Großer Preis von Belgien 1933

Start zum Großen Preis von Belgien
Rennsieger Tazio Nuvolari

Der IV. Große Preis von Belgien fand am 9. Juli 1933 auf dem Circuit de Spa-Francorchamps statt. Das Rennen zählte zu den Grandes Épreuves und wurde nach den geltenden Bestimmungen (Mindestdistanz 500 km) über 40 Runden à 14,915 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 596,6 km entsprach.

Sieger wurde Tazio Nuvolari auf einem Maserati 8CM.

Rennen

Das größte Aufsehen rund um den Großen Preis von Belgien 1933 erzeugte zweifellos der Wechsel Tazio Nuvolaris von Alfa Romeo zu Maserati. Der kleine italienische Rennwagenbauer war seit 1926 im Grand-Prix-Sport aktiv, hatte seitdem jedoch meist im Schatten von Alfa Romeo und Bugatti gestanden. Für die Saison 1933 hatte sich Alfa Romeo werksseitig vom Grand-Prix-Sport zurückgezogen und der Scuderia Ferrari nur ältere Modelle Alfa Romeo Typ „Monza“ überlassen. Ebenso war es Bugatti infolge wirtschaftlicher und technischer Stagnation bislang nicht gelungen, ein neues konkurrenzfähiges Grand-Prix-Modell herauszubringen, sodass auch hier zunächst meist ältere Bugatti Type 51, vorwiegend durch private Besitzer, zum Einsatz kamen.

Maserati hatte dagegen mit dem Maserati 8CM den ersten eigenen Monoposto herausgebracht. Zwar erwies sich die Straßenlage zu Beginn der Saison als problematisch, weil das extrem schmale Chassis nicht verwindungssteif genug ausgelegt war, da die Erfahrung mit der neuen Fahrzeugart noch fehlte. Der 3-Liter-Reihenachtzylindermotor hatte jedoch gegenüber den Konkurrenten einen klaren Leistungsvorteil. Das war mit Maseratis erstem Grand-Prix-Sieg durch Giuseppe Campari beim vorangegangenen französischen Grand Prix deutlich geworden, wo der Motor jedoch in ein älteres zweisitziges Vorjahresmodell eingebaut war.

Eben bei diesem Rennen hatte Ferraris Spitzenfahrer Tazio Nuvolari ein Desaster erlebt. Denn während Training und Rennen war er dreimal mit überfordertem Material liegen geblieben. Außerdem gab es zwischen ihm und Rennstallbesitzer Enzo Ferrari schon seit einer Weile Streit, weil Nuvolari Mitspracherechte bei der Führung des Teams beanspruchte. Als Nuvolari daraufhin beim Rennen in Reims – eine Woche vor dem Großen Preis von Belgien – seinen Alfa Romeo einmal mehr mit ausgefallener Kraftübertragung vorzeitig abstellen musste, nahm er umgehend Kontakt zu Ernesto Maserati auf, der bei Maserati die Leitung des Familienunternehmens nach dem Tod seines Bruders Alfieri übernommen hatte. Maserati hatte für das bevorstehende Rennen in Belgien ein Cockpit frei, nachdem Campari in Reims am Auge verletzt worden war. Allerdings war Nuvolari vertraglich an Ferrari gebunden, der seinen Spitzenfahrer nicht so ohne Weiteres zur Konkurrenz abwandern lassen wollte. Bei einem Gespräch zwischen Nuvolari, Ferrari und Maserati wurde schließlich vereinbart, dass Nuvolari beim Training in Spa-Francorchamps beide Autos – neben dem Maserati auch seinen angestammten „Monza“ – fahren durfte, um sich für das Rennen zwischen beiden zu entscheiden. Um den Vertrags- und Meldeformalitäten zu genügen, sollte der Maserati dabei nominell unter der Bewerbung von Ferrari laufen, aber von Maserati-Mechanikern betreut werden.

