Geschichte der Juden in Südafrika

Die „Alte“ oder „Paul Kruger Street Synagogue“, Pretoria
Raleigh Street Synagogue in Port Elizabeth

Die Geschichte der Juden in Südafrika beginnt mit der Ankunft der ersten Europäer an der Küste des späteren Südafrika.
Eine bisher nicht anerkannte Gruppe sind die Lemba, die im Norden Südafrikas, in Simbabwe und Malawi leben.

Geschichte

Portugiesische Erkundungen (ab 1497)

Bereits auf dem ersten portugiesischen Schiff, das 1497 unter dem Kommando Vasco da Gamas das Kap der Guten Hoffnung erreichte, arbeiteten Juden als Kartographen und andere Fachleute.

Niederländische Kolonialzeit (1652–1805)

Auch unter den niederländischen Siedlern, die 1652 um den jungen niederländischen Kaufmann Jan van Riebeeck Kapstadt gründeten, befanden sich einige Juden, die ihre Religion jedoch nicht praktizierten.[1] Das Praktizieren der Jüdischen Religion – und auch der offizielle Aufenthalt in der niederländischen Kolonie Südafrika – wurde den Juden erst am 25. Juli 1804 durch den niederländischen General-Kommissar Jacob Abraham de Mist per Proklamation gestattet.[2]

Britische Kolonialzeit (1806–1910)

Nach der Besetzung der Kapprovinz durch die Briten 1806 kamen kleinere jüdische Einwandergruppen und 1841 entstand in Kapstadt die erste jüdische Gemeinde im südlichen Afrika, die Tikvath-Israel Gemeinde. Es folgte 1857 eine Gemeinde in Port Elizabeth, 1875 in Kimberley und 1901 in East London.[3]

In Folge der Goldfunde in Transvaal wanderten in den 1860er und 1880er Jahren weitere Juden vor allem aus England und Deutschland ins Land ein, die bald eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Minenindustrie und des Handels spielen sollten. Ab 1886 gründeten sich jüdische Gemeinden in und um Johannesburg.

Im Jahr 1880 lebten etwa 4000 Juden in Südafrika.[4]

Zwischen 1880 und 1910 gelangten in mehreren Wellen etwa 40.000 jüdische Einwanderer aus Osteuropa, zumeist aus Litauen, hierher. Überwiegend kamen sie auf der Flucht vor den Pogromen in Russland. Aufgrund der Freiheit und der wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten assimilierten sich die Eingewanderten sehr rasch.[5]

Südafrikanische Union (1910–1947)

Im Jahr 1912 wurde der «South African Jewish Board of Deputies», der Dachverband der südafrikanischen jüdischen Gemeinden, gegründet.[6]

In den 1930er Jahren war in Südafrika ein zunehmender Antisemitismus feststellbar, als sich der afrikaanische Nationalismus ideologisch immer deutlicher an Nazideutschland anlehnte und sich jüdische Einwanderer zunehmend in der Communist Party of South Africa engagierten. Allerdings kam es nicht zu einer offen antisemitischen Politik oder gar antisemitischen Gesetzen.[7] 1930 wurde während der Amtszeit des Justizministers Oswald Pirow die Einwanderung mit dem Immigration Quota Act (Act No. 8 / 1930) restriktiv reguliert[8] und 1937 durch den Aliens Act (Act No. 1 / 1937) (deutsch: Fremden-Gesetz) wegen der zu prüfenden „Assimilierbarkeit“ die Einwanderung von Personen aus bestimmten Ländern, darunter Juden, stark eingeschränkt.[9][10] Auf der Basis des Alien Act prüfte eine Einwanderungsbehörde (Immigrants Selection Board) die Anträge von Ausländern auf Erlaubnis für einen dauerhaften Aufenthalt und entschied positiv, wenn eine „schnelle Assimilation mit den europäischen Einwohnern zu erwarten war“.[11]

