Grenzhochspannungshindernis

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Grenzhochspannungshindernis in der Gemeinde Sluis, Schild mit Aufschrift „Achtung – Hochspannung – Lebensgefahr“

Der Hochspannungszaun in Belgien, offizielle deutsche Bezeichnung Grenzhochspannungshindernis, französisch Clôture électrique, niederländisch De elektrische draadversperring, kurz auch De Draad, Dodendraad oder Dodenhek (Der Draht, Totendraht oder Totenzaun) genannt, erstreckte sich während des Ersten Weltkrieges von 1915 bis 1918 an der Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden auf einer Länge von 300 Kilometern vom damaligen Vierländereck bei Neutral-Moresnet bis zur belgischen Nordseeküste bei Knokke.

Vorgeschichte

Der Bau des Zaunes wurde 1915 vom deutschen Generalgouvernement Belgien beschlossen, um die offene Grenze zu den Niederlanden zu sperren. Sie konnte durch deutsche Landsturmtruppen nur schlecht gesichert werden. Über diese Grenze verließen tausende Belgier das Land, vor allem nachdem der belgische König Albert I. und der Erzbischof des Erzbistums Mecheln Désiré-Joseph Mercier Ende 1914 einen Aufruf für Kriegsfreiwillige verbreitet hatten. Auch Schmuggler und Agenten überquerten häufig die Grenze.

Schon zu Jahresbeginn 1915 hatte die deutsche Führung am südlichen Ende der Westfront, an der elsässischen Grenze zur Schweiz, eine elektrische Drahtsperre von elf Kilometern Länge errichten lassen.

Das Grenzhochspannungshindernis

Die Arbeiten begannen annähernd gleichzeitig in sieben Betriebsabschnitten, zuerst im 1,8 km langen Abschnitt von Vaals/Aachener Stadtteil Vaalserquartier bis zum damaligen Vierländereck. Hierzu wurde die Kgl. Bay. Landsturm-Pionier-Kompanie Nr. 1 und Teile des 60. Armierungs-Bataillons eingesetzt.[A 1] Dieser Abschnitt wurde am 23. August 1915 unter Hochspannung gesetzt; ab dem 29. August war die Anlage bis zur Maas in Betrieb.

Das Hindernis bestand aus drei Zäunen mit dazwischen liegenden Patrouillengängen. Ein Warnzaun aus Stacheldraht stand zur niederländischen Seite hin, dann kam der eigentliche Hochspannungszaun und ein weiteres Drahthindernis zur deutschen bzw. belgischen Seite hin sollte Personen fernhalten. Davor wurde eine 100 bis 200 Meter breite Sperrzone ausgewiesen, bei deren Betreten ohne Warnung geschossen werden konnte.

Durch Berühren des Drahtes wurde akustischer Alarm ausgelöst. Verschiedene Streckenabschnitte wurden nachts mit Scheinwerfern ausgeleuchtet. Die einzelnen Schalthäuser waren durch Fernsprechleitungen miteinander verbunden.

Das Grenzhochspannungshindernis wurde durch verschiedene, im Laufe der Zeit wechselnde deutsche Truppenteile gesichert. So war das Dragoner-Regiment „König“ (2. württembergisches) Nr. 26 von Oktober 1916 bis Oktober 1918 für den Abschnitt LommelHammont – Hugbrechts-Lille – Bree verantwortlich.

Der Hochspannungszaun

Der eigentliche Hochspannungszaun war knapp zwei Meter hoch und bestand aus Holzstangen[A 2], an denen Porzellanisolatoren in Abständen von 20 bis 30 cm übereinander befestigt waren. Die Isolatoren waren durch Kupfer- oder Zinkdrähte[A 3] verbunden. Später wurden die Längsdrähte durch senkrecht laufende Drähte verbunden, um ein Hindurchschlüpfen zu verhindern.

