Griechische Zahlzeichen

͵αωκαʹ
1821 als milesische Zahl
(Beginn der Griechischen Revolution)
ΧΧΔΔʹ
2020 als akrophonische Zahl
Zahlenwerte
BuchstabeAkro-
phon
The-
sis
Mile-
sisch
Alphaα11
Betaβ22
Gammaγ33
Deltaδ1044
Epsilonε55
Stigmaϛ6
Zetaζ67
Etaη10078
Thetaθ89
Iotaι1910
Kappaκ1020
Lambdaλ1130
Myμ100001240
Nyν1350
Xiξ1460
Omikronο1570
Piπ51680
Qoppaϟ90
Rhoρ17100
Sigmaσ18200
Tauτ19300
Ypsilonυ20400
Phiφ21500
Chiχ100022600
Psiψ23700
Omegaω24800
Sampiϡ900

Die griechischen Zahlen werden durch Buchstaben als Ziffern dargestellt. Dabei sind drei verschiedene Darstellungsarten zu unterscheiden:

Das akrophonische Prinzip setzte bei den Anfangsbuchstaben der Zahlwörter an, während die beiden anderen Darstellungsformen jeweils von der Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet ausgingen, denen dann entweder nach dem milesischen Prinzip dekadisch gestufte Zahlwerte oder aber nach dem Thesis-Prinzip unmittelbar aus deren Stellung im Alphabet abgeleitete Zahlwerte zugeordnet wurden. Letzteres fand aber, da es auf nur 24 Werte beschränkt ist, bei den Mathematikern keine Verwendung.

Das alphabetische Zahlensystem ist eine Idee der Griechen. Andere Alphabete wurden erst später nach ihrem Modell adaptiert. Das Prinzip des Systems selbst ist jedoch schon in der hieratischen und der demotischen Schreibweise der ägyptischen Zahlen gebräuchlich. Das alphabetische Zahlensystem war im alten Griechenland das bei weitem bedeutendste. Es war das Standard-Zahlensystem aller griechischen Mathematiker von der Antike bis zur Neuzeit, das heißt bis zur Übernahme der indischen Ziffern in der modernen europäischen Mathematik.

Seit hellenistischer Zeit wurde das griechische alphabetische Zahlensystem auch bei numerologisch orientierten gematrischen Praktiken im Bereich der Zahlenexegese, der Onomatomantik und der Magie verwendet.

Es wird im Griechischen auch heute noch vielfach zur Schreibung von Ordinalzahlen verwendet (beispielsweise für Herrschernamen, der Verwendung der römischen Zahlen im Deutschen vergleichbar), während für Kardinalzahlen auch im Griechischen heute normalerweise – wenn nicht Wert auf eine betont traditionelle Schreibweise gelegt wird – die dezimalen indo-arabischen Ziffern üblich sind. Jedem heutigen Griechen sind die alten Zahlen noch geläufig, beispielsweise erfolgt die Zählung der Schulklassen nach dem alten System: Ein Kind, welches die fünfte Klasse besucht, ist also in der Epsilon-Klasse.

Entsprechend dem griechischen Vorbild wurden fast alle Alphabete, beispielsweise das hebräische Alphabet, das arabische Alphabet, das kyrillische Alphabet und die meisten anderen Alphabete als Zahlenalphabete adaptiert. Da aber in Westrom und später in Westeuropa bis Ende des Mittelalters die römischen Zahlen als Standard-Zahlensystem galten, wurde das lateinische Alphabet bis in die neuzeitliche Epoche nie adaptiert.[1] Im oströmischen Reich verwendete man während des Mittelalters die griechischen alphabetischen Zahlen.

Die akrophonischen Zahlen

Etwa seit Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. ist der Gebrauch der akrophonischen Zahlen attestiert. Dabei werden die Anfangsbuchstaben des Zahlwortes zur Schreibung des entsprechenden Zahlwertes eingesetzt. Es ergibt sich ein System ganz ähnlich den – nahezu gleichzeitig entwickelten – römischen Zahlen.

Es galt: Ι (von ἴοςíos(1) „eins“) = 1, Π(2) (von πέντεpénte „fünf“) = 5, Δ (von δέκαdéka „zehn“) = 10, Η (von ἑκατόνhekatón(3) „hundert“) = 100, Χ (von χίλιοιchílioi „tausend“) = 1000 und Μ (von μυριάςmyriás „zehntausend“) = 10 000.

