Großer Preis von Frankreich 1929

Rennstart

Der XXIII. Große Preis von Frankreich (XXIII Grand Prix de l’Automobile Club de France)[1] fand am 30. Juni 1929 auf dem langen Circuit de la Sarthe bei Le Mans in Frankreich statt. Es war in diesem Jahr das einzige Grande Épreuve, das nach der geltenden Internationalen Grand-Prix-Rennformel (Maximaler Verbrauch 14 kg Kraftstoff und Öl pro 100 km, Motorengröße mindestens 1100 cm³ Hubraum, Minimalgewicht der zweisitzigen Wagen 900 kg, Mindestbreite 100 cm, Renndistanz mindestens 600 km) durchgeführt wurde und war ursprünglich als Wertungslauf zur damaligen Automobilweltmeisterschaft vorgesehen. Das Rennen wurde über 37 Runden à 16,340 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 604,580 km entsprach.

Sieger wurde William Grover-Williams auf einem Bugatti Type 35B.

Rennen

Der Grand Prix de l’ACF von 1929 blieb trotz seines traditionsreichen Titels ein weitgehend unbedeutendes Rennen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der ACF jüngst die Nummerierung geändert hatte und das Rennen nun statt als 15. nun zu seinen insgesamt 23. Grand Prix ernannt. Man hatte kurzerhand die alljährlichen klassischen Stadt-zu-Stadt-Rennen der Pionierjahre zwischen 1895 und 1903 rückwirkend in diese Reihe aufgenommen, obwohl die Veranstaltungen noch eher nationalen Charakter besessen hatten und der ACF zum Zeitpunkt seines angeblich „ersten Grand Prix“ 1895 noch gar nicht gegründet worden war.

Allerdings hätte das Rennen von 1929 eine gewisse Aufwertung durchaus nötig gehabt, denn das Teilnehmerfeld war eigentlich eines Grand-Prix-Rennens unwürdig und setzte sich auch nur aus französischen Teams und fast ausschließlich aus in Frankreich beheimateten Fahrern zusammen. Die Ursachen lagen einerseits darin, dass nach dem Ausstieg zahlreicher Automobilfirmen zum Ende der Grand-Prix-Saison 1927 im Prinzip mit Bugatti und Maserati nur zwei Hersteller im Grand-Prix-Sport verblieben waren und der junge italienische Rennstall sich noch dazu vorwiegend auf die Rennen auf heimischen Boden beschränkte. Andererseits trug sicherlich auch die ungeschickte Entscheidung für eine Verbrauchsformel erheblich dazu bei, mögliche Interessenten zu verschrecken.

Weil unter diesem speziellen Reglement nicht allein bloße Motorenstärke und Geschwindigkeit ausschlaggebend erschienen, waren obendrein zum Teil ganz andere Fahrzeugtypen zu sehen, als man es ansonsten bei Grand-Prix-Rennen gewohnt war. So traten neben den drei favorisierten Type-35B-Werkswagen des Bugatti-Teams mit dem Fahrer-Trio Albert Divo, „W. Williams“ (unter diesem Pseudonym startete der in Frankreich lebende Engländer William Grover-Williams) und Caberto Conelli – gleichzeitig die einzigen beiden Ausländer im Feld – erstmals seit 1914 auch wieder die Peugeot-Werke mit zwei schon 1925 für solche Art Rennen konzipierten Modellen des Typs Peugeot 174 S mit André Boillot (Bruder des legendären Vorkriegshelden Georges Boillot) und Guy Bouriat am Steuer, die mehr einem Sport- als einem Rennwagen glichen. Eine sehr ungewöhnliche Kreation brachte auch der Fahrer „Georges Philippe“ – hinter diesem Pseudonym verbarg sich der französische Baron Philippe de Rothschild – in Form eines zahmen, aber mächtigen Bugatti Type 44 Tourenwagens an den Start, von dem diverse Karosserieteile zur Gewichtserleichterung entfernt worden waren. Komplettiert wurde das Feld schließlich durch weitere Bugatti-35-Varianten in den Händen privater Fahrer sowie zwei alten, aber stark modifizierten Ballot-Rennwagen aus den Jahren 1920 und 1921. Um den Anblick der Wagen noch befremdlicher wirken zu lassen, war dem Reglement entsprechend bei allen das gewohnte, normalerweise bootsförmig gestaltete Heck entfernt und durch einen tonnenförmigen Einheitstank mit riesiger Füllstandsanzeige darauf und mit einem Ersatzrad dahinter ersetzt worden. Der Preis des Tanks samt seiner 85 Liter flüssigen Inhalts, der vor dem Rennen eingefüllt und anschließend versiegelt wurde, war immerhin mit der Teilnahmegebühr von 5.000 Francs schon abgedeckt, die selbst jedoch sicher auch nicht gerade hilfreich dafür war, Teilnehmer anzulocken.

