Grünes Meer (Laubach)
Das Grüne Meer bei Laubach war ein Naturerlebnis- und Freizeitpark in einem 80 Hektar großen Waldgebiet im Vorderen Vogelsberg.
Geographische Lage
Der natürliche Waldpark lag an der B 276 etwa auf halbem Weg zwischen Laubach und dem 15 Kilometer östlich gelegenen Schotten. Er zog sich entlang des Westhanges des Kirchbergs (404 m ü. NHN[1]) im Laubacher Hügelland.
Anlage
Die Anlage lag im Fauna-Flora-Habitat „Laubacher Wald“ (FFH-Nr. 5420-304),[2][3] im „Vogelschutzgebiet Vogelsberg“ (VSG-Nr. 5421-401[4]) und im Naturpark Vulkanregion Vogelsberg. Das Grüne Meer besitzt einen hohen Anteil an Buchenwald.
Der Park folgte dem Konzept des sanften Tourismus[5] und hatte zum Ziel, „die ökologische und kulturgeschichtliche Bedeutung hessischer Wälder spannend und erlebnisreich zu vermitteln“.[6] Das Grüne Meer gehörte zum 4250 Hektar großen Waldgebiet des Grafen Karl Georg zu Solms-Laubach, einem der größten Privatwaldbesitzer in Hessen (Graf zu Solms Laubach’sche Rentkammer, Forstbetrieb Solms-Laubach[7]).[8] Die Spielplätze, Geländer und Bauten im Park waren größtenteils aus Holz gefertigt. Das Holz stammte aus der eigenen Produktion des Forstbetriebes.[9] Die Konstruktionen waren so errichtet, wie es zur Zeit des Mittelalters üblich war, überwiegend mit Seilen verbunden und ohne Nägel.[10] Nordwestlich der Anlage wurde ein Parkplatz mit 200 Stellflächen errichtet.[11] Vor dem Eingang des Parks liegt das „Neue Jägerhaus“ (bis 2008 Motorradtreff „Bikerhaus“), die gastronomische Einrichtung des Parks.[10] Hinter dem Eingang des Parks befanden sich Grillplätze und ein Streichelzoo mit Ziegen, Kaninchen, Eseln und südamerikanischen Alpakas. Der Park wurde jährlich von 60.000 bis 70.000 Menschen besucht.[10]
Im westlichen Teil des Parks lag das im Jahr 1340 erstmals erwähnte und infolge der Pest zur Wüstung gewordene Dorf Ruthardshausen. Das wüste Dorf bestand aus etwa 20 Siedlungen und einer Kirche. Grabungsfunde aus Ruthardshausen sind im Museum Fridericianum in Laubach ausgestellt. Der Graf zu Solms-Laubach förderte archäologische Grabungen an der Siedlungslandschaft Laubacher Wald,[12] der zum großen Teil gräflicher Wald von Schloss Laubach ist.
Am Tag der Artenvielfalt 2010 wurde das Arteninventar des Laubacher Waldes im Grünen Meer mit knapp 500 Arten erfasst.[13] Das Institut für Tierökologie und Naturbildung in Laubach-Gonterskirchen ist verantwortlich für die inhaltliche Ausarbeitung und didaktische Betreuung.[14]
Die Anlage ist seit 2017 geschlossen und verfällt. Der Steg über das Tiergehege ist zusammengestürzt, einige andere Attraktionen sind einsturzgefährdet.
Rundweg
Ein zwei Kilometer langer „Waldentdeckungspfad“ (Stand: Juni 2015) mit Hinweisschildern zu heimischen Tier- und Pflanzenarten sowie zur Geologie und Kulturgeschichte des Gebiets führt an verschiedenen Stationen vorbei. Der Rundweg startet am denkmalgeschützten ehemals gräflichen Forsthaus Ruthardshausen („Jägerhaus“). Das langgezogene eingeschossige Fachwerkgebäude, das im Südwesten mit einem zweigeschossigen Bereich endet, war jahrzehntelang Gastwirtschaft und Ausflugsziel.[15]
Der Weg führt weiter zu einem Abenteuerspielplatz mit einer Holzkegelbahn, Holzwippen, übergroßen Hampelmännern („Waldmänner“, die auch an der Landesgartenschau Gießen 2014 zu sehen waren), einem lebensgroßen Brettwürfelspiel, einer Heuhüpfburg und einem großen begehbaren Holzwidder.[16] Vom Spielplatz führt ein Weg zum „Robin-Hood-Dorf“ mit Baumhäusern, Kletterseilen, einem Holz-Tipi und zu einem Labyrinth.