Neben fünf gleich pi wie pente, gibt es auch Zeichen für 50, 500, 5000 und 50000. Dabei werden 10, 100, 1000 und 10000 in das Pi hineingeschrieben, was einer Multiplikation mit fünf entspricht, wodurch eine fünffache Aneinanderreihung der gleichen Ziffer vermieden wird.

(1) 
Archaisches Wort, später nur noch in Epen benutzt.
(2) 
Darstellung gewöhnlich in der archaischen Form mit verkürztem rechten Schenkel, so dass leicht eine Verwechslung mit Γ (Gamma) möglich ist, vergleiche in folgender Tabelle.
(3) 
In archaischem Griechisch noch mit Η geschrieben, siehe ausführlicher unter Heta.
Die Werte der akrophonischen Zahlen im Vergleich zu den römischen Zahlen.
Ιattische akrophonische Zahl 5, Pi mit rechtem verkürztem SchenkelΔattische akrophonische Zahl 50, wie die akrophonische Zahl 5 mit einem eingeschriebenen DeltaΗattische akrophonische Zahl 500, wie die akrophonische Zahl 5 mit einem eingeschriebenen EtaΧattische akrophonische Zahl 5000, wie die akrophonische Zahl 5 mit einem eingeschriebenen ChiΜattische akrophonische Zahl 5000, wie die akrophonische Zahl 5 mit einem eingeschriebenen My
15105
×
10
1005
×
100
10005
×
1000
100005
×
10000
50500500050000
IVXLCDMVXL

Beispiel: 1982 = Χ attische akrophonische Zahl 500ΗΗΗΗ attische akrophonische Zahl 50ΔΔΔΙΙ = MCMLXXXII

Die alphabetischen Zahlen

Lineares, defektives System nach dem Thesis-Prinzip

Als „Thesis-System“ bezeichnet man in der Forschung in Anknüpfung an eine Formulierweise Artemidors ein lineares Zahlenalphabet, bei dem die Zahlwerte der Buchstaben sich ohne sonstiges Steigerungsprinzip oder andere Rechenoperationen unmittelbar schon aus der Stellung (thesis) des jeweiligen Buchstabens in der Reihenfolge des Alphabets ergeben. Als Hinweis darauf, dass ein solches Thesis-System nach dem Prinzip Alpha bis Omega = 1 bis 24 (also ohne die drei numerischen Sonderzeichen Digamma [auch Stigma], Qoppa und Sampi) auch in der griechischen Kultur der Antike schon eine Rolle gespielt haben könnte, hat man insbesondere die Überlieferung von Homers Ilias und Odyssee bewertet, deren jeweils 24 Gesänge zumindest in der Tradition der alexandrinischen Grammatiker nach den Buchstaben des Alphabets nummeriert und zitiert werden, ferner Zählbuchstaben auf den Friestafeln des Pergamonaltars und für Werte kleiner als Zehn (insofern ohne eindeutiges Indiz für ein Thesis-System) auf Lostafeln oder zur Bezeichnung der Stadtteile von Alexandria.

αβγδεζηθικλμνξοπρστυφχψω
123456789101112131415161718192021222324

Entwicklung des milesischen Zahlensystems

Seit Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. sind die sogenannten hieratischen Zahlen bezeugt. Es handelte sich dabei um die Zusammenziehungen der noch älteren, analogen Darstellung der ägyptischen Hieroglyphenzahlen.[2] In ihrer ursprünglichen Form wurde beispielsweise die Zahl 397 als drei Kringelchen (dreihundert) plus neun Bögchen (neunzig) und sieben Striche dargestellt. Jede einzelne Stelle war zunächst separat, wurde aber später zu einem Zeichen, einer Ziffer, zusammengezogen. Diese Ziffern wurden zum Beispiel auch im Rhind-Papyrus verwendet.

