Deutsches Goldschmiedehaus

Altstädter Rathaus (2009)

Das Deutsche Goldschmiedehaus (ehemals Altstädter Rathaus) ist das ehemalige Rathaus der Altstadt Hanau, das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts museal genutzt wird. Geleitet wird es seit 1. Januar 2024 vom Kunsthistoriker Malte Guttek.[1]

Historischer Baubestand als Altstädter Rathaus

Elle am Erdgeschoss des früheren Altstädter Rathauses.
Eines der Sandsteinreliefs an der Fassade zeigt einen Affen mit Spiegel, ein beliebtes mittelalterliches Motiv für blinde Eigenliebe.
Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Altstädter Markt vor dem Goldschmiedehaus.

Das Deutsche Goldschmiedehaus wurde als Fachwerkbau an der Längsseite des Altstädter Marktes zwischen zwei steinernen Giebelwänden und auf einem steinernen Sockelgeschoss errichtet. Mit seinem Staffelgiebel und hohen Satteldach war der solitäre Monumetalbau von Weitem sichtbar. Er entstammt der Spätgotik und Frührenaissance und wird durch eine Bauinschrift auf das Jahr 1538 datiert. Sein funktionaler Vorgängerbau als Rathaus aus dem 15. Jahrhundert stand an der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes (sogenanntes Spielhaus). Eine Gedenktafel am Haus „Altstädter Markt 1“ erinnert daran. Als Baumeister ist Konrad Speck bekannt, sowie die Steinmetze Hans von Gießen, Peter von Aschaffenburg und Hans von Lich.

Die zweiläufige Freitreppe am Deutschen Goldschmiedehaus wurde nach einem Entwurf von Christian Ludwig Hermann aus dem Jahr 1742 angefügt. Zahlreiche in der Fassade eingelassene Sandstein-Reliefsteine aus dem 14. bis 16. Jahrhundert zeigen Anspielungen auf Narrheit und Eigenliebe sowie Darstellungen von Fabelwesen oder des klugen Bürgertums – ein noch dem Mittelalter verpflichtetes Bildprogramm. Ursprünglich enthielt das Erdgeschoss laubenartige Verkaufshallen, der erste Stock den Ratssaal, Stube und Diele und das Obergeschoss eine Lagerhalle. In der Fassade als Eisenstab eingelassen ist eine Hanauer Elle, die für den Markt zum Einsatz kam.

Gerechtigkeitsbrunnen

Der Sandstein-Brunnen vor dem Rathaus ist ein bedeutendes Werk renaissancezeitlicher Steinmetzkunst. Er wurde 1607/1608 vom Rat der Altstadt Hanau in Auftrag gegeben und von dem Büdinger Bildhauer Johannes Rab geschaffen. Der Brunnen wird bekrönt von Justitia mit Waage und Schwert. Die beiden Löwen links und rechts halten Wappenschilde mit den Wappen der Altstadt Hanau und den Grafen von Hanau-Münzenberg. Der Brunnenaufbau war ursprünglich farblich gestaltet.[2]

Funktion

Das Gebäude wurde 1538 auf dem Altstädter Markt als Hanauer Rathaus errichtet. 1821 zog die Stadtverwaltung in ein Haus in der Bangertstraße 2.[3] Nachdem im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Stadtverwaltungen der Altstadt und der Neustadt Hanau zusammengelegt wurden, war ein eigenes Rathaus für die Altstadt überflüssig. Sie befand sich jetzt insgesamt im Neustädter Rathaus. Das Rathausgebäude am Altstädter Markt wurde vorübergehend als Sitz des Landgerichts Hanau und danach von unterschiedlichen Schulen genutzt. Von 1902 bis Anfang der 1940er Jahre diente es als Museum des Hanauer Geschichtsvereins. In einem ehemals vorhandenen kleinen Hof befand sich ein Lapidarium. 1942 wurde ein Museum für Edelmetallkunst eingerichtet.

Zerstörung 1945

Bei den Luftangriffen auf Hanau im März 1945 brannte das Gebäude bis auf die Grundmauern und die beiden Giebelwände nieder.

Wiederaufbau

Der heutige Fachwerkbau ist eine stilgetreue Rekonstruktion aus den 1950er Jahren. Ein neues Treppenhaus wurde damals an die Rückseite angefügt. Entsprechend seiner Nutzung als Ausstellungsraum wurde beim Wiederaufbau auf die ursprüngliche Raumeinteilung verzichtet. An der Südseite erinnert eine Tafel an den Hanauer Chronisten und Musiklehrer Johann Daniel Wilhelm Ziegler (1809–1878).

