Grafschaft Hennegau


Territorium im Heiligen Römischen Reich
Grafschaft Hennegau
Wappen
Karte
Grafschaft Hennegau um 1250
HerrschaftsformGrafschaft
Herrscher/
Regierung
Graf
Heutige Region/enBE-WHT
Teile von BE-WBR
Teile von FR-59
ReichskreisBurgundisch
Hauptstädte/
Residenzen
Valenciennes, Mons
DynastienFlandern
1253: Avesnes
1356: Wittelsbacher, Linie Straubing-Holland
1433: Burgund
1477: Habsburg
Konfession/
Religionen
römisch-katholisch
Sprache/nFranzösisch
Aufgegangen in1548: Siebzehn Provinzen

Die Grafschaft Hennegau (niederl. Henegouw für den Gau, Henegouwen für die spätere Grafschaft; franz. le Hainaut; mittellat. Hannonia), benannt nach der Gegend am Fluss Henne, ist ein historisches Territorium auf dem heutigen Gebiet Belgiens und Frankreichs.

Altertum und Frühmittelalter

Der Hennegau war eine fränkische Gaugrafschaft. Das Gebiet gehörte in römischer Zeit zur Silva carbonaria (Kohlenwald) und war die Heimat der Nervier.

Vom Hochmittelalter in die Neuzeit

Die Grafschaft Hennegau entstand aus der Vereinigung von drei Reichslehen:

1051 starb Graf Hermann von Bergen, Schwiegersohn des Grafen Reginar V. Seine Witwe Richilde brachte die drei Grafschaften an ihren zweiten Gemahl, den Grafen Balduin VI. von Flandern († 1070), den man im Hennegau Balduin I. nannte. Nach ihrer Niederlage in der Schlacht von Cassel (1071) versuchte Richilde, ihre Grafschaften und Allode beim deutschen König Heinrich IV. zu Geld zu machen. Bischof Dietwin von Lüttich kaufte die Lehnshoheit über die Allode und die Reichslehen. Er gab die Lehen über die neue Grafschaft Hennegau an den Herzog von Niederlothringen, der darauf die Grafschaft der Gräfin Richilde zu Lehen gab. Auf diese Weise (Refeodalization genannt) ging die Reichsunmittelbarkeit verloren.

Balduin V. von Hennegau vereinigte durch seine Heirat mit Margarete von Elsass und Flandern 1191 die Grafschaft Hennegau zum zweiten Mal mit Flandern (und Namur). Balduin VI. (IX. von Flandern), ein Sprössling dieser Ehe, wurde 1204 erster lateinischer Kaiser zu Konstantinopel; seine Erblande fielen zuerst an seine älteste Tochter, Johanna von Flandern, dann 1244 an deren Schwester Margarete von Flandern, die zuerst mit Burchard von Avesnes und dann mit Wilhelm von Dampierre verheiratet war. Im Jahr 1246 wurde den Kindern erster Ehe der Hennegau, denen zweiter Ehe Flandern zugeteilt. Zwischen den Söhnen aus beiden Ehen kam es nun zu langwierigen Kämpfen, in denen sich Margarete auf die Seite der Dampierres stellte. Gegenstand des Zwistes war vornehmlich Reichsflandern (Flämischer Erbfolgekrieg).

Die Grafschaft Hennegau (Hainaut). Die roten Linien sind heutige Landes- und Provinzgrenzen.

Doch folgte 1279 nach Margaretes Tod ihr Enkel Johann II. im Hennegau; dieser erwarb 1299 auch die Grafschaft Holland. Mit Wilhelm II. erlosch 1345 die männliche Linie der Avesnes im Hennegau. Des Grafen Wilhelm I., des Guten (1304–37) Tochter Margarethe, Gemahlin Kaiser Ludwigs des Bayern, brachte den Hennegau samt Holland und Zeeland 1345 an das Haus Wittelsbach. Ihre Urenkelin, Jakoba von Bayern, trat 1433 ihr Erbe an Philipp den Guten von Burgund ab, und so kam der Hennegau mit der burgundischen Erbschaft 1477 an das Haus Habsburg, bei welchem es von 1556 bis 1713 bei der spanischen, dann (bis zur Französischen Revolution) bei der österreichischen Linie verblieb.