Die demotische Schrift vereinfachte die Ziffern nochmals. Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. kamen die Griechen auf die Idee, die ersten drei der aus jeweils neun Ziffern bestehenden hieratisch-demotischen Zahlenreihen durch die Buchstaben ihres eigenen Alphabets zu ersetzen. Seither spricht man vom „alphabetischen Zahlensystem“. Es teilt das Alphabet in drei Gruppen von je neun Zeichen für die Darstellung der Einer, der Zehner und der Hunderter.

Um die hierfür benötigte Gesamtzahl von 3 × 9 = 27 Zeichen zur Verfügung zu haben, wurden zum Zweck der Zahlendarstellung drei alte Buchstaben, die im klassischen griechischen Alphabet nicht vorkommen, als Vorbild für drei neue Zeichen benutzt.[3] In dieser Form ist es als milesisches System bekannt.

  • 6 = Ϝ, Digamma – Es entspricht dem lateinischen F. Als Minuskel wird die Wortende-Variante des Sigmas (ς) zusammen mit einem Tau (τ) als Ligatur (ϛ) verwendet, die auch als Stigma gedeutet wird. In heutigen Druckwerken wird meistens die Buchstabenkombination sigma-tau (στ) verwendet.
  • 90 = Ϙ/Ϟ, Qoppa oder Koppa – Das ist das alte Qoph und entspricht dem lateinischen Q. Ursprünglich geschrieben in der Form Ϙ (Minuskel ϙ), später vor allem in der Schreibform Ϟ (Minuskel ϟ).
  • 900 = Ϡ, Tsampi oder Sampi – Das entspricht dem phönizischen Sade (San) sowie dem hebräischen Tzade; Minuskel ϡ.

Während Ϝ und Ϙ/Ϟ ihren ursprünglichen Platz im Alphabet einnehmen, wurde das alte San oder Tzade, das eigentlich zwischen Π und Ϙ steht, als Tsampi auf den letzten Platz gesetzt.

Mit diesen 27 Zeichen und den ihnen fest zugeordneten Zahlwerten ließen sich durch additive Verbindung von Einern, Zehnern und Hundertern bereits die Zahlen 1 bis 999 schreiben, also 8 = η (Eta), 88 = πη (Pi + Eta = 80 + 8), 318 = τιη (Tau + Iota + Eta = 300 + 10 + 8). Ein Zeichen für die Null gab es nicht und war für die Zwecke der Zahlschreibung auch nicht erforderlich, indem man etwa 200 = σ (Sigma), 202 = σβ (Sigma + Beta = 200 + 2), 220 = σκ (Sigma + Kappa = 200 + 20) schrieb.

Um die Zahlen im Schriftbild von Wörtern zu unterscheiden, wurden erstere in den Handschriften meist mit einem Strich überschrieben, beispielsweise τι = 310, während sich hierfür im Zeitalter des Buchdrucks ein apostroph-artiges Zeichen eingebürgert hat, das hinter der Zahlzeichenreihe gesetzt wird:  ʹ  (δεξιά κεραίαdexia keréa „rechter Strich“), in Unicode U+0374[4]. Ist die Identität als Zahl aber klar, wird darauf manchmal auch verzichtet.

Auch die Zahlen zwischen 1000 und 9999 können dargestellt werden: Dazu wurde der erste Zahlbuchstabe durch Hinzufügung eines diakritischen Zeichens mit Tausend multipliziert. Handschriftlich verwendet man meist ein Zeichen, das in Form eines kleinen nach links offenen Hakens links oben vor der Ziffer steht. Im Buchdruck hat sich dafür ein tiefgestellter Apostroph durchgesetzt:  ͵  (αριστερή κεραίαaristerí keréa „linker Strich“), in Unicode U+0375[4].

αβγδεϛζηθ
123456789
ικλμνξοπϟ
102030405060708090
ρστυφχψωϡ
100200300400500600700800900
͵α͵β͵γ͵δ͵ε͵ϛ͵ζ͵η͵θ
100020003000400050006000700080009000

Erweiterung des Zahlenraums

Die Standard-Erweiterung bis hundert Millionen

Bis heute ist in Griechenland der Gebrauch des Zahlwortes Million unüblich. Man spricht stattdessen von „hundert Myriaden“ (εκατομμύριοekatommýrio), eine Myriade entspricht der Zehntausend. Die Zahl 99 Millionen 999 Tausend 999 wurden in der Antike 9999 Myriaden 9999 ausgesprochen. Dies ist traditionell die höchste Zahl des griechischen Zahlensystems. Diese Zahl kann problemlos und eindeutig als  ͵Θϡϟθ Μ ͵Θϡϟθ  geschrieben werden; wobei „Μ“ die Myriaden bedeuten (ein eventuelles Μ = 40 000 kommt ja im System nicht vor).

