Giovanni Antonio Pandolfi Mealli

Giovanni Antonio Pandolfi Mealli (* 22. Dezember 1624 in Montepulciano; † um 1687 möglicherweise in Madrid) war ein italienischer Komponist und Violinist.

Leben

Der Komponist wurde geboren als Domenico Pandolfi, zweites von vier Kindern von Giovanni Battista Pandolfi und Verginia Bartalini. Die Mutter war Witwe des Mario Mealli, von dem sie zwei Söhne in die Ehe mit Pandolfi einbrachte. Einer dieser beiden wird (zwischen 8 und 9 Jahre alt) als Kastrat-Sänger am Hof von Krakau genannt. Nach dem Tod des Vaters 1629 zog die Mutter mit Pandolfi (fünf Jahre alt) nach Venedig zu dem anderen Halbbruder aus der 1. Ehe der Mutter, an San Marco tätigen Kastraten Giovan Battista Mealli. Zur gleichen Zeit war neben vielen anderen Claudio Monteverdi in Venedig tätig.

Die folgenden Jahre liegen im Dunklen, der Geiger Andrew Manze vermutet eine Ausbildung im von Montepulciano nur 70 km entfernten Perugia, weil dort Benedetto Stella lebte, der einzige Namensgeber der Sonaten opp. 3 & 4 außerhalb des persönlichen Umkreises von Pandolfi sowie der einzige, dem zwei Sonaten gewidmet sind. Stella war ein Zisterzienserprior, weit berühmt für seine Kenntnisse in den Wissenschaften, der Geschichte und der Musik. Auch ist die letzte Sonate von op. 4 einer Teodora Vincioli gewidmet, einer adligen Dame aus Perugia[1].

Pandolfi taucht 1660 unter dem Namen Giovanni Antonio Pandolfi Mealli in Innsbruck auf. Die Webseite Musikland Tirol gibt (ohne Beleg) an[2], er sei schon seit 1652 Mitglied der Innsbrucker Hofmusik gewesen. Warum er den Namen seines Halbbruders dem Geburtsnamen hinzufügte, ist unbekannt, es hängt vielleicht entweder mit Erbschaftsfragen zusammen oder damit, dass er einen geistlichen Rang oder ein geistliches Amt erhielt. Jedenfalls wird er in einer Chronik aus Messina sacerdote di Monte Pulciano genannt, also als Priester bezeichnet[3].

Innsbruck war damals ein europaweit berühmter Mittelpunkt des Musiklebens. In der Mitte des 17. Jahrhunderts bezeichnete 1655 ein Diego Lequile[4] Innsbruck als flagship of wonders, also herausragendes Wunder und das Paradies von Italien, Europa, der Welt. Der regierende Landesfürst von Tirol Erzherzog Ferdinand Karl war musik(theater)begeistert, er berief nach und nach eine alsbald hochangesehene Kapelle (fast ausschließlich Italiener) und ließ 1654 in Innsbruck ein Komödienhaus errichten, das erste freistehende Opernhaus im deutschen Sprachraum. Es fasste 1000 Personen[5] und war die erste deutsche Bühne, die fest angestelltes Personal beschäftigte. Als freigebiger Gönner der Musik waren er und seine Frau Widmungsempfänger von vielen Werken, u. a. von Stefano Bernardi, Francesco Cavalli, Maurizio Cazzati, Biagio Marini, Barbara Strozzi und Pietro Andrea Ziani. Dementsprechend wurde Innsbruck in einem italienischen Bericht[6] aus dem Jahr 1854 als der seinerzeit herausragende deutsche Fürstenhof was sein musikalisches Unterhaltungsangebot anbetrifft bezeichnet.

An diesem Hof war Pandolfi Musiker, er muss ein vorzüglicher Geiger gewesen sein, wenn man nach den technischen Schwierigkeiten seiner Sonaten urteilt[7]. Kollege war der Komponist Giovanni Buonaventura Viviani, Vorgesetzter der seinerzeit für seine Opern berühmte Antonio Cesti. Der bekannte Geigenbauer Jakob Stainer wurde 1658 zum offiziellen Geigenbauer mit dem Titel eines „erzfürstlichen Dieners“ berufen. Hier erschienen 1660 Pandolfis opus 3, gewidmet Erzherzogin Anna de’ Medici, der Frau von Ferdinand Karl und gleichzeitig opus 4 (1660), gewidmet Erzherzog Sigismund Franz (dem jüngeren Bruder und Nachfolger von Ferdinand Karl).

