Großer Preis der Schweiz 1947

Der VII. Große Preis der Schweiz fand am 8. Juni 1947 auf der Bremgarten-Rundstrecke in Bremgarten bei Bern statt. Das Rennen war das erste Grande Épreuve nach dem Zweiten Weltkrieg und wurde nach der für dieses Jahr neu festgelegten Internationalen Grand-Prix-Formel (Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum mit Kompressor oder bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor) ausgetragen. In zwei Vorläufen von je 20 Runde à 7,280 km qualifizierten sich jeweils zehn Teilnehmer für den Endlauf über 30 Runden, was einer Renndistanz von 145,6 km für die Vorläufe und 218,4 km für den Endlauf entsprach.

Sieger wurde Jean-Pierre Wimille auf einem Alfa Romeo Tipo 158 Alfetta.

Das Rennen

Das erste Grande Épreuve der Nachkriegszeit war gleichzeitig das erste Rennen der neuen Saison unter Beteiligung von Alfa Romeo. Mit seinen mittlerweile etwa 275 PS starken „Alfettas“ war das Team praktisch kaum noch zu schlagen, trat aber nicht zuletzt aufgrund des Aufwands zur Aufrechterhaltung eines solch hohen Niveaus jedoch nur bei den wirklich prestigeträchtigsten Rennen an. Entsprechend war auch die Fahrerbesetzung, bestehend aus dem wiedererstarkten und von seiner Drogensucht geheilten Vorkriegs-As Achille Varzi, seinem teamintern erbitterten Rivalen Jean-Pierre Wimille und dem bewährten Carlo Felice Trossi. Mit dem Einsatz von Chef-Testfahrer Consalvo Sanesi im vierten Auto kam Alfa Romeo als staatlich geführtes Unternehmen vor allem dem Verlangen der starken italienischen Gewerkschaften nach einem Vertreter der Arbeiterklasse neben den drei Herrenfahrern bei der Teambesetzung nach. Um angesichts der starken Rivalität zwischen den Fahrern allzu riskante Zweikämpfe auf der Strecke von vorneherein zu verhindern, hatte Alfa-Romeo-Rennleiter Giovanbattista Guidotti dabei für dieses Rennen Wimille als Sieger vorherbestimmt, wobei bei dieser Entscheidung sowohl auch politische Aspekte als auch Vermarktungsgründe eine Rolle spielten.

Hauptgegner für Alfa Romeo – sowohl an Qualität wie auch an Masse – waren die zahlreichen Maserati 4CL, die von verschiedenen Teams wie auch einigen Privatfahrern eingesetzt wurden, und immerhin die Hälfte des Teilnehmerfelds besetzten. Spitzenfahrer im Maserati-Lager waren Luigi Villoresi und der noch als Nachwuchsfahrer geltende Alberto Ascari für die Scuderia Ambrosiana, Raymond Sommer und der siamesische Prinz „B. Bira“ für die Scuderia Milan, sowie Grand-Prix-Veteran Louis Chiron, der für dieses Rennen einen Maserati 4CL des Schweizer Rennstalls Écurie Autosport angemietet hatte. Das 1939 zunächst noch als Voiturette herausgekommene Modell war zwar handlicher und leichter als die Alfetta, aber mit nur 220 PS an Motorleistung klar unterlegen. Und trotz der für einen Grand Prix ungewöhnlich kurzen Laufdistanzen des Berner Rennens, kam der 4CL im Gegensatz zu seinem übermächtigen Konkurrenten obendrein nicht ohne Tankstopp über die Runden.

Der Rest des Felds bestand im Wesentlichen aus einigen älteren britischen ERA, einer Anzahl von Delage Type D.6.70 Rennsportwagen sowie einigen ebenfalls zu Rennwagen umgewandelten (französisch: „coursifée“) Lago-Talbot und Delahaye, die jedoch mit dem Ausgang des Rennens von vorneherein nichts zu tun hatten.

