Grundsteinlegung

Grundstein der Michaeliskirche in Hildesheim aus dem Jahr 1010.

Die Grundsteinlegung ist im Bauwesen eine Zeremonie um einen symbolischen Grundstein. Dieser erste Stein eines neuen Bauwerks, der oft in feierlicher Form mit Beigabe von Urkunden und Münzen bei Baubeginn gelegt wird, kann im Fundament vermauert oder sichtbar (manchmal als Eckstein) angeordnet sein.[1]

Brauch und Begriff

Der Brauch der Grundsteinlegung ist seit jeher weltweit anzutreffen. In der Bibel wird in Psalm 118, Vers 22 ein „Eckstein“ erwähnt (Ps 118,22 ). Der deutsche Begriff Grundstein ist allerdings nicht vor dem 14. Jahrhundert belegt.[2]

Die Grundsteinlegung fällt nicht mit dem tatsächlichen Baubeginn – in den meisten Fällen dem Anfang der Erdarbeiten, das heißt des Aushubs der Baugrube – zusammen, der oft mit einer anderen Zeremonie begangen wird: Dem Spatenstich oder Ersten Spatenstich.

In übertragenem Sinn wird „Grundstein“ gern gebraucht, um etwas Grundlegendes und Unverzichtbares für einen anderen Sachverhalt hervorzuheben.

Verwendung, Zeitkapsel

Die Grundsteinlegung wurde und wird insbesondere bei Kirchen und öffentlichen oder halböffentlichen Bauten (wie Rathäusern oder Verwaltungsgebäuden) gefeiert. Dabei kommt noch heute meist ein besonders kunstvoll gearbeiteter Grundsteinhammer zur Anwendung, mit dem „nach altem Brauch“ (Mothes 1882) von Bauherr, Architekt, Meister und Polier zu laut vorgetragenen Weihe- oder Segenssprüchen jeweils drei symbolische Schläge auf den Grundstein ausgeführt werden.[3]

Grundsteine werden meist im Bereich des Fundaments oder des Gebäudesockels unsichtbar eingemauert, sodass sie erst bei einer Zerstörung des Gebäudes wieder zugänglich werden. Seit dem 20. Jahrhundert allerdings werden vielfach sichtbar beschriftete Grundsteinplatten ins Mauerwerk eingesetzt, hinter denen sich ein Hohlraum für die Zeitkapsel befindet.

Hinter der Grundsteinplatte oder im hohlen Grundstein sind häufig sogenannte Zeitkapseln verborgen. Es handelt sich heute meist um ein verlötetes Blechgefäß, das eine Urkunde mit Angaben zum Bauprojekt, Zeitzeugnisse wie aktuelle Tageszeitungen und Geldmünzen sowie eventuell andere symbolische Gegenstände enthalten kann. Der Behälter konnte noch im 19. Jahrhundert auch aus einem Glasgefäß in einer Bleikapsel bestehen.[3]