Die Spannung wurde entweder über nahegelegene Fabriken oder über eigene Zuleitungen und Transformatorenhäuser eingespeist. Zur Spannungsregelung vor Ort wurden etwa alle zwei Kilometer Schalthäuser entlang der Grenze aufgestellt. Um Leistung zu sparen, wurde er in einzelnen Abschnitten zu jeweils unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten ein- und ausgeschaltet. Ein Streckenmeister war jeweils für einen Abschnitt zwischen zwei Schalthäusern verantwortlich. Er konnte die Spannung abschalten und kontrollierte den Zustand des Zauns, der von Grenzgängern häufig beschädigt wurde.

In den ländlichen Grenzgebieten war damals Elektrizität und ihre Eigenschaft noch kaum bekannt. Die Bevölkerung wurde durch Bekanntmachungen[A 4] und Schilder in der Nähe des Grenzhochspannungshindernisses gewarnt.

Nutzen

Trotz der Sperre gelangten zwischen 1915 und 1918 rund 20.000 belgische Kriegsfreiwillige in die Niederlande. Auch Post und Lebensmittel wurden weiter nach Belgien geschmuggelt. Zum Überwinden das Hochspannungszauns wurden neben dem Durchschneiden der Drähte mit isolierten Zangen zum Teil abenteuerliche Methoden angewandt wie das Schieben eines Fasses ohne Deckel und Boden zwischen die Drähte, um hindurchzukriechen, das Bedecken des Zauns mit Gummimatten, das Verwenden von Gummianzügen oder Bekleidungsstücken, die mit Porzellanplättchen besetzt waren, bis hin zum Überspringen (Stabhochsprung). Zwei- bis dreitausend Menschen kamen am Grenzhochspannungshindernis ums Leben.

Nach Kriegsende verschwand der Zaun recht schnell, da Bauern die Pfähle und den Draht zum Bau von Weidezäunen verwendeten. Mit dem Zaun verblasste zunächst auch die Erinnerung daran. Erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts riefen Nachforschungen die Barriere ins Bewusstsein zurück.

Denkmal für die Opfer des deutschen Elektrozauns im Ersten Weltkrieg

Heute

1920 ließ Graf D’Oultrement ein Mahnmal in einem Waldstück beim belgischen Dorf Sippenaeken in der Nähe des heutigen deutsch-belgisch-niederländischen Dreiländerecks aufstellen. Am 10. Mai 1940 sprengten deutsche Truppen das Mahnmal. 1962 wurde an derselben Stelle ein neuer Gedenkstein errichtet.

2000 wurde an der Grenze bei Hamont-Achel ein Stück des Grenzhindernisses rekonstruiert.[1]

Literatur

  • Südwestrundfunk SWR2 Wissen, Sendung: Freitag, 24. Mai 2002, 8.30 Uhr, Archiv-Nr.: 051-5393 Transkript, abgerufen 6. Februar 2010 (RTF; 43 kB)
  • A. Vanneste: Kroniek van een dorp in oorlog. Neerpelt 1914–1918. Het dagelijks leven, de spionage en de elektrische draadversperring an de Belgisch-Nederlandse grens tijdens de Eerste Wereldoorlog, Deurne 1998 (mit faksimilierter Karte zum Zaunverlauf!)
  • A. Vanneste: Het eerste 'IJzeren Gordijn'? De elektrische draadversperring aan de Belgisch-Nederlandse grens tijdens de Eerste Wereldoorlog, Het Tijdschrift van Dexia Bank, LIV, 2000, no. 4, pp. 39–82.
  • WDR – Radio 5 am 6. April 1998, Martin Herzog: Der Zaun – Auf den Spuren eines unbekannten Todesstreifens Transkript, abgerufen 6. Februar 2010
  • Artikel in der Zeit zum Elektrozaun an der Grenze zwischen Belgien und Deutschland, abgerufen am 6. Februar 2010.
  • Herbert Ruland: Der Elektrozaun im Grenzland von 1915–1918, in: Grenzgeschichte Sektion Ostbelgien, Jahresendwendausgabe 2005, PDF