Obwohl schließlich von den 18 gemeldeten Wagen noch ganze 11 zum Start erschienen, wurde das Rennen überraschenderweise doch noch zu einer einigermaßen unterhaltsamen Angelegenheit. Schuld daran war Boillot, der mit seinem Peugeot mit den Bugatti nicht nur überraschend gut mithalten, sondern sogar die ersten fünf Runden hindurch die Spitze behaupten konnte, bevor er schließlich von „Williams“ überholt wurde. Aber auch danach war er noch nicht geschlagen und so wechselte die Führung noch zweimal hin und her, bis der Peugeot-Fahrer in der zwölften Runde einen kurzen Boxenstopp einlegen musste, weil sich ein Kabel gelöst hatte. Obwohl danach auch Conelli für kurze Zeit an ihm vorbeigegangen war, kämpfte sich Boillot wieder auf den zweiten Rang zurück, bevor dann die Positionen für eine Weile bezogen waren, weil die Fahrer nun aufs Sprit sparen achteten. Erst gegen Rennende kam noch einmal etwas Spannung auf, weil Boillot während eines kurzen Regenschauers Boden auf „Williams“ gut machte. Der Brite war jedoch über den Stand des Rennens gut informiert und konnte so den Abstand zu seinem Konkurrenten sicher kontrollieren, während dieser noch einmal von Conelli stark unter Druck geriet, der am Ende nur acht Sekunden hinter Boillot als Dritter über die Linie ging.

Eine Untersuchung der Wagen nach dem Rennen ergab, dass jeder der Klassierten noch mindestens acht Liter Treibstoff im Tank hatte.

Ergebnisse

Meldeliste

TeamNr.FahrerInfoChassisMotorReifen
Dritte Französische Republik Raoul de Rovin02Dritte Französische Republik Raoul de RovinBugatti T35CBugatti 2.0L I8 Kompressor
Italien 1861 Emilio EminenteRES
Dritte Französische Republik Philippe Aubert04Dritte Französische Republik Jean ChassagneBallot 3/8LCBallot 3.0L I8M
08Monaco Ferdinand de BesaucèleBallot 2LSBallot 2.0L I4
Dritte Französische Republik Robert Gauthier06Dritte Französische Republik Robert GauthierBugatti T35CBugatti 2.0L I8 Kompressor
Dritte Französische Republik Count Veličkovič10Dritte Französische Republik Robert SénéchalBugatti T35BBugatti 2.3L I8 Kompressor
Jugoslawien Konigreich 1918 Dimitri VeličkovičRES
Dritte Französische Republik Automobiles Bugatti12Dritte Französische Republik Albert DivoBugatti T35BBugatti 2.3L I8 KompressorM
30Italien 1861 Caberto Conelli
36Vereinigtes Konigreich William Grover-Williams
Dritte Französische Republik Louis DutilleuxRES
Rumänien Konigreich Gheorghe Ghyka Cantacuzene14Rumänien Konigreich Gheorghe Ghyka CantacuzeneDNAF.A.R.Cozette 1.5L I4 Kompressor
Dritte Französische Republik Philippe de Rothschild16Dritte Französische Republik Philippe de RothschildBugatti T44Bugatti 3.0L I8
Dritte Französische Republik de CostierRES
Dritte Französische Republik Jules Nandillon18Dritte Französische Republik Jules NandillonDNAVernandiVernandi 1.5L V8
Dritte Französische Republik André Dubonnet20Dritte Französische Republik André DubonnetDNAaBugatti T37ABugatti 1.5L I4 Kompressor
Dritte Französische Republik Bollack, Netter et Cie22DNAB.N.C. 527SCAP 1.1L I4
Dritte Französische Republik Édouard Brisson24Dritte Französische Republik Édouard BrissonDNAAlphiCIME 1.1L I6M
Dritte Französische Republik SA Ariès26Dritte Französische Republik Robert LalyDNAArièsAriès 1.1L I4
32DNA
Dritte Französische Republik SA des Automobiles Peugeot28Dritte Französische Republik André BoillotPeugeot 174SPeugeot 4.0L I4M
34Dritte Französische Republik Guy Bouriat
a Auto nicht einsatzbereit (Motorschaden).

