Großer Preis von Frankreich 1935

Start zum Großen Preis von Frankreich
Rudolf Caracciola bei der Zieldurchfahrt, vor der mit Zuschauern gefüllten Haupttribüne

Der XXI. Große Preis von Frankreich (XXI Grand Prix de l’Automobile Club de France)[1] fand am 23. Juni 1935 auf dem Autodrome de Linas-Montlhéry in Frankreich statt. Als Grande Épreuve zählte er zur Grand-Prix-Europameisterschaft 1935 und wurde nach den Bestimmungen der Internationalen Grand-Prix-Formel (Rennwagen bis maximal 750 kg Leergewicht; 85 cm Mindestbreite; Renndistanz mindestens 500 km) über 40 Runden à 12,504 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 500,160 km entsprach.

Sieger wurde Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz W 25, der damit den Grundstein für den Gewinn des Europameistertitels in diesem Jahr legte.

Rennen

Gemäß den Ausschreibebedingungen waren pro Hersteller bis zu vier Wagen zugelassen, aber bei insgesamt zwölf Meldungen von sechs Teams hatte keines davon die erlaubte Anzahl voll ausgeschöpft. Vor allem die Mercedes-Benz-Mannschaft war angesichts der anhaltenden Erfolgsserie bei den vorangegangenen Rennen in Monaco, Tripolis, sowie auf der AVUS und auf dem Nürburgring – absolut entschlossen, die im Vorjahr erlittene Scharte wieder wettzumachen, und war bereits Wochen zuvor angereist, um sich mit einem umfangreichen Trainings- und Testprogramm auf das Rennen optimal vorzubereiten. Mit der bewährten Mannschaft aus Rudolf Caracciola, Luigi Fagioli und Manfred von Brauchitsch ging das Team als entsprechend klarer Favorit ins offizielle Training, das jetzt erstmals auch beim französischen Grand Prix zur Ermittlung der Startaufstellung gewertet wurde.

Dennoch war es aber das Team der Auto Union, das das Geschehen zunächst dominierte und mit dem Trainingsschnellsten Achille Varzi zusammen mit Hans Stuck zwei der drei Positionen in der ersten Startreihe errang. Dritter Fahrer im Team war Bernd Rosemeyer, der sich nach seinem ersten Automobilrennen auf der Avus und seinem zweiten Platz beim Eifelrennen mittlerweile bereits den angestammten Platz von Hermann zu Leiningen in der Mannschaft gesichert hatte, sich in Montlhéry aber noch einmal mit einem etwas älteren Modell der Auto-Union-Rennwagen zufriedengeben musste.

Auch die verbleibende Position in der Mitte der ersten Reihe ging überraschenderweise nicht an einen Mercedes-Silberpfeil, sondern an Tazio Nuvolari, der zusammen mit Louis Chiron die Scuderia Ferrari als offizielle Werksvertretung für Alfa Romeo repräsentierte. Eher erwartungsgemäß waren dagegen die Positionen am Ende des Felds für die beiden Maserati der Scuderia Subalpina, wo das eigentlich für Philippe Étancelin gemeldete neue Grand-Prix-Modell vom Typ Maserati V8-RI noch nicht rennbereit geworden war, so dass schließlich Goffredo Zehender und Raymond Sommer mit zwei älteren Maserati 6C-34 für das Team antraten. Und auch Robert Benoist, der als einziger das kriselnde Bugatti-Team beim Heimrennen vertrat, war mit seinen Rundenzeiten über eine hintere Position im Feld nicht hinausgekommen. Dabei hatte er in den Trainingssitzungen allerdings noch seinen normalen Bugatti Type 59 mit 3,3 Liter Hubraum gefahren, an dem im Anschluss daran auch das Wagengewicht für die technische Abnahme festgestellt wurde. In der Nacht zum Rennen traf dann allerdings ein weiterer Rennwagen aus Molsheim ein, in den ein voluminöser 4,9-Liter-Motor aus dem ehemaligen Track Car Bugatti Type 54 eingebaut war.