Valenciennes war die erste Stadt der spanischen Niederlande, der im Bürgerkrieg gegen die spanische Herrschaft die Regentin eine Besatzung durch spanische Truppen zugedacht hatte, vor allem, weil durch die Nähe zu Frankreich die Calvinisten dort sehr stark waren. Friedrich Schiller merkt an, es sei damals ein Sprichwort im Hennegau gewesen, die Provinz stehe nur unter Gott und unter der Sonne.[1]

Nach dem Pyrenäenfrieden (1659) und dem Frieden von Nimwegen (1678) ist der heute zum französischen Département Nord gehörige südliche Teil von Hennegau mit seiner Hauptstadt Valenciennes an Frankreich gekommen. Aus dem übrigen Hennegau wurde 1815 mit Einverleibung der vormals flandrischen Landschaft Tournaisis, des namurschen Distrikts Charleroi und einiger Teile von Brabant und Lüttich, welche vorher das französische Département Jemappes ausmachten, die zwischen 1815 und 1830 niederländische, anschließend belgische Provinz Hennegau gebildet.

Grafen von Hennegau

NameHerrschaftVerwandtschaftAnmerkungen
Reginar I.?–898nicht als Graf gesichert
Sigehard?–nach 908
Reginar II.um 916–931Sohn von Reginar I.
Reginar III. Langhals931–957Sohn des Vorgängers
Erzbischof Brun von Köln, der auch Herzog von Lotharingien war, vertrieb 957 die Familie der Reginare aus dem Hennegau und teilte diese Grafschaft in die Markgrafschaft Valenciennes und Grafschaft Mons auf.
Markgrafschaft ValenciennesGrafschaft Mons
NameHerrschaftHerrschaftName
Amalrich957–973957–964Gottfried von Jülich
964–973Richar
Werner973973Rainald
Arnulf973–1012973–998Gottfried von Verdun
998–1013Reginar IV.
Balduin IV. von Flandern1013–10351013–1039Reginar V.
Balduin V. von Flandern1035–10451039–1051Richildis
Reginar von Hasnon1047–um 1048
Hermannum 1048–1051
Graf Hermann vereinte de facto den Hennegau wieder unter einer Herrschaft. Unter seiner Witwe wurde es 1071 offiziell refeodiert als Lehen des Bistums von Lüttich.
NameHerrschaftVerwandtschaftAnmerkungen
Haus von Flandern
Richildis1051–1076Witwe von Hermann, Tochter Reginars von Hasnon
Balduin I. der Gute1051–1070Ehemann von Richildis/Richildeauch Graf von Flandern (Balduin VI.)
Arnulf I. der Unglückliche1070–10711. Sohn von Richildeauch Graf von Flandern (Arnulf III.)
Balduin II.1071–10982. Sohn von Richilde
Balduin III.1098–1120Sohn des Vorgängers
Balduin IV.1120–1171Sohn des Vorgängers
Balduin V.1171–1194Sohn des Vorgängersauch Graf von Flandern (Balduin VIII.)
Balduin VI.1194–1205Sohn des Vorgängersauch Graf von Flandern (Balduin IX.)
auch Kaiser von Konstantinopel (Balduin I.)
Johanna I.1205–1244Tochter des Vorgängersauch Gräfin von Flandern
Ferdinand von Portugal1212–12331. Ehemann von Johanna I.Mitregent
Thomas von Savoyen1239–12442. Ehemann von Johanna I.Mitregent
Margarete I. die Schwarze1244–1253Schwester von Johanna I.auch Gräfin von Flandern (Margarete II.)
Haus Avesnes
Johann I.1253–1257Sohn der Vorgängerin
Haus von Flandern
Margarete I. die Schwarze1257–1280Schwester von Johanna I.auch Gräfin von Flandern (Margarete II.)
Haus Avesnes
Johann II.1280–1304Sohn von Johann I.auch Graf von Holland
Wilhelm I. der Gute1304–1337Sohn des Vorgängersauch Graf von Holland (Wilhelm III.)
Wilhelm II.1337–1345Sohn des Vorgängersauch Graf von Holland (Wilhelm IV.)
Margarete II.1345–1356Schwester des Vorgängersauch Gräfin von Holland (Margarete I.)
Wittelsbacher
Wilhelm III.1356–1389Sohn der Vorgängerinauch Graf von Holland (Wilhelm V.)
auch Herzog von Bayern (Wilhelm I.)
Albrecht1389–1404Bruder des Vorgängersauch Graf von Holland
auch Herzog von Bayern
Wilhelm IV.1404–1417Sohn des Vorgängersauch Graf von Holland (Wilhelm VI.)
auch Herzog von Bayern (Wilhelm II.)
Johann III.1417–1425Bruder des Vorgängersauch Graf von Holland
auch Herzog von Bayern
Jakobäa1425–1433Tochter von Wilhelm IV.auch Gräfin von Holland
auch Herzogin von Bayern
Haus Burgund
Philipp der Gute1433–1467auch Herzog von Burgund (Philipp III.)
Karl der Kühne1467–1477Sohn des Vorgängersauch Herzog von Burgund
Maria1477–1482Tochter des Vorgängersauch Herzogin von Burgund
Durch die Ehe der Herzogin Maria mit dem späteren Kaiser Maximilian I. fiel der Hennegau den Habsburgern zu.