Als die Entscheidung schließlich tatsächlich zugunsten des Maserati fiel, war das angesichts der bekannten Defizite des Modells eine gewisse Sensation. Nuvorlari hatte jedoch schon nach wenigen Runden im Training die Schwachstelle erkannt und verbrachte das Auto kurzerhand selbst in eine Werkstatt der Imperia-Werke in Lüttich, wo er über Nacht zusammen mit seinem Mechaniker und einem Angestellten des Werks umfangreiche Versteifungen am Chassis anbrachte.

Neben diesen Begebenheiten hatte es im Vorfeld des Belgischen Grand Prix weiteren Gesprächsstoff gegeben. Nachdem Bugatti mit dem Französischen Grand Prix zuvor sogar sein Heimrennen ausgelassen hatte, war es dem kriselnden Werk in der Zwischenzeit offenbar gelungen, wenigstens einen neuen Bugatti Type 59 mit 2,8-Liter-Motor fahrbereit zu machen. In der Tat erschien Achille Varzi damit zu Beginn des Trainings für ein paar langsame Runden, wonach das Auto jedoch umgehend wieder weggepackt wurde, weil der Fahrer weder die Straßenlage noch die Bremsen als renntauglich befunden hatte. So musste er für das Rennen ebenso wie seine Teamkollegen René Dreyfus und William Grover-Williams (wie immer unter dem Pseudonym „W. Williams“ antretend) doch wieder mit dem alten Type 51 vorliebnehmen.

So turbulent die Ereignisse im Vorfeld des Grand Prix gewesen waren, so eindeutig war der Verlauf des Rennens selbst. Obwohl Nuvolari bei der Auslosung der Startpositionen Pech gehabt hatte und das Rennen von ganz hinten aufnehmen musste, arbeitete er sich mit dem Maserati bis zum Ende der ersten Runde bereits durch das gesamte Feld hindurch an die Spitze und baute in der Folge seinen Vorsprung kontinuierlich aus. Dahinter konnten nur Nuvolaris Freund und immer noch nomineller Teamkollege Mario Umberto Borzacchini und der auf eigene Rechnung fahrende Louis Chiron mit ihren beiden Alfa Romeo „Monza“ halbwegs den Anschluss halten, während der Rest der Teilnehmer nach kurzer Zeit so weit abgeschlagen war, dass keiner von ihnen mit dem Ausgang des Rennens etwas zu tun haben konnte. Kurz vor der Hälfte des Rennens musste Nuvolari zum Reifenwechseln und Nachtanken an die Box, wodurch Chiron, Borzacchini und vorübergehend auch Varzi vorbeikamen. Der Bugatti-Fahrer wurde jedoch bald von Nuvolari wieder passiert. Nachdem zur Rennhälfte erst Chiron mit Differentialschaden und kurz darauf Borzacchini mit Motordefekt aufgegeben hatte, musste Nuvolari den Maserati praktisch nur noch heil über die verbleibenden Runden bringen, um das Rennen zu gewinnen, was ihm offenbar ohne größere Mühe gelang.

Im Gegensatz dazu hätte Varzi dahinter seinen zweiten Platz kurz vor Schluss beinahe verloren, als er eingangs der letzten Runde mit seinem Bugatti noch einmal einen Reifenstopp einlegen musste. Er schaffte den Radwechsel jedoch in für damalige Verhältnisse unglaublichen 14 Sekunden, sodass er noch drei Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Dreyfus ins Ziel retten konnte.

