Great Migration (20. Jahrhundert)

Als Great Migration (englisch: „Große Migration“ bzw. „Große Wanderung“) wird eine Wanderungsbewegung von etwa 6 Millionen Afroamerikanern aus den ländlichen Gebieten der Südstaaten der USA in die Industriestädte des Nordens, Nordostens und Westens in den Jahrzehnten zwischen 1910 und 1970 bezeichnet. Sie gehört zu den zentralen Ereignissen in der Geschichte der Afroamerikaner im 20. Jahrhundert. Die meisten Schwarzen kamen aus den ländlichen Staaten Louisiana, Alabama und Mississippi. Dadurch entstanden größere afroamerikanische Gemeinden in Städten wie New York, Chicago, Baltimore, Detroit, Philadelphia, Columbus, Cleveland, Cincinnati, Omaha, Indianapolis, St. Louis oder Pittsburgh, von denen einige heute sogar eine afroamerikanische Bevölkerungsmehrheit haben.

Gründe

Zu den Gründen für die Great Migration zählten die Segregation und Einschränkung der Rechte durch die Jim-Crow-Gesetze im Süden der USA. Im Norden der USA gab es außerdem einen Mangel an Fabrikarbeitern, als im Verlauf des Ersten Weltkriegs die Zuwanderung von Europäern stark sank.

Bedeutung

Die Historikerin Isabel Wilkerson weist darauf hin, dass diese Migrationsbewegung größer war als die Migrationsbewegungen, die durch den Kalifornischen Goldrausch und durch den Dust Bowl ausgelöst wurden.[1] Vor Beginn der Great Migration lebten etwa nur 10 Prozent der schwarzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten in den Nordstaaten, nach dem Ende dieser Wanderungsbewegung dagegen 47 Prozent. Dadurch beeinflusste die Great Migration in den Nordstaaten die Ausdehnung der Städte, aber auch eine von der Hautfarbe beeinflusste Siedlungsstruktur, die Entstehung einer schwarzen Mittelschicht und in den urbanen Zentren Sprach- und Musikkultur. Zu den Nachfahren von Personen, die während der Great Migration nach Norden wanderten, gehörten und gehören so einflussreiche Persönlichkeiten wie James Baldwin, Michelle Obama, Miles Davis, Toni Morrison, Malcolm X, Al Sharpton, Ben Carson und Denzel Washington.

Phasen

Einige Historiker unterscheiden dabei zwischen der First Great Migration, die etwa von 1910 bis 1930 andauerte und etwa 1,6 Millionen Menschen erfasste, und der Second Great Migration, die sich 1940 bis 1970, in der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs während und nach dem Zweiten Weltkrieg, abspielte.[2] In dieser Zeit verließen 5 Millionen Afroamerikaner, vor allem Stadtbewohner mit höherer Bildung oder beruflicher Qualifikation, den Süden und zogen in die aufstrebenden Staaten des Westens, etwa nach Kalifornien.

Die Entwicklung nach 1970 wird unter dem Stichwort New Great Migration behandelt.

Literatur

  • Eric Arnesen: Black Protest and the Great Migration. A Brief History with Documents. St. Martin's Press, Bedford 2002. ISBN 0-312-39129-3.
  • Steven Hahn: A Nation Under Our Feet. The Belknap Press of Harvard University, Cambridge 2003. ISBN 0-674-01765-X.
  • Isabel Wilkerson: The Warmth of Other Suns. The Epic Story of America's Great Migration. Random House, New York 2010. ISBN 978-0-679-60407-5.
  • James R. Grossman: Land of Hope. Chicago, Black Southerners, and the Great Migration. University of Chicago Press, Chicago 1991. ISBN 0-226-30995-9.
  • Nicholas Lemann: The Promised Land. The Great Black Migration and How It Changed America. Vintage Press, New York 1991. ISBN 0-679-73347-7.
  • Emmett J. Scott: Negro Migration during the War. Oxford University Press, New York 1920. (= Preliminary economic studies of the war, Band 16).
  • Milton Sernett: Bound for the Promised Land. African Americans' Religion and the Great Migration. Duke University Press, 1997. ISBN 0-8223-1993-4.
  • Steven A. Reich (Hrsg.): Encyclopedia of the great Black migration (3 Bände). Greenwood Press, Westport 2006. ISBN 0-313-32982-6.

Fußnoten

  1. Wilkerson, The Warmth of Other Suns, Position 287 – Position 301
  2. Artikel „Great Migration, Causes of“. In: Steven A. Reich (Hg.): Encyclopedia of the great Black migration, Band 1: A–L. Greenwood Press, Westport 2006. ISBN 0-313-32983-4.