Literatur

  • Léo Verriest: Le régime seigneurial dans le comté de Hainaut du XIe siècle à la Révolution. Impr. P. Smeesters (Louvain) 1956.
  • Jean-Marie Cauchies: Hennegau. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 2131–2133.
  • Gilbert of Mons: Chronicle of Hainaut. scribd.com (Memento vom 2. November 2009 im Internet Archive).
  • Jean-Marie Cauchies: La législation princière pour le comté de Hainaut: ducs de Bourgogne et premiers Habsbourg 1427–1506. Publications des Facultés universitaires Saint-Louis, Brüssel 1982, ISBN 2-8028-0025-6 (books.google.lu).
  • Martin Zeiller: Von den Graffschafften Artois. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Circuli Burgundici (= Topographia Germaniae. Band 16). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1654, S. 192–194 (Volltext [Wikisource]).
  • Frans J. Van Droogenbroeck: De markenruil Ename – Valenciennes en de investituur van de graaf van Vlaanderen in de mark Ename, Handelingen van de Geschied- en Oudheidkundige Kring van Oudenaarde 55 (2018) S. 47–127 (academia.edu).
  • Charles Duvivier: Recherches sur le Hainaut ancien („pagus hainoensis“) du VIIe au XIIe siècles. Fr. J. Olivier, Brüssel 1865 (gallica.bnf.fr).

Weblinks

Commons: Grafschaft Hennegau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Friedrich Schiller: Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung im Projekt Gutenberg-DE MCMVI Leipzig im Inselverlag (Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe), S. 233, Fußnote 2. Schiller führt als seine Quelle Strada 174 an.

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Karte des Reiches mit den Reichskreisen und den kreisfreien Gebieten, Stand etwa 1512.
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Flandern Brabant Hennegau Loon Lüttich Limburg Jülich Köln Berg Namur Chiny Luxemburg (Lützelburg) Trier und weitere Länder in das Heilige Römische Reich um 1250, zur Zeit der Staufer.
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Coat of arms of the Counts of Hainaut.

Arms of Flanders quartered with Holland

Blazon: Quarterly, I and IV Or a lion rampant sable, armed and langued gules; II and III Or a lion rampant gules, armed and langued azure.
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Mapa del comtat d'Hainaut