Gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer

Ein gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer, auch kurz gleichmäßig bester Schätzer oder bester Schätzer genannt, ist ein spezieller Schätzer in der Schätztheorie, einem Teilgebiet der mathematischen Statistik. Gleichmäßig beste erwartungstreue Schätzer sind erwartungstreue Punktschätzer für ein vorgegebenes Schätzproblem, also solche ohne einen systematischen Fehler. Aufgrund der Zufälligkeit der Stichprobe streut jeder erwartungstreue Schätzer, manche jedoch weniger als andere. Gleichmäßig beste erwartungstreue Schätzer sind dann diejenigen erwartungstreuen Schätzer, die für das gegebene Problem weniger streuen als jeder weitere erwartungstreue Schätzer. Somit besitzen gleichmäßig beste erwartungstreue Schätzer die kleinste Varianz unter allen erwartungstreuen Schätzern für ein Schätzproblem. Gleichmäßig beste erwartungstreue Schätzer sind damit „gute“ Schätzer in dem Sinne, als dass sie sowohl keinen systematischen Fehler aufweisen, als auch dass ihr geschätzter Wert im Schnitt näher an dem zu schätzenden Wert liegt als bei allen anderen erwartungstreuen Schätzern. Allerdings kann es verzerrte Schätzer geben, die bzgl. der mittleren quadratischen Fehlers gleichmäßig besser sind als ein gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer, siehe z. B. den James-Stein-Schätzer

Es findet sich auch die Bezeichnung varianzminimierender Schätzer[1] oder gleichmäßig minimaler Schätzer[2]. Manche Autoren verwenden auch die aus dem Englischen übernommene Bezeichnung UMVUE-Schätzer[3] oder UMVU-Schätzer als Abkürzung für Uniformly Minimum Variance Unbiased Estimator.

Definition

Gegeben sei ein statistisches Modell sowie eine zu schätzende Parameterfunktion

.

Dann heißt ein erwartungstreuer Schätzer mit endlicher Varianz für ein gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer für , wenn für jeden weiteren erwartungstreuen Schätzer mit endlicher Varianz für gilt:

oder aufgrund der Erwartungstreue äquivalent dazu

.

Bemerkungen

Intuitiv sind gleichmäßig beste Schätzer gut zugänglich: Hat man zwei erwartungstreue Schätzer zur Hand, so würde man denjenigen für „besser“ halten, der weniger um den zu schätzenden Wert streut. Derjenige Schätzer, der in dieser Hinsicht besser als alle anderen erwartungstreuen Schätzer ist, ist dann der gleichmäßig beste Schätzer.

Mathematisch existieren jedoch folgende Probleme:

  • Im Allgemeinen muss kein gleichmäßig bester Schätzer existieren.
  • Selbst wenn ein gleichmäßig bester Schätzer existieren sollte, so ist nicht ersichtlich, wie man ihn findet.
  • Ist ein erwartungstreuer Schätzer gegeben, so ist es problematisch herauszufinden, ob dieser ein gleichmäßig bester Schätzer ist. Problem ist hierbei, dass die Menge der erwartungstreuen Schätzer, mit denen er verglichen werden muss, sich nur schwer präzisieren lässt.

Wichtige Aussagen

Zentrale Aussagen bezüglich gleichmäßig besten Schätzern sind:

Kovarianzmethode

Die Kovarianzmethode liefert eine Möglichkeit, mittels der Kovarianz gleichmäßig beste Schätzer zu konstruieren oder für einen gegebenen Schätzer zu überprüfen, ob er ein gleichmäßig bester Schätzer ist.

Ist nämlich ein erwartungstreuer Schätzer mit endlicher Varianz gegeben, so ist genau dann ein gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer, wenn für jeden Null-Schätzer

gilt. Allgemeiner lässt sich die Kovarianzmethode auf jeden linearen Unterraum der Schätzfunktionen anwenden. Ist also solch ein linerear Unterraum und die Menge der erwartungstreuen Schätzer mit endlicher Varianz und die Mengen der Null-Schätzer und gilt für ein die Aussage

,

so ist gleichmäßig bester Schätzer für .

Verallgemeinerungen

Ist der Begriff eines gleichmäßig besten Schätzers zu stark, so kann man ihn abschwächen: anstelle dass man fordert, dass die Varianz eines Schätzers kleiner ist als die Varianz eines beliebigen anderen Schätzers, fordert man nur, dass die Varianz von für ein fixes kleiner als die Varianz aller anderen Schätzer ist. Dies führt zum Begriff des lokal minimalen Schätzers.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Otto Georgii: Stochastik. Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274.
  • Ludger Rüschendorf: Mathematische Statistik. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41996-6, doi:10.1007/978-3-642-41997-3.
  • Claudia Czado, Thorsten Schmidt: Mathematische Statistik. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17260-1, doi:10.1007/978-3-642-17261-8.

Einzelnachweise

  1. Georgii: Stochastik. 2009, S. 210.
  2. Rüschendorf: Mathematische Statistik. 2014, S. 127.
  3. Czado, Schmidt: Mathematische Statistik. 2011, S. 108.