Pandolfi verließ Innsbruck vor 1665, vielleicht im Zusammenhang mit den Sparmaßnahmen, die 1662 auf den Tod von Ferdinand Karl folgten. Ab 1669 ist er in Messina unter dem Namen Pandolfi als Erster Violinist in der Kapelle des Senats der Kathedrale nachweisbar. Im gleichen Jahr erschienen in Rom seine sogenannte Sonate messinesi, dem Fürsten Giovanni Antonio La Rocca von Alcontres gewidmet. 1675 musste er aus Messina fliehen, nachdem er vor oder in der Kathedrale nach längeren Streitereien den Kastraten Giovannino Marquett mit dessen eigenem Schwert getötet hatte. Anlass könnten politische Meinungsverschiedenheiten gewesen sein. Nach einem Aufenthalt in Frankreich ist er seit dem 1. April 1678 in Madrid als Violinist an der Cappella Reale della Corte angestellt, dort starb er wahrscheinlich 1687.

Erläuterungen zu den Quellen

Andrew Manze meinte 1998[8], es gebe Gründe für den Argwohn, „ein gewitzter Musikwissenschaftler habe Pandolfi an einem regnerischen Mittwoch erfunden“, weil über Pandolfis Leben kaum etwas bekannt war. Der New Grove[9] begnügt sich mit „tätig 1660 – 69“, in der MGG gibt es zu Pandolfi keinen Eintrag. Es wurden deshalb, soweit nicht anders angegeben, die Darstellungen des italienischen Violinisten und Musikwissenschaftlers Fabrizio Longo[10] zu Grunde gelegt, der sich intensiv – vor allem unter Auswertung der Quellen – mit Pandolfi beschäftigt hat; von ihm stammen eine ausführliche Biografie und der Text eines Beiheftes zu einer CD.

Werke

  • Op. 1 und op. 2: verschollen.
  • Op. 3 und 4: Sonate à Violino solo, per Chiesa e Camera (jeweils 6 Sonaten), Innsbruck 1660, erhalten im Museo Civico in Bologna. Faksimile hrsg. von Enrico Gatti und Fabrizio Longo, Walhall, Magdeburg 2011. Beide Werksammlungen bilden eine Einheit. Jede einzelne Sonate trägt den Namen einer bestimmten Person, meistens aus dem beruflichen Umfeld, also von Sängern oder Instrumentalisten. Neben Benedetto Stella seien Antonio Cesti (La Cesta, 2. Sonate in op. 3) und Giovanni Buonaventura Viviani (La Viviana, 2. Sonate in op. 4) genannt.
  • Ohne opus: Sog. "Sonate messinesi" (Sonate cioe balletti, sarabande, correnti, passacagli, capriccetti, e una trombetta a uno e dui violini con la terza parte della viola a beneplacito) Rom 1669, Faksimile hrsg. von Fabrizio Longo[11]. Auch hier trägt jede Sonate einen Namen, eine den von Benedetto Stella, eine andere den des Komponisten Bernardo Storace genannt Candeloro, schließlich bemerkenswerterweise eine den des später von Pandolfi getöteten Sängers Giovannino Marquett.

Rezeption

Nur von op. 3 & 4 gibt es Einspielungen, nur sie sind Gegenstand der folgenden Ausführungen (Die „Sonate messinese“ sollen deutlich „zahmer“ als opp. 3 & 4 sein; „da es auch an der lebhaften Phantasie unseres Pandolfi mangelt, könnte es ebensogut das Werk eines anderen Komponisten sein“[12]).

Noch 1901 hörte der italienische Musikwissenschaftler Luigi Torchi[13] zwar „extrem akrobatische“ Musik, es seien, soweit ihm bekannt, die schwierigsten Violinsonaten, aber letztlich ein „Zeugnis einer Zeit der Entartung“. Heute spricht der österreichische Musikwissenschaftler Herbert Seifert[14] von „Manierismen“, „exzessiver Chromatik“ und „dissonanzenreich“, unterlässt aber positive Qualifizierungen. Dem steht gegenüber Manzes Urteil, die Sonaten seien „von musikgeschichtlicher Bedeutung“, Pandolfi stehe sozusagen „an der Wiege der deutsch-österreichischen Violinschule“.[12]

Manze konstatiert:[12] „Daß diese Stücke ihre musikgeschichtliche Bedeutung haben, sollte inzwischen außer Zweifel stehen, aber ihr Wert ist weit höher einzuschätzen. Gemessen an den Kompositionen jeglicher Epoche ist das wirklich bemerkenswerte Musik, nicht zuletzt wegen der meisterhaften Kunst, mit der Pandolfi aus einfachsten Ideen neuartige und unverwechselbare Stimmungen entstehen lässt. Darin gleicht er einem Schachweltmeister, der eine herkömmliche Eröffnung wählt und sie anschließend genial variiert.... Unvorhersehbarkeit gehört zu den wirkungsvollsten Kunstgriffen Pandolfis“. Es handle sich um „meisterhafte Kunst … neuartige … Stimmungen … gleicht … einem Schachweltmeister, der eine herkömmliche Eröffnung wählt und sie anschließend genial variiert … die harmonischen Konventionen schamlos missachtend“.