Spätere bauliche Änderungen

Anfang der 1980er Jahre wurden umfangreiche Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Innenraum umgesetzt. Die zwei großen ausstellungssäle wurden neu gestaltet und mit neuen Vitrinen ausgestattet. 2004 wurde an der Rückseite des Gebäudes ein Erweiterungsbau hinzugefügt. Für einen barrierefreien Zugang zu allen Ausstellungsflächen wurde ein Aufzugsturm mit Sandsteinfassade ergänzt, ein ebenerdiges Foyer mit großen Glasfassaden zum Kirchplatz sowie moderne sanitäre Anlagen eingerichtet.[4] Im Rahmen des Umbaus fand an der Rückseite des Gebäudes, in dessen ehemaligem Hof, eine umfangreiche archäologische Ausgrabung statt, deren Auswertung seit 2021 vorliegt.[5]

Nutzung als Museum seit 1942 bis heute

Hanau bezeichnet sich auch als Stadt des edlen Schmuckes. Die Stadt weist eine bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts zurückreichende Tradition des Goldschmiede-Handwerks auf und ist mit der Staatlichen Zeichenakademie Sitz einer führenden Einrichtung zur Ausbildung von Goldschmieden und seit 1985 ebenso Sitz der Deutschen Gesellschaft für Goldschmiedekunst e. V.

1942–45 Museum für Edelmetallkunst

Die Gründung eines Museums für Edelmetallkunst geht auf eine Initiative des Berliner Juweliers Ferdinand Richard Wilm zurück. Als Gründer der Gesellschaft für Goldschmiedekunst engagierte er sich seit 1932 für die Förderung des Handwerks und fand bei einem Besuch in Hanau in dem Bau am Altstädter Markt ein geeignetes Ausstellungshaus. In enger Kooperation mit der Staatlichen Zeichenakademie und durch gute Verbindungen zu Adolf Hitler sowie in die Berliner Partei- und Führungsspitze der NSDAP[6][7] wurde noch während des Zweiten Weltkrieges am 18. Oktober 1942 das Deutsche Goldschmiedehaus gegründet und erhielt seinen Sitz in dem Gebäude, wozu das damals dort befindliche Museum des Hanauer Geschichtsvereins in das Stadtschloss verlagert wurde. Die Förderung der Goldschmiedekunst wurde beim Festakt zur Eröffnung von Wilm als Kulturpolitik benannt.[8]

Nutzung als Museum ab 1958

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es erste Überlegungen das historische Gebäude wieder aufzubauen. Trotz der vom NS-Regime geförderten Gründung wurde die erneute Einrichtung eines Goldschmiedehauses entschieden.[9]

1985 zog die bis dahin in Hamburg ansässige Gesellschaft für Goldschmiedekunst in das Museum am Altstädter Markt ein. Im Jahr 2006 übernahm die Gesellschaft zudem die Betriebsführung des städtischen Museums.[9]

Heute werden im Deutschen Goldschmiedehaus Wechselausstellungen, insbesondere Präsentationen von Schmuck, gezeigt.

Leiter und Leiterinnen

1963–1980 Fritz Bredel (1913–1994)[10]

1980–2005 Rudolf Schäffer (* 1948)[10]

2006–2023 Dr. Christianne Weber-Stöber (* 1957)[11]

Seit 2024 Malte Guttek (* 1989)[12]

Sammlung

Die 1960 begonnene Sammlung gibt mit einer Vielzahl von Schmuckstücken und Tafelgerät einen repräsentativen Überblick zur nationalen und internationalen Szene nach 1945.[13]

Die Goldschmiedin Ebbe Weiss-Weingart überließ der Stadt Hanau für das Deutsche Goldschmiedehaus 250 Schmuckstücke aus den Jahren 1947 bis 1998. Diese wurden vom 25. Februar bis 3. Juni 2018 in der Ausstellung Ebbe Weiss-Weingart – 70 Jahre Schmuck präsentiert.[14]