Beispiele aus der Geschichte

  • In prähistorischer Zeit bis ins späte Mittelalter wurden verschiedentlich auch Bauopfer gebracht, deren symbolische Bedeutung vergleichbar ist.
  • Eine zeremonielle Ausgestaltung der Grundsteinlegung ist schon in spätptolemäischer Zeit aus dem alten Ägypten überliefert. So wurden beim Bau des Hathor-Tempels von Dendera die Herstellung und Setzung des Ecksteins vom Herrscher selbst vollzogen.[4]
  • Die symbolische Bedeutung des Grundstein in der antiken Welt spiegelt sich auch in der häufigen Nennung von „Grundstein“ oder gleichbedeutend „Eckstein“ in zahlreichen Bibeltexten (Jer. 51,26; Off. 21,14; Ps. 117,22; Mt 21, 41; Mk 12,10; Lk 20,17; Ap 4,11; 1Pred. 2,6 und 2,7)
  • Ein besonders alter erhaltener, kirchlicher Grundstein ist der 1908 bei Bauarbeiten wiederentdeckte Grundstein der Michaeliskirche Hildesheim, der 1010 datiert ist.[5]
  • Die Skulptur des Bischofs Dietrich III. von Isenberg, geschaffen um 1230–1240, in der Paradiesvorhalle des Doms zu Münster ist die vielleicht einzige mittelalterliche Statue eines Stifters, der einen Grundstein in Händen hält.[6]
  • Gelegentlich wird ein mit einer Inschrift versehener Grundstein oberhalb des Bodenniveaus so in die Mauern des Gebäudes eingefügt, dass er von außen oder im Innenraum sichtbar bleibt. Diese Art von Grundstein wurde beispielsweise bei der Grundsteinlegung durch Wilhelm II. am 11. Oktober 1900 für die Rekonstruktion des Römerkastells Saalburg verwendet.
  • Die Grundsteinlegung für die Kapelle im Schloss Moritzburg war am 1. November 1661, am Geburtstag der Gemahlin Johann Georgs II., von Sachsen. Den Grundstein legte der Kurfürst selbst und verschloss unter anderen drei Stück der ersten Schautaler zur Grundsteinlegung der Kapelle im Schloss Moritzburg darein.[7]
  • Es sind auch Fälle bekannt, in denen die Grundsteinlegung als symbolischer Baubeginn – also statt eines feierlichen (ersten) Spatenstichs – zu einem frühen Zeitpunkt veranstaltet wurde und die endgültige Bauausführung erst einige Zeit später begann, so beispielsweise beim Düppel-Denkmal.
  • In der Neuzeit sind verschiedentlich die für die Grundsteinlegung von prominenten Teilnehmern benutzten Kellen und Hämmer aufbewahrt worden, zum Beispiel die silberne Kelle, mit der Bremens Bürgermeister Johann Smidt und Senator Georg Gröning 1828 bei der Gründung der Kammerschleuse des Alten Hafens im kurz zuvor gegründeten Bremerhaven agierten.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 20. Januar 2024), S. 230: Grundstein.
  • Oscar Mothes: Illustrirtes Bau-Lexikon. Praktisches Hülfs- und Nachschlagebuch im Gebiete des Hoch- und Flachbaues, Land- un. Wasserbaues, Mühlen- und Bergbaues, der Schiffs- un. Kriegsbaukunst sowie der mit dem Bauwesen in Verbindung stehenden Gewerbe, Künste und Wissenschaften ... (Band 2): C bis G. Leipzig 1882, S. 542: Grundstein. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 20. Januar 2024)

Weblinks

Commons: Grundstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Grundstein – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 20. Januar 2024), S. 230: Grundstein.
  2. grundstein. In: dwds.de (Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1932), Bd. IV,I,VI (1935), Sp. 903, Z. 5). Abgerufen am 20. Januar 2024.
  3. a b Oscar Mothes: Illustrirtes Bau-Lexikon. Praktisches Hülfs- und Nachschlagebuch im Gebiete des Hoch- und Flachbaues, Land- un. Wasserbaues, Mühlen- und Bergbaues, der Schiffs- un. Kriegsbaukunst sowie der mit dem Bauwesen in Verbindung stehenden Gewerbe, Künste und Wissenschaften ... (Band 2): C bis G. Leipzig 1882, S. 542: Grundstein. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 20. Januar 2024)
  4. Othmar Keel: Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik. 51996, Abb. 369 und 370.
  5. Christine Wulf: Nr. 6, St. Michaelis, 1010. In: inschriften.net (DI 58: Stadt Hildesheim (2003)). Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, 2003, abgerufen am 20. Januar 2024.
  6. Dritte Kathedrale an gleicher Stelle: Weihe am 30. September 1264. In: paulusdom.de. Abgerufen am 20. Januar 2024 (Mit Abbildung).
  7. Julius Erbstein, Albert Erbstein: Erörterungen auf dem Gebiete der sächsischen Münz- und Medaillen-Geschichte bei Verzeichnung der Hofrath Engelhardt’schen Sammlung (1888) S. 224
  8. Alfred Löhr: Bremer Silber, Ausstellungskatalog Focke-Museum Bremen 1981, S. 154.