Entlang des Rundwegs liegt die denkmalgeschützte mittelalterliche Kirchenruine St. Valentin. Der rudimentär erhaltene Bau der um 1260 errichteten gotischen Pfarrkirche zeigt einen quadratischen Chorturm mit spitzbogigem Triumphbogen und ein rechteckiges Schiff mit Überresten eines Fensters mit Maßwerk an der Westseite. Die Kirche ist der letzte Hinweis auf die Wüstung Ruthardshausen und wurde 1970 wieder hergerichtet.[17] Eine Glocke der Kirche befindet sich heute in der evangelischen Kirche im Nachbardorf Einartshausen. An der Seitenwand der Kirche wurde 2008 ein Beinhaus entdeckt.[18] Bei den Ausgrabungen wurden Teile der Kirchhofmauer rekonstruiert. In der Kirchenruine finden Gottesdienste und kulturelle Veranstaltungen statt.
Der Weg führt vorbei an einem Aussichtsturm aus Fachwerk, einem Barfußpfad, Hängematten aus Holzlatten im Wald („Himmelsfenster“), einem „Waldxylophon“ aus hängenden Aststücken, einer Tier-Beobachtungsstation, einem sehr seltenen[19] Hainbuchenwald („Zauberhaftes Waldstück“) und einem Balancier-Parcours. Am östlichsten und höchsten Punkt des Rundweges steht der 35 Meter hohe Aussichtsturm „Himmelsleiter“ (Koordinaten ) aus Aluminium mit vier verschieden hohen Plattformen.[20] Die Aussicht geht über die Wetterau bis in den Taunus und über das Gießener Becken bis zum Dünsberg. Der Blick über die Baumwipfel des Laubacher Waldes inspirierte den Grafen zu Solms-Laubach zum Namen „Grünes Meer“ für den Park.
Auf der nördlichen Schleife zurück zum Ausgangspunkt des Rundwegs liegen archäologische Stationen mit nachgestellten Grabungsstellen. Eine historisch nachempfundene Köhlerei gibt Einblicke in die Siedlungsgeschichte der Region.[21] Die Köhlerei gehörte bis ins 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Erwerbsquellen der ansässigen Bevölkerung.[22] (Nahe der Wüstung Ruthardshausen wurden ehemalige Glashütten entdeckt.[23]) Von einem drei Meter hohen Holzsteg (Beobachtungsstation „Alte Eiche“) auf Pfählen, der in eine Lichtung entlang des Höllerskopfbachs ragt, lassen sich Rotwild und Auerochsen in einem Wildgehege beobachten. Vom Gehege geht der Rundweg vorbei am Robin-Hood-Dorf zurück zum Anfang. Eine Wegebahn („Wald-Taxi“) fährt über die Südschleife des Rundweges zum Aussichtsturm und zurück.
Geschichte
Nach der Ausweisung als FFH-Gebiet konnte der gräfliche Wald nicht mehr traditionell forstwirtschaftlich genutzt werden. Ein neues Managementkonzept sollte daraufhin ökonomischen und ökologischen Belangen Rechnung tragen. Graf zu Solms-Laubach, ein gelernter Förster, errichtete den Naturerlebnispark 2009 für etwa 1,5 Millionen Euro ohne öffentliche Mittel als zusätzliches wirtschaftliches Standbein.[24] Vorbild für das Grüne Meer war der Baumkronenweg Kopfing.[25] Der Park entstand in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde Gießen, dem Landesarchäologen Egon Schallmayer und der Gesellschaft für Integration und Arbeit Gießen.
Wegen eines brütenden Waldlaubsängers wurde die Eröffnung des Parks im Vogelschutzgebiet vom 1. Juli auf den 1. August 2009 verschoben.[26] Die rückgezüchteten Auerochsen im Freigehege kamen aus der Nähe von Dessau (Sachsen-Anhalt), das Rotwild stammt aus gräflichen Waldungen im Salzburger Land.[27] Im Februar 2010 wurde im Park ein Auerochsenkälbchen geboren, es erhielt in einer Verlosung den Namen „Rosalie“.[28]
Das Laubacher Schlosshotel „Bunter Hund“, das Restaurant „Hirschfrikadelle“ und das „Grüne Meer“ werden unter der Marke „Schloss Laubach“ vermarktet.[29]
Die gleichnamige Straße „Grünes Meer“, Teil der unteren Altstadt Laubach, hat keinen Bezug zum Park.
2012 wurde 20 Kilometer östlich am Vogelsberg der Baumkronenpfad Hoherodskopf eröffnet.
Anmerkungen
- ↑ Karten und Daten des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)
- ↑ Laubacher Wald. In: Natura 2000 Gebiete in Deutschland. Bundesamt für Naturschutz, abgerufen am 27. März 2023.
- ↑ 5420-304 Laubacher Wald. In: Natura 2000 – Verordnung Regierungspräsidium Gießen. Abgerufen am 27. März 2023.
- ↑ 5421-401 Vogelsberg. In: Natura 2000 – Verordnung Regierungspräsidium Gießen. Abgerufen am 27. März 2023.