Weblinks

Commons: Wire of Death – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. SWR2: „Lüttich, den 23. Juni 1915.
    Für die Herstellung des durch das Generalgouvernement empfohlenen Hochspannungszaunes an der belgisch-holländischen Grenze ist an Personal erforderlich:
    a) An technischem Personal: Absendung von der 2. Landsturm-Pionier-Kompagnie: ein Hauptmann, drei Offiziere, 70 Unteroffiziere und Gemeine
    b) an Hilfsarbeitern: Absendung vom Armierungsbataillon: 80 Mann mit entsprechendem Aufsichtspersonal, möglichst Techniker, sowie Holz- und Eisenarbeiter. Die Arbeitszeit wird voraussichtlich sieben bis acht Wochen dauern. …
    Die Herstellungsarbeiten am Hochspannungszaun beginnen am Montag den 28. diesen Monats.
    Weiterer Auftrag folgt.
    Gezeichnet Riecke, Oberstleutnant.“
  2. SWR2: „An die Zweite Bayerische Landsturm Pionier Kompagnie:
    Die Stangen sind am unteren Teil, der in die Erde versenkt wird, vorher mit Teer zu tränken. Es dürfte auch hier, ähnlich wie bei den Pfählen, zweckentsprechend sein, die Teerung vor dem Abtransport zu den Gebrauchsstellen in der Nähe der genannten Bahnhöfe vornehmen zu lassen. Die Stangen sind nach der Ankunft alsbald zu entladen, zu prüfen und zum Abtransport in die Gebrauchsstellen sicher zu stellen.“
  3. SWR2: „An die Zweite Bayerische Landsturm Pionier Kompagnie:
    Der Kompagnie wird nachstehend die Bestellung von 26 Tonnen vier Millimeter starken verzinkten Eisendraht, elf Tonnen drei Millimeter starken verzinkten Eisendraht und 500 Kilogramm zwei Millimeter starken verzinkten Bindedraht bei der Portifikation in Antwerpen zur Kenntnis übersandt.
    - von 45.000 Isolatoren zum Preis von 10,– Mark zu 1.000 Stück bei der Firma Gebrüder Pohl, Schmiedeberg, Riesengebirge, zur Kenntnis übersandt. Die Isolierrollen müssen je zur Hälfte nach den Bahnhöfen in Visé und Bleyberg übersandt werden. “
  4. Martin Herzog: „Achtung! Lebensgefahr!
    Längs der belgisch-holländischen Grenze ist ein mit elektrischem Starkstrom geladener Zaun errichtet worden. Jedes Berühren des durch Warnungstafeln kenntlich gemachten Zaunes ist unbedingt tödlich, ebenso die Berührung von Menschen, Tieren oder Gegenständen, die im Zaun hängen geblieben sind.
    Das Überschreiten des Zaunes ist streng verboten. Die Truppen sind angewiesen, bei jedem Versuch der Zuwiderhandlung von der Waffe Gebrauch zu machen.
    Lüttich, den 18. August 1915
    Das Gouvernement“

Einzelnachweise

  1. De Dodendraad – de Draad des Doods

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SpaarnestadPhoto-Wire-of-Death-SFA001009994.jpg
(c) Nationaal Archief/Collectie Spaarnestad Photo/Het Leven/Fotograaf onbekend, CC BY-SA 3.0
The Wire of Death (Dutch: Dodendraad) was a lethal electric fence created by the German military to control the Dutch-Belgian frontier during the occupation of Belgium during the First World War. Photo take in Sluis, the Netherlands
Hochspannungszaun Belgien-Holland 2.jpg
Das Grenzhochspannungshindernis an der belgisch-niederländischen Grenze 1915 - 1918
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Das Grenzhochspannungshindernis an der belgisch-niederländischen Grenze 1915 - 1918
Sippenaeken Elektrozaungedenktafel.jpg
Autor/Urheber: Norbert Schnitzler, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Denkmal zwischen Sippenaeken und Teuven für die belgischen und alliierten Opfer des deutschen Elektrozauns im Ersten Weltkrieg. Text: "Den belgischen - alliierten Opfern die hier durch den elektrischen Draht ihr Leben ließen 1914-1918. Errichtet durch Herrn Grafen J. d'Oultremont 1920. Verstümmelt durch die Nazis 1940-1945. Restauriert 1962."
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Das Grenzhochspannungshindernis an der belgisch-niederländischen Grenze 1915 - 1918