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GERMANY, Sachsen-Albertinische Linie. Johann Georg II. 1656-1680. AR Doppeltaler (57.84 g, 3h). Dated 1661. PRO FIDE ET PATRIA, SURSUM up left field; DEORSUM down right, ornate monument surmounted by shield bearing monogram of Johann Georg set on crossed sword and palm and surmounted by ornate and crested helmet decorated with with all-seeing eye; plinth decorated with all-seeing eye; flowers at base; crowned Bible depicting the bronze serpent of Moses and the Crucifixtion in left field; crowned and wreathed crossed swords in right field, radiant cartouche with Hebrew "YHWH" above / NUMM: IN:/AUGUR:IN:MEMOR:/TEMPLI AD ARCEM/MORITZBURG:INSTI:/TUTO:SERENISS D.D./IOHANNIS GEORGII II•/ELECT:SAX:EXTRUCTI/CUSUS ET IPSA ELECTO/RIS MANU LAPIDI AN=/GULARI IMPOSIT9/D•1 NOVEMB•Ao/M•DC•LXI. •acorn• (pellet above o), in twelve lines across field. Schnee 912; Davenport 401. EF, beautifully toned.
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Zeitkapsel (Kupferbehälter) wird bei einer Grundsteinlegung durch Weichlöten wasserdicht verschlossen. Bildanalyse 2022-07-23 durch Helium4: Kupferdose (tiefgezogen) zweiteilig: Dose mit gerolltem Wulst, Deckelkappe stößt am Wulst an. Der Spalt wird hier verlötet. Die Dose hatte ca. 10 cm Durchmesser und 25 cm Höhe. Damit war sie ausreichend groß um die aktuelle Tageszeitung, einige Blätter Papier der Größe DIN A4 (21 cm breit) längs gerollt, sowie eine kleine Menge Münzgeld aufzunehmen. Die Zeitkapsel passt liegend in die eine Schar Hohlblockziegel hohe Aussparung in einem Quadervorbau in einer Mauernische. Die Kapsel steht zwecks Lötvorgang angelehnt in der Aussparung, auf der Ziegelschar: Salmiakstein NH4Cl aus Flussmittel, Zündholzschachtel, (Weich-)Lötpaste in würfelförmiger Flasche aus PE mit unverlierbar angebundenem Schraubdeckel. In der linken Hand des Anzug und rote Krawatte tragenden: Lötkolben aus Kupfer an Eisenhalterung, beheizt mit Propangasbrenner, dessen Gaszuführung durch den hölzernen Handgriff läuft. Am hinteren Ende zweigt die Schlauchtülle in 45° Winkel ab. Axial steht der Drehknopf des Gasventils etwas vor. Der orange Mitteldruckschlauch führt zur typisch 1 Liter kleinen, roten Stahlgasflasche, wie sie von Dachspenglern und Installateuren auch um 2000 noch selbst mit Propan gefüllt wurde.
Laying the Foundation Stone of the Academy of Music, Bourke Street. June 12 1876.tif
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Wood engraving published in The illustrated Australian news. Shows the laying of the foundation stone for the Academy of Music in Bourke Street, Melbourne. Text attributes design of building to Messrs. Reed and Barnes. Dated June 12, 1876
Laying the foundation stone for the ESO Headquarters Extension.jpg
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On 11 June 2012 at 18:00, a ceremony took place at ESO’s Headquarters in Garching bei München, Germany, to mark the laying of the foundation stone of the new major extension to the ESO building. The President of the ESO Council, Xavier Barcons (right rear), the ESO Director General, Tim de Zeeuw (right front), and ESO HQ extension project manager, Christoph Haupt (left rear), and the mayor of the town of Garching, Ms Hannelore Gabor (left front) are shown in the foreground.
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Grundsteinlegung Thomaskirche Pfarrer Daepp und Knuchel