Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands

Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands (GGuA), auch Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der russischen Ostsee-Provinzen, war ein Historischer Verein im russischen Kaiserreich und später in Lettland mit Sitz in Riga.

Geschichte

Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands war eine Gesellschaft, die sich der Erforschung der Geschichte der drei Ostseegouvernements, also Liv-, Est- und Kurland, widmete. Sie wurde am 1. September 1834 auf Betreiben des späteren Pastors in Sankt Petersburg Gustav Reinhold Taubenheim (1795–1865) gegründet und hatte ihren Sitz in Riga. Die Eröffnungssitzung fand am 6. Dezember 1834 statt. Treibende Kraft neben Taubenheim war Karl Eduard von Napiersky, der Herausgeber der "Mitteilungen aus den Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands". Die Gesellschaft schloss eine Lücke, da im Gebiet des Baltikums lediglich eine einzelne Professur für Geschichte an der Universität Dorpat bestand. Insbesondere nach dem Amtsantritt von Sergei Semjonowitsch Uwarow als russischer Bildungsminister sah die Gesellschaft eine wesentliche Aufgabe in der Abwehr der Russifizierungsbemühungen und die Verteidigung der Privilegien der baltischen Provinzen durch historische Forschung. 1896 war die Gesellschaft Ausrichter des 10. Russischen Archäologischen Kongresses in Riga. Seit 1890 führte die Gesellschaft das Livländische Urkundenbuch im Auftrag der baltischen Standschaften. Nach 1919 führte sie den Namen Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen in Riga bzw. Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga.[1] Sie bestand bis 1939.

Die Bibliothek der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde

Von besonderer Bedeutung war die Bibliothek der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde, die zuletzt 70.000 Bände umfasste. Bei Gründung der Gesellschaft 1834 bestanden im Baltikum lediglich Privatsammlungen. Grundlage der Bibliothek war der kurz nach der Gründung der Gesellschaft der Ankauf der beiden Privatsammlungen von Pastor Gustav Bergmann und Pastor Johann Gotthard Schweder. Diese beiden Sammlungen umfassten 6000 Bücher und Handschriften baltischer Geschichte. Durch Ankauf oder Stiftung erwarb man in den folgenden Jahren die Privatsammlungen führender Männer in den Ostseeprovinzen. Dies waren unter anderem die Sammlungen des Generalsuperintendenten Karl Gottlob Sonntag, des Landhofmeisters Friedrich Siegmund von Klopmann, von Johann Friedrich von der Recke und des Pastors Johann Kallmeyer. Im Laufe der weiteren Geschichte wuchs der Bestand durch Zustiftungen kontinuierlich. Besondere Verdienste um die Bibliothek erwarb sich August Wilhelm Buchholtz, der die Bibliothek 1839 bis 1860 leitete.

Das Dommuseum zu Riga

1890 wurde im Rahmen der Sanierung des Doms zu Riga der Kreuzgang zum Dommuseum der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde ausgebaut. Gezeigt wurden archäologische Fundstücke und historische Gegenstände aus der baltischen Geschichte.

Veröffentlichungen

Titel
  • Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands 1834–1939 (Titel seit 1921: Mitteilungen aus der livländischen Geschichte, seit 1938: Mitteilungen aus der baltischen Geschichte)
  • Sitzungsberichte als selbständige Reihe 1873–1936
  • Bibliographie der Archäologie Liv-, Est- und Kurlands. Im Auftrage der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Russlands zusammengestellt von Anton Buchholtz. W. F. Häcker, Riga 1896 (Digitalisat).