Der einzige weitere französische Vertreter kam erst gar nicht an den Start. Der für Marcel Lehoux als Fahrer gemeldete SEFAC war ein erstes Projekt eines Nationalrennwagens, das nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen französischer Rennwagen insbesondere als Antwort auf die alles dominierenden Silberpfeile des Erzrivalen Deutschland ins Leben gerufen worden war. Zu diesem Zweck war 1934 auf staatliche Initiative und mit Spendengeldern finanziert die Société d’Etude et de Fabrication d’Automobiles de Course ("Gesellschaft zur Erforschung und Herstellung von Rennwagen"; kurz SEFAC) gegründet worden. Nachdem der größte Teil der Gelder jedoch bereits in andere Kanäle „versickert“ war, musste sich Emile Petit, der sich als Konstrukteur der Salmson-Voiturette-Rennwagen in den 1920er Jahren bereits sehr erfolgreich einen Namen geschaffen hatte, für die Entwicklung mit einem nahezu verschwindend kleinen Budget zufriedengeben. Das Ergebnis war ein extrem übergewichtiger Rennwagen, mit einem aus zwei gegenläufigen und über die Kurbelwellen verkoppelten Vierzylindermotoren mit desmodromischer Ventilsteuerung á la Salmson zusammengesetzter Achtzylinder von zusammen 2,8 Liter Hubraum und lediglich etwa 250 PS Leistung. Die wenigen Trainingsrunden verliefen enttäuschend langsam. Außerdem überschritt der Wagen das zulässige Gewichtslimits um knapp 200 kg, sodass keine Aussicht auf Zulassung zum Rennen bestand.

Aus der recht naiven Idee heraus, die überlegene Geschwindigkeit der deutschen Rennwagen etwas einzubremsen, wurden rund um den Kurs in den schnellen Passagen insgesamt drei künstliche Schikanen eingerichtet. Einmalig in der Grand-Prix-Geschichte war dabei, dass eine davon, deren Position sich ein kurzes Stück hinter Start und Ziel befand, erst während des Rennens aufgebaut wurde, nachdem die Wagen die Stelle unmittelbar nach dem Start zum ersten Mal passiert hatten.

Nuvolari – durch seine Position in der ersten Startreihe zusätzlich motiviert – konnte mit seinem Alfa Romeo die beiden Auto Union neben ihm zu Beginn direkt ausbeschleunigen und die erste Runde als Führender vor Stuck und Varzi beenden. Die mit der Errichtung der Schikanen verbundenen Hoffnungen schienen zunächst sogar aufzugehen, denn während Varzi schon in der zweiten Runde mit Fehlzündungen an seinem Auto Union einen längeren Halt an den Boxen einlegen musste und auch Stuck wenig später wegen zunehmend festgehender Bremsen aus dem Rennen war, konnte Nuvorlari seine Führung vor den beiden Mercedes von Caracciola und Fagioli weiter behaupten. Zwar hatte der Deutsche kurz überprüft, dass er jederzeit in der Lage war, die Spitze zu übernehmen, nahm dann jedoch bald wieder hinter dem Italiener eine abwartende Position ein.

In der Zwischenzeit hatte sich an Benoists Bugatti die Motorhaube gelöst und so für alle sichtbar das Geheimnis seines nicht ganz regelkonformen Motors gelüftet. Da er jedoch den größten Teil des Rennens ohnehin zur Behebung von Defekten regelmäßig an den Boxen verbrachte, wurde die Angelegenheit offenbar im Nachgang nicht weiter verfolgt. Auch Varzi musste fortan laufend Stopps einlegen, um die immer wieder verölenden Zündkerzen zu erneuern, und nachdem schließlich auch Rosemeyer seinen Wagen wegen ähnlicher Symptome wie bei seinen beiden Teamkollegen abstellen musste, waren die Ambitionen der Auto-Union-Mannschaft endgültig gescheitert.