Wie schon 1939 wurde das Rennen in Form von zwei Vor- und einem Hauptlauf ausgetragen, wobei die jeweils zehn besten Teilnehmer aus den beiden Qualifikationsrennen im Finalrennen startberechtigt waren. Ein großes Problem stellte am Renntag jedoch die nahezu unkontrollierbare Masse von über 100.000 Zuschauern dar, die den Rand der stets besonders unfallträchtigen schmalen, zum Teil mit tückischem Kopfsteinpflaster versehenen Rennpiste im Berner Bremgartenwald in dichten Reihen säumten. So kam es schon nach dem ersten Vorlauf, den Varzi mit seinem Alfa Romeo trotz eines heftigen Wolkenbruchs souverän vor seinem Teamkollegen Trossi gewonnen hatte, zu einem ersten tragischen Zwischenfall, als dem Sieger auf seiner Auslaufrunde ein neunjähriger Junge vors Auto lief, der bei dem Unfall auf der Stelle getötet wurde.

Im zweiten Vorlauf kam dann der Brite Leslie Johnson mit seinem umgebauten Talbot T150C-Rennsportwagen bei noch nicht wieder vollständig getrockneter Strecke von der Fahrbahn ab und tötete dabei zwei weitere Zuschauer, während Wimille und Sanesi auch hier den erwartungsgemäßen Alfa-Romeo-Erfolg sicherstellten.

Im Finalrennen konnte dann Sommer mit seinem Maserati dem hinter Wimille zweitplatzierten Alfa Romeo von Varzi überraschenderweise lange Zeit folgen, bis der Zweikampf zur Halbzeit des Rennens durch den fälligen Tankstopp des Maseratis entschieden wurde. Immerhin konnte der Franzose danach wenigstens den vierten Platz vor Sanesi behaupten und damit hinter Wimille, Varzi und Trossi einen Vierfachsieg für Alfa Romeo noch verhindern.

Meldeliste

TeamNr.FahrerInfoChassisMotorReifen
Frankreich Écurie Gersac02Frankreich Roger LoyerDelage Type D 6-3 LitresDelage 3.0L I6
08Frankreich Robert Klempenera
10Schweiz Ernst Hürzeler
12Frankreich Henri Louveau
14Frankreich Maurice Trintignant
02Frankreich „Pierre Levegh“RES
08Frankreich Jean AchardRES
Dritte Französische Republik Écurie France04Frankreich Eugène ChaboudbDelahaye 135S „Coursifée“Delahaye 3.6L I6
06Frankreich Yves Giraud-CabantousDNA
FrankreichFrankreich Écurie Naphtra Course16Frankreich „Raph“Maserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Frankreich Écurie Rosier18Frankreich Louis RosierTalbot-Lago T150SS „Coursifée“Talbot 4.0L I6
FrankreichFrankreich Société SIMEN20Frankreich Benoît FalchettoDNASIMEN-Bugatti Type 35/50B „Spéciale“Bugatti 4.5L I8
Italien Scuderia Milan22Frankreich Raymond SommercMaserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
48Italien Nello Pagani
52Thailand „B. Bira“dMaserati 6CM
50Italien Nino GriecoMaserati 1.5L I6 Kompressor
50Italien Arialdo RuggeriRES
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich R. Cowell & G. Watson24Vereinigtes Konigreich Gordon WatsonAlta „IFS“eAlta 1.5L I4 Kompressor
Vereinigtes Konigreich R. Ansell26Vereinigtes Konigreich Robert AnsellMaserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Vereinigtes Konigreich L. Johnson28Vereinigtes Konigreich Leslie JohnsonTalbot-Lago T150C „Coursifée“Talbot 4.0L I6
Vereinigtes Konigreich R. Mays30Vereinigtes Konigreich Raymond MaysERA D-TypeERA 1.5L I6 Kompressor
Italien Alfa Corse32Italien Consalvo SanesiAlfa Romeo 158Alfa Romeo 1.5L I8 Kompressor
34Italien Carlo Felice Trossi
36Italien Achille Varzi
38Frankreich Jean-Pierre Wimille
Italien G. Barbieri40Italien Guido BarbieriDNAMaserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Italien Scuderia E. Platé42Italien Enrico Platé/
Thailand („B. Bira“)f
Maserati 4CL(T)gMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Italien Scuderia Ambrosiana44Italien Luigi VilloresiMaserati 4CL(T)Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Schweiz Écurie Autosport46Monaco Louis ChironMaserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
54Schweiz Emmanuel de GraffenriedMaserati 4CL(T)
Schweiz C. Kautz56Schweiz Christian KautzDNAMaserati 4CLMaserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Schweiz A. Mandirola58Schweiz Adolfo MandirolaMaserati 6CM „Speziale“Maserati 1.5L I6 Kompressor
Thailand „B. Bira“60Thailand „B. Bira“DNAhMaserati 4CL(T)Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor
Monaco Écurie Lucy O’Reilly Schellk62Vereinigte Staaten Harry Schell/
Frankreich (Raymond de Saugé)j
Cisitalia D46Fiat 1.1L I4
64Frankreich Raymond de Saugél
a Klempener startete unter dem Pseudonym „Robert“.
b Die Meldung war ursprünglich noch durch die Écurie France erfolgt. Zum Zeitpunkt des Rennens hatte Chaboud das Team jedoch bereits im Streit verlassen und trat nun als Privatfahrer mit seinem eigenen Auto an.
c Sommer hatte ursprünglich als Privatfahrer gemeldet, fuhr dann aber mit derselben Startnummer ein Auto der Scuderia Milan.
d Nach Defekt im Vorlauf trat „B. Bira“ zum Finalrennen stattdessen mit dem Auto von Enrico Platé an.
e Mangels verfügbarer Modellbezeichnung wird in der Literatur allgemein „IFS“ (für Independent Front Suspension; deutsch: unabhängige Vorderrad-Aufhängung) als Typangabe verwendet.
f Für das Finalrennen übergab Platé das Auto an „B. Bira“.
g Bei Maseratis aktueller Baureihe wurden die bisherigen Profilträger im Chassis nun durch einen Rohrrahmen (Italienisch: „tubolare“) ersetzt, einige Fahrzeuge wurden außerdem mit Motoren mit zweistufiger Kompressoraufladung ausgerüstet. Ansonsten entsprach die Konstruktion wie auch die Formgestaltung jedoch dem ursprünglichen Modell, wie auch die Typbezeichnung 4CL weiterhin beibehalten wurde.
h Nicht unter dieser Bewerbung angetreten; fuhr stattdessen mit Startnummer 52 im Vorlauf und mit Startnummer 42 im Endlauf.
j Für das Finalrennen übergab Schell das Auto an de Saugé.
k Das Team gab bisweilen auch Nennungen unter der Bezeichnung Écurie Bleue ab.
l Nach Defekt im Vorlauf übernahm de Saugé für das Finalrennen das Auto von Schell.