Literatur

  • Magnus Backes: Hessen. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler („Dehio“). 2. Aufl. 1982, ISBN 3-422-00380-0.
  • Michael Bermejo und Andrea H. Schneider-Braunberger: Das Goldene Netzwerk. Die Deutsche Gesellschaft für Goldschmiedekunst in der Zeit des Nationalsozialismus. Societäts Verlag, Frankfurt 2019, ISBN 978-3-95542-361-2.
  • Georg Ulrich Großmann: Mittel- und Südhessen: Lahntal, Taunus, Rheingau, Wetterau, Frankfurt und Maintal, Kinzig, Vogelsberg, Rhön, Bergstrasse und Odenwald. DuMont, Köln 1995, ISBN 3-7701-2957-1 (= DuMont Kunst-Reiseführer), S. 215.
  • Michael Hierholzer: Deutsches Goldschmiedehaus – Goldene und silberne Avantgarde im Fachwerkhaus. In: Hendrik Markgraf (Hrsg.): Museumslandschaft Rhein-Main. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-7973-0490-0, S. 61–63.
  • Christine Jung: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Magistrat der Brüder-Grimm-Stadt Hanau. Fachbereich Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen (Hrsg.), 2017, ISBN 978-3-926011-55-8.
  • Peter Jüngling: Ein kurzer Blick in Hanaus Vergangenheit – Ausgrabung im Herzen der Altstadt. Archäologische Forschung am Goldschmiedehaus in Hanau. Selbstverlag des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e. V., Hanau 2021, ISBN 978-3-935395-37-3, S. 29–41.
  • Kulturamt der Stadt Hanau (Hrsg.): Museen der Stadt Hanau. Deutsches Goldschmiedehaus. Hanau o. J. (ca. 1980)
  • Carolin Krumm: Kulturdenkmäler in Hessen – Stadt Hanau. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Theiss, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8062-2054-9, S. 141
  • Magistrat der Stadt Hanau (Hrsg.): Deutsches Goldschmiedehaus Hanau. Hanau 1982:
    • Karl Dielmann: Vom Altstädter Rathaus zum Deutschen Goldschmiedehaus.
    • Karlheinz Hoppe: Das Deutsche Goldschmiedehaus heute – Institution, Mittelpunkt und Schaufenster.
  • Günter Rauch: Das Deutsche Goldschmiedehaus in Hanau: Vergangenheit und Gegenwart. Magistrat der Stadt Hanau, 1992.
Commons: Deutsches Goldschmiedehaus (Hanau) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gesellschaft für Goldschmiedekunst: Neue Leitung für die Gesellschaft für Goldschmiedekunst e. V. und das Deutsche Goldschmiedehaus Hanau: Malte Guttek übernimmt zum 1. Januar 2024. 4. Oktober 2023, abgerufen am 18. Juni 2024.
  2. Vgl. dazu: Jüngling, S. 42f.
  3. Jüngling, S. 39.
  4. Christine Jung: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hrsg.: Magistrat der Brüder-Grimm-Stadt Hanau. Hanau 2017, ISBN 978-3-926011-55-8, S. 73.
  5. Jüngling, S. 68–214.
  6. Michael Bermejo, Andrea H. Schneider-Braunberger: Das Goldene Netzwerk. Die Deutsche Gesellschaft für Goldschmiedekunst in der Zeit des Nationalsozialismus. Societäts Verlag, Frankfurt 2019, ISBN 978-3-95542-361-2, S. 37–52.
  7. Buch-Rezension des an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf tätigen Michael C. Schneider in der Zeitschrift für Unternehmensgeschichte: Michael Bermejo/Andrea H. Schneider-Braunberger, Das goldene Netzwerk. Die Deutsche Gesellschaft für Goldschmiedekunst in der Zeit des Nationalsozialismus, abgerufen am 29. Januar 2024
  8. Christine Jung: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hrsg.: Magistrat der Brüder-Grimm-Stadt Hanau. Hanau 2017, ISBN 978-3-926011-55-8, S. 36–38.
  9. a b Claus Kaminsky, Hartwig Rohde: Vorwort. In: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau: Vergangenheit, Gegenwart. Hrsg.: Magistrat der Brüder-Grimm-Stadt Hanau. Hanau 2017, ISBN 978-3-926011-55-8, S. 4.
  10. a b Christine Jung: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hrsg.: Magistrat der Brüder-Grimm-Stadt Hanau. Hanau 2017, ISBN 978-3-926011-55-8, S. 56.
  11. Presse-Service der Stadt Hanau: August-Gaul-Plakette für Dr. Christianne Weber-Stöber. 1. Dezember 2023, abgerufen am 18. Juni 2024.
  12. Neue Spitze für Goldschmiedehaus. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. September 2023, abgerufen am 18. Juni 2024.
  13. Gesellschaft für Goldschmiedekunst: Sammlungen. Abgerufen am 18. Juni 2024.
  14. Gesellschaft für Goldschmiedekunst: Deutsches Goldschmiedehaus Hanau – Sammlungen. Abgerufen am 30. März 2018.

Koordinaten: 50° 8′ 12″ N, 8° 55′ 4″ O

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Gerechtigkeitsbrunnen vor dem Altstädter Rathaus in Hanau nach der Renovierung 2013. 1606/1607 geschaffen von dem Bildhauer Johannes Rab aus Büdingen.
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Sandsteinrelief vom Altstädter Rathaus in Hanau. „Affe mit Spiegel“, beliebtes mittelalterliches und frühneuzeitliches Sinnbild für blinde Eigenliebe.
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Das Deutsche Goldschmiedehaus in Hanau. Das Gebäude wurde als Fachwerkbau an der Längsseite des Altstädter Marktes zwischen zwei steinernen Giebelwänden und auf einem steinernen Sockelgeschoss errichtet. Es entstammt der Spätgotik und Frührenaissance und wird durch eine Bauinschrift auf das Jahr 1538 datiert.