Startaufstellung

Die Startpositionen wurden in der Reihenfolge der vorab zugeteilten Startnummern vergeben.

Dritte Französische Republik de Rovin
Dritte Französische Republik Chassagne
Dritte Französische Republik Gauthier
Monaco de Besaucèle
Dritte Französische Republik Sénéchal
Dritte Französische Republik Divo
Dritte Französische Republik de Rothschild
Dritte Französische Republik Boillot
Italien 1861 Conelli
Dritte Französische Republik Bouriat
Vereinigtes Konigreich Williams

Rennergebnis

Pos.FahrerKonstrukteurRundenStoppsZeitStartSchnellste RundeAusfallgrund
01Vereinigtes Konigreich William Grover-WilliamsDritte Französische Republik Bugatti374:33:01,200117:01,000
02Dritte Französische Republik André BoillotDritte Französische Republik Peugeot37+ 1:18,8008
03Italien 1861 Caberto ConelliDritte Französische Republik Bugatti37+ 1:26,6009
04Dritte Französische Republik Albert DivoDritte Französische Republik Bugatti37+ 8:26,2006
05Dritte Französische Republik Robert SénéchalDritte Französische Republik Bugatti37+ 24:26,6005
06Dritte Französische Republik Robert GauthierDritte Französische Republik Bugatti37+ 45:37,2003
Monaco Ferdinand de BesaucèleDritte Französische Republik Ballot33NC4
Dritte Französische Republik Guy BouriatDritte Französische Republik Peugeot32NC10
Dritte Französische Republik Philippe de RothschildDritte Französische Republik Bugatti28DNF7Mechanik
Dritte Französische Republik Raoul de RovinDritte Französische Republik Bugatti15DNF1Motorenprobleme
Dritte Französische Republik Jean ChassagneDritte Französische Republik Ballot3DNF2Mechanik

Weblinks

Commons: Großer Preis von Frankreich 1929 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l’ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Flag of Italy (1861-1946).svg
Autor/Urheber: F l a n k e r, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Flagge des Königreich Italiens (1861-1946) In einem staatlichem oder militärischem Kontext ist die Version mit der Krone zu verwenden.
Flag of Italy (1861–1946).svg
Autor/Urheber: F l a n k e r, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Flagge des Königreich Italiens (1861-1946) In einem staatlichem oder militärischem Kontext ist die Version mit der Krone zu verwenden.
Flag of Yugoslavia (1918–1943).svg
Pan-Slavic flag. Emerged from 1848 Prague pan-Slavic conference, or interpretations of the resolutions of the conference. Drawn by Fibonacci.
Flag of Yugoslavia (1918–1941).svg
Pan-Slavic flag. Emerged from 1848 Prague pan-Slavic conference, or interpretations of the resolutions of the conference. Drawn by Fibonacci.
Flag of the United Kingdom.svg
Flagge des Vereinigten Königreichs in der Proportion 3:5, ausschließlich an Land verwendet. Auf See beträgt das richtige Verhältnis 1:2.