Als schließlich auch Nuvolari in der 14. Runde, noch weit vor Halbzeit des Rennens, mit Differentialschaden aufgeben musste – eine längst überwunden geglaubte notorische Schwachstelle des Tipo B – waren allein noch die drei führenden Mercedes gemeinsam in einer Runde verblieben und konnten es sich nun erlauben, das Rennen in Formation zu Ende zu fahren. Gegen Ende des Rennens wurde allerdings schließlich das Auto von Fagioli noch von technischen Problemen heimgesucht, sodass er doch noch auf Platz vier hinter Zehender auf Maserati zurückgeworfen wurde, während Carraciola die Ziellinie mit einer halben Sekunde Vorsprung vor von Brauchitsch als Sieger überquerte.

Wertungslauf zur Europameisterschaft

Mit seinem Erfolg im Grand Prix de l’ACF begann der Siegeszug des Rudolf Caracciola, der ihm den Europameistertitel für 1935 einbrachte. Dabei war es lange umstritten, ob das Rennen überhaupt als Meisterschaftslauf gewertet wurde.

Schon auf dem AIACR-Kongress von 1934 hatte es Diskussion dazu gegeben, als der französische Automobilklub ACF auf seiner Position beharrte, bei seinem Grand Prix auch weiterhin keine Privatfahrer zur Teilnahme zuzulassen. Obwohl am Ende der Status als Wertungslauf trotzdem erteilt wurde – wie auch für die Großen Preise von Belgien und den Italien, bei denen ebenfalls nur Werksteams antreten durften – hatte angesichts der kümmerlichen Informationspolitik der AIACR ein britischer Journalist die Falschmeldung vom Ausschluss aus der Wertung offenbar schon kolportiert, wenn auch mit der Begründung, dass die Franzosen aus Protest gegen die „deutsche Idee“ der Wiedereinführung einer Meisterschaft abgelehnt hätten. Diese Darstellung fand im Nachgang zunächst längere Zeit einige Verbreitung in der britischen Motorsportliteratur, anhand der veröffentlichten Punktestände und anderer Quellen kann jedoch mittlerweile belegt werden, dass der französische Grand Prix von 1935 tatsächlich für die Meisterschaft in die Wertung kam.

Ergebnisse

Meldeliste

TeamNr.FahrerInfoChassisMotorReifen
NS-Staat Daimler-Benz AG02NS-Staat Rudolf CaracciolaMercedes-Benz W 25BMercedes-Benz M 25 B 4.0L I8 KompressorC
04Italien 1861 Luigi Fagioli
06NS-Staat Manfred von Brauchitsch
03NS-Staat Hermann LangRES*Mercedes-Benz W 25Mercedes-Benz M 25 B 3.4L I8 Kompressor
03NS-Staat Hanns GeierRES*
NS-Staat Auto Union AG08Italien 1861 Achille VarziaAuto Union BAuto Union 5.6L V16 KompressorC
10NS-Staat Hans Stuck
12NS-Staat Bernd RosemeyerAuto Union BAuto Union 5.0L V16 Kompressor
NS-Staat Hermann zu LeiningenRES
NS-Staat Paul PietschRES
Italien 1861 Scuderia Ferrari14Italien 1861 Tazio NuvolariAlfa Romeo Tipo B/P3Alfa Romeo 3.2L I8 KompressorE
16Monaco Louis Chiron
Dritte Französische Republik René DreyfusRES
Italien 1861 Scuderia Subalpina18Italien 1861 Goffredo ZehenderMaserati 6C-34Maserati 3.7L I6 KompressorP
20Dritte Französische Republik Raymond Sommer
Italien 1861 Piero DusioRES
20Dritte Französische Republik Philippe ÉtancelinDNAbMaserati V8-RIMaserati 4.8L V8 Kompressor
Dritte Französische Republik Société d’Etude et de Fabrication d’Automobiles de Course22Dritte Französische Republik Marcel LehouxDNScSEFACSEFAC 2.8L U8 KompressorM
Dritte Französische Republik Automobiles Ettore Bugatti24Dritte Französische Republik Robert BenoistBugatti T59/50SBugatti 4.9L I8 KompressorM
DNSdBugatti Type 59Bugatti 3.3L I8 Kompressor
* Auto nur im Training eingesetzt; nicht offiziell gemeldet.
a Während des Rennens von Rosemeyer abgelöst.
b Auto nicht einsatzbereit.
c Wegen technischer Probleme und mangelnder Konkurrenzfähigkeit im Training nicht am Start.
d Benoist hatte zunächst auf einem gewöhnlichen Type 59 mit 3,3-Liter-Motor am Training teilgenommen, an dem im Anschluss auch die technische Abnahme vollzogen wurde. Zum Rennen stellte ihm Bugatti jedoch ein anderes Fahrzeug zur Verfügung, das mit dem größeren 5-Liter-Aggregat aus dem Type 54 ausgerüstet war.