Personen

Mitgründer

Präsidenten

Korrespondierende Mitglieder

Korrespondierende Mitglieder Quellen: Sitzungsberichte 31. Mai 1874[2], Sitzungsberichte 1884 (Philippi 1876 bis Stieda 1887)[3], Stand 1905 (Steinbrecht bis Feuereisen)[4]
NameOrt u. ä.SeitAnmerkung
Frederik CygnaeusHelsingfors1842
Bernhard von KoehneSt. Petersburg1843
Georg Christian Friedrich LischSchwerin1843
Eduard von MuraltSchweiz1844[5]
Christopher Andreas HolmboeChristiania1844
Friedrich Ludwig von MedemStettin1844[6]
Ernst TillichMitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz1845
Nikolai MurzakewiczGeheimrat und Direktor der Odessaer Gesellschaft für Geschichte1847[7]
Richard RoepellBreslau1847[8]
Gregor von HelmersenMitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg1847
Christian Friedrich WaltherWirklicher Staatsrat und Bibliothekar an der kaiserlich öffentlichen Bibliothek St. Petersburg1849[9]
Nicolai von AdelungGeheimrat in Stuttgart1849
Alexander Petrowitsch JasykowDirektor der Rechtsschule in St. Petersburg1860
Nikolai Wassiljewitsch WaradinowGeheimrat in St. Petersburg1850[10]
Rudolf MinzloffBibliothekar an der kaiserlich öffentlichen Bibliothek St. Petersburg1850
Anders FryxellSchweden1851
Julius von HagemeisterSt. Petersburg1851
Carl Wilhelm PauliLübeck1851
Anton SchiefnerMitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg1851
Kurd von Schlözernachmaliger Geschäftsträger des Deutschen Reiches in Washington1851
Julius von BohlenInsel Rügen1852
Josef von ScheigerGraz1853
Ernst HerrmannMarburg1854
Heinrich Georg EhrentrautHannover1854
Ernst BonnellBibliothekar an der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek St. Petersburg1855[11]
Friedrich von AspernHamburg1856
Johannes MüllerMedizinalrat in Berlin1862
Karl LohmeyerKönigsberg in Preußen1862[12][13]
Bolesław ŁopacińskiWilna1864
Adam KirkorKrakau1865[14]
Maurycy KrupowiczBibliothekar in Skierniewice, Polen1866
Carl CrögerLeipzig1866[15]
Eduard WinkelmannHeidelberg1867
Julius von EckardtSekretär des Senats in Hamburg1868[16][17]
Johann Georg KohlBremen1870
Johann Heinrich WoldemarArchivar in Mitau1871
Julius IversenSt. Petersburg1872[18]
Richard HausmannDorpat1872[19]
Konstantin HöhlbaumGöttingen1873[20]
Hermann HildebrandStadtarchivar in Riga1873
Rudolf PhilippiKönigsberg in Preußen1876
Karl KoppmannRostock1876
Goswin von der RoppProfessor an der Universität Gießen1876[21]
Georg DehioKönigsberg in Preußen1877[22]
Max PerlbachKustos an der Universitätsbibliothek Halle a. d. Saale1877
William MollerupKopenhagen1881[23]
Karl Ernst Hermann KrauseRostock1882
Carl Arvid von KlingsporUppsala1883
Heinrich DiederichsMitau1884[24]
Reinhold GulekeDorpat1884[25]
Theodor SchiemannReval1884[26]
Carl von VetterleinStaatsrat, Bibliothekar an der kaiserlich öffentlichen Bibliothek St. Petersburg1884
Christian GielSt. Petersburg1886[27]
Wilhelm StiedaRostock1887[28]
Conrad SteinbrechtMarienburg in Preußen1889
Leonid ArbusowRiga, Sassenhof1889
Gustav OttoMitau1890
Joseph GirgensohnFrankfurt am Main1894
Arend BuchholtzBerlin1894
Dietrich SchäferBerlin1894
Adolph HofmeisterRostock1894
Harald von TollReval, Ritterhaus1894
Alexander BergengrünBerlin1894
Oskar StavenhagenMitau1895
Alexander RosenbergDorpat1896
Alfred HackmanHelsingfors1896
Hjalmar AppelgrenHelsingfors, Historisches Museum1896
Wladimir TrutowskiMoskau1897
Erich JoachimKönigsberg in Preußen1897
August SeraphimKönigsberg in Preußen1897
Axel von GernetSt. Petersburg1897
Alexander von RahdenMitau1900
Johannes HallerGießen1902
Arnold FeuereisenRiga1905

Literatur

  • Arnold Feuereisen: Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga in ihrem Wiederaufbau, 1923-1928. R. Ruetz, Riga 1929
  • Arnold Feuereisen: Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga vor und nach dem Weltkriege. Jouck & Poliewsky, Riga [1923]
  • Bernhard von Hollander: Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga 1834–1934. In: Baltische Monatshefte, 1934, S. 471 ff.
  • Margit Romang: Die Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der russischen Ostseeprovinzen zu Riga. In: Jörg Hackmann (Hrsg.): Vereinskultur und Zivilgesellschaft in Nordeuropa. Böhlau, Köln 2012, S. 203–224. (Digitalisat)
  • Heinz Loeffler: Das Dommuseum zu Riga. In: Baltische Monatshefte, Jg. 1934, S. 483 ff.
  • Hellmuth Weiss: Die historischen Gesellschaften. In: Georg von Rauch (Hrsg.): Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung. Böhlau, Köln 1986, S. 121–139. (speziell S. 124–128 und Anm. 16)
  • Albert Bauer: Die Bibliothek der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga. In: Baltische Monatshefte, 1934, S. 498 ff.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Die erstgenannte Namensform findet sich beispielsweise auf dem Titelblatt des 1922 in Riga erschienenen, von der Gesellschaft herausgegebenen und von Karl von Löwis of Menar erarbeiteten Burgenlexikons für Alt-Livland.
  2. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahr 1873, W. F. Häcker, Riga 1874 (Digitalisat auf Internet Archive)
  3. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahr 1884, W. F. Häcker, Riga 1885 (Digitalisat auf Internet Archive)
  4. Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahr 1905, W. F. Häcker, Riga 1906 (Digitalisat auf Internet Archive)
  5. auch 1884
  6. auch 1884
  7. auch 1884
  8. auch 1884
  9. auch 1884, dort von Walter
  10. auch 1884, dort verschrieben Watadinov
  11. auch 1884
  12. auch 1884
  13. auch 1905
  14. auch 1884
  15. auch 1884, dort ab 1865
  16. auch 1884
  17. auch 1905
  18. auch 1884
  19. auch 1884
  20. auch 1884, dort Köln
  21. auch 1905, dort Marburg
  22. auch 1905, dort Strassburg im Elsass
  23. auch 1905
  24. auch 1905
  25. auch 1905
  26. auch 1905
  27. auch 1905
  28. auch 1905, dort Leipzig

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