- ↑ »Schon über 10 000 Besucher«, Gießener Allgemeine, 5. September 2009
- ↑ Laubacher Forst. Auf Entdeckungsfahrt im „grünen Meer“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juli 2009
- ↑ Forst & Jagd, Schloss Laubach
- ↑ Waldbesitzer: Wem gehört der Wald?, Wald-Prinz.de
- ↑ Im Zauberwald, Frankfurter Rundschau, 3. August 2009
- ↑ a b c Freizeitspaß in freier Natur. BILANZ Vor fünf Jahren grünes Klassenzimmer, Erholungsort, Walderlebnispark und Abenteuerspielplatz eröffnet, Gießener Anzeiger, 19. Februar 2014
- ↑ Mitten im "Grünen Meer": Entdeckungswald Schloss Laubach eröffnet am 1. Juli, Gießener Zeitung (Red.), 8. April 2009
- ↑ Karl Georg Graf zu Solms-Laubach fördert die hessische Landesarchäologie, Landesamt für Denkmalpflege Hessen.
- ↑ Im "Grünen Meer" Laubach leben an die 500 Arten; Tag der Artenvielfalt auch im Entdeckungswald begangen – Botaniker und Zoologen vor Ort, Gießener Anzeiger, 23. Juni 2010
- ↑ Führungen für Schulklassen im Grünen Meer im Laubacher Wald ( vom 17. Juni 2015 im Internet Archive), Institut für Tierökologie und Naturbildung
- ↑ Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. 2008, S. 260.
- ↑ Nikolas Sohn: Graf zu Solms-Laubach hat mit dem Grünen Meer einen Entdeckungswald angelegt, der sich erfreulich vom Überangebot gewöhnlicher Freizeitparks abhebt. Unser Autor hat sich treiben lassen. Gießener Anzeiger, 21. August 2012
- ↑ Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. 2008, S. 259.
- ↑ Knochenarbeit für zehn Studenten der Archäologie, Gießener Allgemeine, 11. September 2008
- ↑ Das »Grüne Meer« bringt Mensch und Natur näher, Gießener Allgemeine, 2. August 2009
- ↑ Erlebnispark Laubach ( vom 17. Juni 2015 im Internet Archive), Bartels Architekten und Ingenieure
- ↑ Laubacher Köhlerfest bot Einblicke in Siedlungs- und Waldgeschichte, Gießener Allgemeine, 16. August 2010
- ↑ Anne Lorenc: Ein Wald voller Tiere und Abenteuer. Das "Grüne Meer" im gräflichen Wald von Laubach wirbt mit ursprünglichen Natur-Erlebnissen, Gießener Anzeiger, 21. September 2011
- ↑ Reise zu Stätten 1000 Jahre alter Siedlungsgeschichte, Gießener Allgemeine, 22. Juni 2008
- ↑ Freizeitpark im Wald, Frankfurter Rundschau, 6. April 2009
- ↑ »Grünes Meer«: Bis zu 100 000 Besucher erwartet, Wetterauer Zeitung, 6. April 2009
- ↑ Besuch aus Zentralafrika verzögert das „Grüne Meer“, Gießener Anzeiger, 19. Juni 2009
- ↑ Durch den Bauch des Widders zu neuen Entdeckungen. Am 1. August eröffnet in Laubach der Erlebnispark "Grünes Meer" - Tradition der Glashütten und Holzkohlenmeiler Thema - Mufflons und Auerochsen, Gießener Anzeiger, 21. Juli 2009
- ↑ Auerochsenkälbchen heißt jetzt Rosalie. Name wurde im "Grünen Meer" per Los ermittelt, Gießener Anzeiger, 2. Juni 2010
- ↑ Hirschfrikadelle und "Bunter Hund" in neue Hände . . . aber Karl Georg Graf zu Solms-Laubach geht nicht für ein halbes Jahr nach Indien, Gießener Anzeiger, 14. Dezember 2010
Literatur
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.); Karlheinz Lang (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen I. Hungen, Laubach, Lich, Reiskirchen. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Theiss, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8062-2177-0, S. 259–260.
- Willi Demmer: Eine fast vergessene Kirchenruine : Ruthardshausen zwischen Laubach u. Schotten, in: Hessische Heimat, Band 21, Gießen 1980, S. 4
- Willi Demmer: Die Kirchenruine Ruthardshausen bei Laubach. Eine Wüstung am Oberlauf der Horloff, in: Hessische Heimat, Band 21, Gießen 1970, S. 1–3.
- Egon Schallmayer (Hrsg.): Hofgut Grass und Ruthardshausen. Wüstungsforschungen in Mittelhessen, in: Jahrbuch für Archäologie und Paläontologie in Hessen, Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8062-2300-2
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Koordinaten: 50° 31′ 33,8″ N, 9° 4′ 18,8″ O
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