Ebenso schreibt beispielsweise Aristarchos von Samos 71 Millionen 755 Tausend 875 als 7175 Myriaden 5875:  ͵ΖΡΟΕ Μ ͵ΕΩΟΕ , während Diophantos von Alexandria beispielsweise bei 4372 Myriaden 8097 (43 Millionen 728 Tausend [0]97) das Symbol für die Myriaden gar auf einen Punkt reduziert:  ͵ΔΤΟΒ . ͵ΗϞΖ .

Um die Myriadenzahlen klar zu kennzeichnen, bevorzugte man es in der Antike, die Einheiten der Myriaden über das akrophonische Μ-Symbol zu schreiben. Zum Beispiel wurde die Zahl „zwei Myriaden sieben hundert vier“ deshalb meistens so dargestellt:  ʹψδ.

Heute verwendet man die Zahlwörter δισεκατομμύριο(disekatommýrio) = 1 000 000 000, τρισεκατομμύριο(trisekatommýrio) = 1 000 000 000 000 und so weiter.

Die Potenz-Erweiterung bis 10 hoch 36

Ein anderes, aber sehr selten gebrauchtes System für die Darstellung der großen Zahlen findet sich bei Apollonios von Perge, der nach dem Zeugnis des Pappus von Alexandria Myriaden erster, zweiter, dritter usw. bis neunter Ordnung in aufsteigender Potenz unterschied, indem er das Μ mit den Zeichen α bis θ = 1 bis 9 überschrieb, die hierbei folglich nicht mehr als Multiplikator, sondern wie der Exponent einer Potenz bewertet wurden. Als Darstellung der Zahl 5 462 360 064 000 000 ergab sich damit eine Schreibung wie die folgende:

͵ΕΥΖΒ͵ΓΧ͵ϜΥ
100003 × 5462+100002 × 3600+100001 × 6400

Siehe auch

Literatur

  • Franz Dornseiff: Das Alphabet in Mystik und Magie. 2. Auflage. Teubner, Leipzig u. a. 1925 (Stoicheia 7, ZDB-ID 517025-4), (Nachdruck: Reprint-Verlag, Leipzig 1994, ISBN 3-8262-0400-X).
  • Gottfried Friedlein: Die Zahlzeichen und das elementare Rechnen der Griechen und Römer und des christlichen Abendlandes vom 7. bis 13. Jahrhundert. Deichert, Erlangen 1869 (unveränderter Neudruck: Sändig Reprint Verlag Wohlwend, Vaduz 1997).
  • Georges Ifrah: Histoire universelle des chiffres. Seghers, Paris 1981, ISBN 2-221-50205-1 (deutsch: Universalgeschichte der Zahlen. Campus Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-593-33666-9).
  • Karl Menninger: Zahlwort und Ziffer – eine Kulturgeschichte der Zahl. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Band 2 (Zahlschrift und Rechnen). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1958, S. 76–79 (Digitalisat, Münchener Digitalisierungszentrum).

Einzelnachweise

  1. Erst Athanasius Kircher beschreibt in seinem Oedipi Aegyptiaci, 1635, Band II, Erster Teil, Seite 488 ein solches latinisiertes System, jedoch noch ohne J, U und W, auf 23-Buchstaben-Basis. Deshalb K = 10, T = 100 und Z = 500. Seit einigen Jahren existiert auch ein vorgeschlagenes 27-Buchstaben-System, das sogenannte AJR-System.
  2. J. J. O’Connor, E. F. Robertson: Egyptian numerals. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
  3. Michael Everson: On Greek Letter Koppa. (PDF, 250 kB) ISO/IEC JTC1/SC2/WG2, 12. Dezember 1998, abgerufen am 20. Juni 2024.
  4. a b Unicodeblock Griechisch und Koptisch; Unicode Character Code Charts: Greek and Coptic (englisch). unicode.org (PDF; 316 kB).

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