Klassifikation

Vorlauf 1

Startaufstellung

321
Thailand „B. Bira“
3:02,2 min
Italien Varzi
2:55,5 min
Italien Trossi
2:42.9 min
54
Vereinigtes Konigreich Ansell
3:16,7 min
Vereinigtes Konigreich Mays
3:10,0 min
876
Italien Grieco
3:27 min
Frankreich de Saugé
3:23,1 min
Italien Pagani
3:22,1 min
109
Vereinigte Staaten Schell
3:37,0 min
Vereinigtes Konigreich Watson
3:27,9 min
1211
Italien Platé
4:07,1 min
Frankreich „Robert“
3:45,5 min

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrund
136Italien Achille VarziItalien Alfa Romeo201:03:37,5 h
234Italien Carlo Felice TrossiItalien Alfa Romeo201:03:38,1 h
330Vereinigtes Konigreich Raymond MaysVereinigtes Konigreich ERA201:06:00,9 h
448Italien Nello PaganiItalien Maserati201:06:20,0 h
526Vereinigtes Konigreich Robert AnsellItalien Maserati201:07:03,3 h
650Italien Nino GriecoItalien Maserati17+ 3 Runden
762Vereinigte Staaten Harry SchellItalien Cisitalia17+ 3 Runden
842Italien Enrico PlatéItalien Maserati15+ 5 Runden
DNF24Vereinigtes Konigreich Gordon WatsonVereinigtes Konigreich Alta11Riss im Tank
DNF52Thailand „B. Bira“Italien Maserati7Hinterachse
DNF64Frankreich Raymond de SaugéItalien Cisitalia3Zündung
DNF52Frankreich „Robert“Frankreich Delage2Lenkung

Schnellste Rennrunde: Italien Carlo Felice Trossi (Alfa Romeo), 3:01,0 min = 144,8 km/h