Qualifying

Pos.FahrerKonstrukteurQualifikationstrainingStart
ZeitØ-Geschwindigkeit
01Italien 1861 Achille VarziNS-Staat Auto Union5:20,1 min140,670 km/h01
02Italien 1861 Tazio NuvolariItalien 1861 Alfa Romeo5:23,6 min139,110 km/h02
03NS-Staat Hans StuckNS-Staat Auto Union5:28,8 min136,910 km/h03
04NS-Staat Rudolf CaracciolaNS-Staat Mercedes-Benz5:31,6 min137,750 km/h04
05Monaco Louis ChironItalien 1861 Alfa Romeo5:31,9 min135,630 km/h05
06NS-Staat Bernd RosemeyerNS-Staat Auto Union5:36,6 min133,730 km/h06
07Italien 1861 Luigi FagioliNS-Staat Mercedes-Benz5:37,9 min133,200 km/h07
08NS-Staat Manfred von BrauchitschNS-Staat Mercedes-Benz5:46,6 min129,870 km/h08
09Italien 1861 Goffredo ZehenderItalien 1861 Maserati6:10,8 min121,400 km/h09
10Dritte Französische Republik Robert BenoistDritte Französische Republik Bugattikeine Zeit10
11Dritte Französische Republik Raymond SommerItalien 1861 Maseratikeine Zeit11

Rennergebnis

Pos.FahrerKonstrukteurRundenStoppsZeitStartSchnellste RundeAusfallgrundEM-Punkte
01NS-Staat Rudolf CaracciolaNS-Staat Mercedes-Benz404:00:54,6 h41
02NS-Staat Manfred von BrauchitschNS-Staat Mercedes-Benz40+ 0,5 s82
03Italien 1861 Goffredo ZehenderItalien 1861 Maserati38+ 2 Runden93
04Italien 1861 Luigi FagioliNS-Staat Mercedes-Benz37+ 3 Runden74
05Italien 1861 Achille Varzi
NS-Staat Bernd Rosemeyer
NS-Staat Auto Union36+ 4 Runden14 / -
06Dritte Französische Republik Raymond SommerItalien 1861 Maserati35+ 5 Runden114
Dritte Französische Republik Robert BenoistDritte Französische Republik Bugatti16DNF10Achsbruch6
Italien 1861 Tazio NuvolariItalien 1861 Alfa Romeo14DNF25:29,1 minDifferentialschaden6
NS-Staat Bernd RosemeyerNS-Staat Auto Union11DNF6Bremsdefekt6
Monaco Louis ChironItalien 1861 Alfa Romeo8DNF5Differentialschaden7
NS-Staat Hans StuckNS-Staat Auto Union7DNF3Bremsdefekt7

Weblinks

Commons: Großer Preis von Frankreich 1935 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l’ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.

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Départ du Grand Prix de l'A.C.F. 1935 à Montlhéry (de G à D Stuck, Nuvolari, Caracciola, et Viarzi).
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Rudolf Carraciola au Grand Prix de l'ACF 1935.