Tatsächlich sind die Sonaten außerordentlich farbig und ausdrucksvoll, reich an eruptiven Ausbrüchen und bisweilen fast bizarr im Sinne des stylus Phantasticus und bieten Interpreten Gelegenheit, in hohem Maße eigene Auffassungen zur Geltung zu bringen. So dauert die dritte Sonate aus op. 4 bei Andrew Manze 6'33 Minuten, bei Gunar Letzbor mehr als doppelt so lang, nämlich 13'48 Minuten.

Die Einflüsse, die auf Pandolfi Mealli eingewirkt haben und die von ihm ausgegangen sein mögen, sind ein bislang wenig erforschtes Feld, Longo konstatiert vielerlei stilistische Ähnlichkeiten mit den opp. 5 und 8 von Barbara Strozzi.[15] Seifert[16] und Manze[17] sehen in Giovanni Buonaventura Vivianis Violinsonaten Capricci armonici op. 4 (1678) den deutlichen Einfluss von Pandolfi. Manze[18] vermutet, Pandolfi habe die „zauberhaften Sonaten im stylus phantasticus (...1641) des Giovanni Battista Fontana, einem der großartigsten Geiger der damaligen Zeit“ im Laufe seiner Ausbildung kennengelernt. Auch habe Uccellini einige seiner späteren (Violin)Sonaten unter dem Einfluss Pandolfis geschrieben.

Literatur

  • Andrew Manze: Text des Beiheftes zu der CD „Violinsonaten op. 3 & 4“ (s. u.), zitiert in der deutschen Übersetzung von Ingeborg Neumann.
  • Fabrizio Longo: Pandolfi (Pandolfi Mealli), Domenico (in religione Giovanni Antonio). In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 80: Ottone I–Pansa. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2014.
  • Der gleiche Text im Beiheft zur CD Pandolfi Mealli, G.A.: Violin Sonatas, Op. 3 (Gunar Letzbor, Ars Antiqua Austria) 2013.
  • Herbert Seifert: Text des Beiheftes zur CD Violin Sonatas, Op. 4 (Gunar Letzbor, Ars Antiqua Austria – vgl. unten). Seifert ist emeritierter Professor der Musikwissenschaft an der Universität Wien und Autor verschiedener Werke zur Musik des österreichischen Barock. Er bezieht sich ausdrücklich auf Longos Forschungen.

Diskografie

  • Complete Violin Sonatas (Andrew Manze und Richard Egarr); Label HMF 1998/99
  • 12 Sonaten für Violine und Basso continuo opus 3 und opus 4" (Gunar Letzbor und Ars Antiqua Austria); Label: Tiroler Landesmuseum 2003; enthält Hörbeispiel: 5. Sonate aus op. 4 - Dauer 6'03 Minuten.
  • Violinsonaten (Richard Egarr, Fred Jacobs, Andrew Manze); Label: Channel 2006 (enthält 7 Sonaten aus op. 3 & 4, dazu 3 Cembalosuiten eines anonymen Autors).
  • Violinsonaten op. 3 Nr. 1-6 (Letzbor, Ars Antiqua Austria); Label: Arcana / Outhere 2013; Hörbeispiele auf der Webseite des Ensembles[19].
  • Violinsonaten op. 4 Nr. 1-6 (Letzbor, Ars Antiqua Austria); Label: Arcana / Outhere 2013; Hörbeispiele auf der Webseite des Ensembles[20].
  • 6 Sonaten op. 3 für Zink & Bc (Ensemble Le Concert Brisé) 2014; Label: CarpeDiem (enthält auch Werke von Froberger).
  • The Violin Sonatas of 1660 (The Smithsonian Chamber Players - Fewer, Lutzke, Slowik); Label: FoM Recordings der Smithsonian Chamber Music wohl 2014 ; enthält Hörbeispiel: 1. Sonate aus op. 3 - Dauer 3'44 Minuten.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Longo Treccani
  2. Musikland Tirol
  3. Longo Treccani
  4. zitiert nach Longo, Beiheft S. 4
  5. Webseite Musikland Tirol
  6. zitiert nach Longo, Beiheft S. 5
  7. Manze S. 16
  8. Beiheft S. 15
  9. The New Grove Dictionary of Music and Musicians 2. Aufl. OEP London 2001
  10. Website von Fabrizio Longo
  11. 2005@1@2Vorlage:Toter Link/www.webalice.it (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  12. a b c Manze S. 18
  13. zitiert nach dem Beiheft der Smithsonian Players
  14. Text des Beiheftes zur CD Violin Sonatas, Op. 4 (Gunar Letzbor, Ars Antiqua Austria)
  15. Longo: Beiheft S. 8
  16. Text des Beiheftes zur CD Violin Sonatas, Op. 4 (Gunar Letzbor, Ars Antiqua Austria), S. 22
  17. Manze, S. 17
  18. Manze, S. 16
  19. Ars Antiqua Austria
  20. Ars Antiqua Austria