Vorlauf 2

Startaufstellung

321
Italien Sanesi
3:02,4 min
Italien Villoresi
2:58,1 min
Frankreich Wimille
2:47,9 min
54
Vereinigtes Konigreich Johnson
3:19,4 min
Frankreich Sommer
3:15,8 min
876
Frankreich Trintignant
3:24,7 min
Frankreich Louveau
3:23 min
Monaco Chiron
3:19,4 min
109
Frankreich Rosier
3:27,7 min
Frankreich Chaboud
3:25 min
131211
Schweiz Mandirola
3:47,9 min
Schweiz Hürzeler
3:40,0 min
Frankreich Loyer
3:28 min
1514
Schweiz de Graffenried
(unbekannt)
Frankreich „Raph“
(unbekannt)

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrund
138Frankreich Jean-Pierre WimilleItalien Alfa Romeo2057:46,3 min
232Italien Consalvo SanesiItalien Alfa Romeo2059:56,5 min
344Italien Luigi VilloresiItalien Maserati201:00:15,0 h
446Monaco Louis ChironItalien Maserati201:00:18,7 h
522Frankreich Raymond SommerItalien Maserati201:00:43,3 h
616Frankreich „Raph“Italien Maserati18+ 2 Runden
714Frankreich Maurice TrintignantFrankreich Delage18+ 2 Runden
812Frankreich Henri LouveauFrankreich Delage18+ 2 Runden
954Schweiz Emmanuel de GraffenriedItalien Maserati18+ 2 Runden
104Frankreich Eugène ChaboudFrankreich Delahaye18+ 2 Runden
114Frankreich Louis RosierFrankreich Talbot17+ 3 Runden
1210Schweiz Ernst HürzelerFrankreich Delage15+ 5 Runden
DNF28Vereinigtes Konigreich Leslie JohnsonFrankreich Talbot11Unfall
DNF2Frankreich Roger LoyerFrankreich Delage6Pleuellager
DNF58Schweiz Adolfo MandirolaItalien Maserati1Schalthebel

Schnellste Rennrunde: Frankreich Raymond Sommer (Maserati), 2:56,6 min = 157,3 km/h

Finale

Startaufstellung

321
Italien SanesiItalien VarziFrankreich Wimille
54
Italien VilloresiItalien Trossi
876
Italien PaganiMonaco ChironVereinigtes Konigreich Mays
109
Vereinigtes Konigreich AnsellFrankreich Sommer
131211
Frankreich TrintignantItalien GriecoFrankreich „Raph“
1514
Frankreich LouveauFrankreich de Saugé
181716
Frankreich ChaboudSchweiz de GraffenriedThailand „B. Bira“
2019
Schweiz HürzelerFrankreich Rosier

Rennergebnis

Pos.Nr.FahrerKonstrukteurRundenZeitAusfallgrund
138Frankreich Jean-Pierre WimilleItalien Alfa Romeo301:25:09,1 h
236Italien Achille VarziItalien Alfa Romeo301:25:53,8 h
334Italien Carlo Felice TrossiItalien Alfa Romeo301:27:27,5 h
422Frankreich Raymond SommerItalien Maserati29+ 1 Runde
532Italien Consalvo SanesiItalien Alfa Romeo29+ 1 Runde
644Italien Luigi VilloresiItalien Maserati29+ 1 Runde
748Italien Nello PaganiItalien Maserati28+ 2 Runden
842Thailand „B. Bira“Italien Maserati28+ 2 Runden
954Schweiz Emmanuel de GraffenriedItalien Maserati27+ 3 Runden
1016Frankreich „Raph“Italien Maserati27+ 3 Runden
1116Vereinigtes Konigreich Robert AnsellItalien Maserati26+ 4 Runden
1212Frankreich Henri LouveauFrankreich Delage26+ 4 Runden
1346Monaco Louis ChironItalien Maserati25+ 5 Runden
1410Schweiz Ernst HürzelerFrankreich Delage25+ 5 Runden
1518Frankreich Louis RosierFrankreich Talbot25+ 5 Runden
164Frankreich Eugène ChaboudFrankreich Delahaye24+ 6 Runden
1750Italien Nino GriecoItalien Maserati24+ 6 Runden
DNF30Vereinigtes Konigreich Raymond MaysVereinigtes Konigreich ERA23Antriebsstrang
DNF14Frankreich Maurice TrintignantFrankreich Delage11Benzinpumpe
DNF64Frankreich Raymond de SaugéItalien Cisitalia7Differential

Schnellste Rennrunde: Frankreich Jean-Pierre Wimille (Alfa Romeo), 2:47,0 min = 156,9 km/h



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