Glarean

Heinrich Glarean, Federzeichnung von Hans Holbein dem Jüngeren

Glarean(us), eigentlich Heinrich Loriti, auch Loritis, Loritti oder Loretti (* 28. Februar oder 2. Juni 1488 in Mollis, Kanton Glarus; † 27. oder 28. März 1563 in Freiburg im Breisgau) war ein Schweizer Musiker, Musiktheoretiker, Dichter, Lehrer, Philologe, Historiker, Geograph, Mathematiker, Humanist und Universalgelehrter der frühen Renaissance.

Leben

Der lateinische Name verweist auf seine Herkunft aus dem Kanton Glarus. Nach einer Grundausbildung in Bern und bei Michael Rubellus (Michael Rötlin; * um 1480, † 1520) in Rottweil studierte er in Wien und bei Matthias Aquensis in Köln. 1512 wurde er in Köln Magister und dort 1512 wegen eines Lobgedichtes auf Kaiser Maximilian von diesem zum Poeta Laureatus ernannt. Nachdem er sich im Streit von Johannes Reuchlin gegen die Kölner Dominikaner auf die Seite Reuchlins gestellt hatte, siedelte er 1514 nach Basel über, wo er in fruchtbarem Kontakt mit den Buchdruckern Johann Froben und Heinrich Petri und den Gelehrten Erasmus von Rotterdam und Oswald Myconius bis 1529 als Bursenleiter wirkte; zwischenzeitlich hielt er sich in Pavia (1515) und in Paris (1517–22) auf.[1] In Basel (1516) war sein nachmaliger Freund Aegidius Tschudi sein Schüler.

Da ihn wie Erasmus von Rotterdam das Zurücktreten der klassischen Studien vor religiösen Fragen störte, geriet er aus wissenschaftlichen Bedenken in einen immer schärferen Gegensatz zur Reformation und ging 1529 nach deren Einführung in Basel als Professor der Poetik nach Freiburg im Breisgau. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1560 Poetik, Geschichte und Geografie. Die Stadt ehrte ihn durch die Benennung einer Straße.

Glareans Beitrag zur Musiktheorie in seinem Werk Dodekachordon (1547) war die Erweiterung des Systems der authentischen mittelalterlichen Modi um den ionischen und den äolischen Modus, aus denen sich später das Dur-Moll-System entwickelte, das in der westlichen Musik von ca. 1600 bis 1900 vorherrschend war.

Glarean-Preis

Am 10. Juli 2007 hat die Schweizerische Musikforschende Gesellschaft erstmals den Glarean-Preis in der Höhe von 10'000 Schweizer Franken vergeben. Der neue Wissenschaftspreis wird alle zwei Jahre verliehen und soll die Arbeit von ausgewiesenen Forschern ehren. In den Zwischenjahren soll ein Nachwuchsforscher ebenfalls mit CHF 10'000 ausgezeichnet werden. Empfänger des ersten Glarean-Preises ist Reinhard Strohm von der University of Oxford. Weitere Preisträger sind:

Werke

Literatur

  • Iain Fenlon, Inga Mai Groote (Hrsg.): Heinrich Glarean's books. The intellectual world of a sixteenth-century musical humanist. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2013, ISBN 978-1-107-02269-0.
  • Bernhard Kölbl: Autorität der Autorschaft: Heinrich Glarean als Vermittler seiner Musiktheorie. Reichert, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-89500-925-9.
  • Bernhard Meier: Heinrich Loriti Glareanus als Musiktheoretiker. In: Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 22. Heft (1960), S. 65–112.
  • Hans-Hubertus Mack: Humanistische Geisteshaltung und Bildungsbemühungen. Am Beispiel von Heinrich Loriti Glarean (1488–1563). Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1992, ISBN 3-7815-0708-4.
  • Heinrich GrimmGlarean(us), Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 425 f. (Digitalisat).
  • Nicole Schwindt (Hrsg.): Heinrich Glarean oder: Die Rettung der Musik aus dem Geist der Antike? (= Trossinger Jahrbuch für Renaissancemusik 5), Kassel 2006, ISBN 3-7618-1866-1.
  • Hans Ulrich Bächtold: Glarean. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Andrea Horz: Heinrich Glareans "Dodekachordon". Zu den textuellen Bezügen des Musiktraktats (= Wiener Forum für ältere Musikgeschichte 8). Hollitzer, Wien 2017, ISBN 978-3-99012-312-6.
  • Anja Wolkenhauer: Heinrich Glareanus. In: P. Kuhlmann, H. Schneider (Hrsg.), Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= DNP Suppl. 6), Stuttgart 2012, 474–475.
  • Otto Fridolin Fritzsche: Glarean. Sein Leben und seine Schriften. Huber, Frauenfeld 1890. (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dglareanseinlebe00fritgoog~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  • Thomas Miller: GLAREAN(US), eigentlich Heinrich Loriti (auch Loritis, Loritti oder Loretti). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Bautz, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 530–537.
  • Ludwig GeigerGlarean, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 210–213.
  • Inga Mai Groote (Hrsg.): Glareans Solothurner Studenten. Regionale Identität und internationale Vernetzung in der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur. Zentralbibliothek Solothurn, Solothurn 2013, ISBN 978-3-9523134-7-3. (Veröffentlichungen der Zentralbibliothek Solothurn, Nr. 35)

Weblinks

Commons: Glarean – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dodekachordon

Einzelnachweise

  1. Hans Ulrich Bächtold: Glarean, Artikel im HLS

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