Ergebnisse

Meldeliste

TeamNr.aFahrerInfoChassisMotorReifen
Monaco Scuderia Chiron-Caracciola02Monaco Louis ChironAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.3L I8 Kompressor
Dritte Französische Republik Marcel Lehoux04Dritte Französische Republik Marcel LehouxBugatti T51Bugatti 2.3L I8 Kompressor
Dritte Französische Republik Guy Moll06Dritte Französische Republik Guy MollAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.3L I8 Kompressor
Dritte Französische Republik Raymond Sommer08Dritte Französische Republik Raymond SommerAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.6L I8 KompressorM
Italien 1861 Scuderia Ferrari10Italien 1861 Mario Umberto BorzacchiniAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.6L I8 KompressorE
12Italien 1861 Eugenio Siena
22Italien 1861 Tazio NuvolariMaserati 8CMMaserati 3.0L I8 Kompressor
Italien 1861 Tazio NuvolariDNSbAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.6L I8 Kompressor
Italien 1861 Piero TaruffiRES
Dritte Französische Republik Automobiles Ettore Bugatti14Italien 1861 Achille VarziBugatti T51Bugatti 2.3L I8 KompressorM
16Vereinigtes Konigreich William Grover-Williams
18Dritte Französische Republik René Dreyfus
Italien 1861 Achille VarziDNScBugatti T59Bugatti 2.8L I8 Kompressor
Schweiz Edgard Markiewicz & Walter Grosch20Schweiz Edgard MarkiewiczBugatti T35BBugatti 2.3L I8 Kompressor
Schweiz Walter GroschDNAAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.3L I8 Kompressor
Italien 1861 Officine Alfieri Maserati24Italien 1861 Goffredo ZehenderMaserati 8CMMaserati 3.0L I8 Kompressor
Italien 1861 Giuseppe CampariDNAd
Schweiz Equipe Villars-WaldthausenSchweiz Horst von WaldthausenDNAeAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.3L I8 Kompressor
Schweiz Julio VillarsDNAe
Dritte Französische Republik Jean-Pierre WimilleDritte Französische Republik Jean-Pierre WimilleDNAAlfa Romeo MonzaAlfa Romeo 2.3L I8 Kompressor
Belgien Willy LonguevilleBelgien Willy LonguevilleDNAfBugatti T35BBugatti 2.3L I8 Kompressor
a Zum Zeitpunkt der Startnummernvergabe hatten einige Teilnehmer ihre Meldungen bereits zurückgezogen.
b Auto nur im Training benutzt; startete stattdessen auf Maserati.
c Auto nicht rennbereit; startete stattdessen mit einem T51.
d Verletzungsbedingt nicht angetreten; Auto stattdessen an Nuvolari.
e Keine Einigung über das Startgeld zustande gekommen.
f Auto nicht einsatzfähig.

Startaufstellung

Die Startpositionen wurden in der Reihe der ausgelosten Startnummern vergeben.

Dritte Französische Republik MollDritte Französische Republik LehouxMonaco Chiron
Italien 1861 BorzacchiniDritte Französische Republik Sommer
Vereinigtes Konigreich WilliamsItalien 1861 VarziItalien 1861 Siena
Schweiz MarkiewiczDritte Französische Republik Dreyfus
Italien 1861 ZehenderItalien 1861 Nuvolari

Rennergebnis

Pos.FahrerKonstrukteurRundenStoppsZeitStartSchnellste RundeAusfallgrund
01Italien 1861 Tazio NuvolariItalien 1861 Maserati404:09:11 h106:01 min
02Italien 1861 Achille VarziDritte Französische Republik Bugatti40+ 3:45 min7
03Dritte Französische Republik René DreyfusDritte Französische Republik Bugatti40+ 3:48 min9
04Dritte Französische Republik Marcel LehouxDritte Französische Republik Bugatti40+ 4:17 min2
05Italien 1861 Eugenio SienaItalien 1861 Alfa Romeo40+ 7:59 min6
06Vereinigtes Konigreich William Grover-WilliamsDritte Französische Republik Bugatti40+ 1 Runde8
07Dritte Französische Republik Raymond SommerItalien 1861 Alfa Romeo35+ 5 Runden4
Italien 1861 Mario Umberto BorzacchiniItalien 1861 Alfa Romeo22DNF5gebrochene Pleuelstange
Dritte Französische Republik Guy MollItalien 1861 Alfa Romeo20DNF3Kupplung- und Getriebeschaden
Monaco Louis ChironItalien 1861 Alfa Romeo20DNF1Differentialschaden
Schweiz Edgard MarkiewiczDritte Französische Republik Bugatti20DNF12Unfall
Italien 1861 Goffredo ZehenderItalien 1861 Maserati11DNF11defekte Kraftübertragung

Weblinks

Commons: Großer Preis von Belgien 1933 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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