensieren, müsse ihr zu einer bösartigen narzisstischen Befriedigung verholfen werden.

Beim Gruppennarzissmus ist das Objekt nicht der einzelne, sondern die Gruppe der es angehört, deshalb kann er z. B. in Form von Patriotismus, Glauben und Loyalität ungehemmt zum Ausdruck gebracht werden. Durch Appelle an narzisstische Vorurteile wird die Solidarität und der innere Zusammenhalt der Gruppe gefördert und gleichzeitig ihre Manipulation erleichtert. Da er von vielen Mitgliedern geteilt wird, erweckt er den Anschein realistische und vernünftige Werturteile zu vermitteln. Ein so gefundener Konsens beinhaltet, nach Fromm, die Möglichkeit Phantasien in (scheinbare) Realitäten zu verwandeln.

Fromm bezeichnet den Gruppennarzissmus als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Vorbereitung eines Krieges und sieht seine Ursache in der Form der heutigen Gesellschaft, „welche Isolierung und Feindseligkeit der Menschen untereinander“ und somit sowohl den Narzissmus als auch den Gruppennarzissmus fördere. Allerdings sieht er in ihm auch die Chance, wenn es gelänge, den Gruppennarzissmus auf die gesamte Menschheit auszudehnen, „wenn der einzelne sich primär als Weltbürger erleben und wenn er auf die Menschheit und ihre Leistungen stolz sein könnte“, dass dieser den Weg zu einem „Neo-Humanismus“ ebnen könnte.

Siehe auch

Literatur

  • Erich Fromm: Die Antwort der Liebe – Die Kunst des richtigen Lebens. Herder, Freiburg 2003, ISBN 3-451-05366-7, S. 137–149 („Der Narzissmus als der Gegenpol der Liebe“).