Dennoch gelang in den Jahren 1933 bis 1936 noch etwa 3600 deutschen Juden die Flucht nach Südafrika. 1936 wurden mehr als 500 jüdische Flüchtlinge an Bord des Überseedampfers «Stuttgart» beim Einlaufen in den Hafen von Kapstadt mit einer lautstarken antisemitischen «Protestdemonstration» empfangen.[6]

Während des Zweiten Weltkrieges war die Gesamtzahl der Juden in Südafrika auf knapp 120.000 angewachsen, eine zahlenmäßige Stärke, die später nicht mehr erreicht wurde.[6]

In der Apartheid (1948–1994)

In der Zeit der Apartheid in Südafrika wurden die jüdische Bevölkerung als „Weiße“ eingestuft und damit der privilegierten „Rasse“ zugeordnet. Dennoch entfaltete sich in der National Party, der Partei der Apartheid, auch ein deutlicher Antisemitismus.[12] In der Mehrheit traten die südafrikanischen Juden für eine friedliche Abschaffung des Systems der Rassendiskriminierung ein. Etliche engagierten sich aktiv im Kampf gegen die Apartheid, darunter Nadine Gordimer, Albie Sachs, Harry Schwarz, Helen Suzman und Joe Slovo. Im Rivonia-Prozess gegen die damalige Führung der Widerstandsbewegung waren vier der Angeklagten Juden, während der Staatsanwalt, Percy Yutar, ebenfalls Jude war.

Wegen des Apartheidsystems und der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten verließen zwischen 1970 und 1992 etwa 39.000 Juden das Land, während etwa 10.000 Israelis in dieser Zeit nach Südafrika einwanderten.[13]

Nach der Apartheid (seit 1995)

Insbesondere aus ökonomischen Gründen und der hohen Kriminalitätsrate verließen in den 1990er Jahren und bis 2003 jährlich etwa 1800 Juden das Land. Seither hat sich ihre Zahl bei etwa 75.000 bis 80.000 stabilisiert.[14] Andere Quellen geben deutlich mehr an, so nennt etwa das Neue Lexikon des Judentums für 1986 mehr als 150.000 – überwiegend aschkenasische – Juden in Südafrika.[15]

Demografie

Jahr188019111936196519802001
Anzahl4.00047.00090.000116.000108.00072.500
Gesamtbevölkerung17.057.00029.285.00046.900.000
Anteil0,680 %0,369 %0,155 %

Quellen: 1880 und 1911: [16] 1965: [17] 1980: [18] 2001: [19]

Großrabbiner

Eine Liste der Großrabbiner von Südafrika enthält die Aufstellung: → Staaten in Afrika unter Südafrika.

Personen

Personen südafrikanisch-jüdischer Abstammung oder jüdische Personen mit Bezug zu Südafrika sind:

Kunst

Nadine Gordimer, 2010
NameGeburtLandTodLand
Johnny Clegg1953Vereinigtes Königreich2019Südafrika, JohannesburgMusiker
John Cranko1927Südafrika, Rustenburg1973DeutschlandTanzregisseur
David Goldblatt1930Südafrika, Randfontein2018Fotograf
Arthur Goldreich1929Südafrika, Johannesburg2011IsraelMaler
Nadine Gordimer1923Südafrika, Springs2014Südafrika, JohannesburgSchriftstellerin
Laurence Harvey1928Litauen1973Vereinigtes KönigreichSchauspieler
Ronald Harwood1934Südafrika, KapstadtDrehbuchautor
Sidney James1913Südafrika, Johannesburg1976Vereinigtes KönigreichSchauspieler
Hermann Kallenbach1871Russisches Kaiserreich1945SüdafrikaArchitekt
William Kentridge1955Südafrika, JohannesburgFilmproduzent
Manfred Mann1940Südafrika, JohannesburgMusiker
Trevor Rabin1954Südafrika, JohannesburgMusiker
Antony Sher1949Südafrika, KapstadtSchauspieler
Janet Suzman1939Südafrika, JohannesburgSchauspielerin
Pieter-Dirk Uys1945Südafrika, KapstadtTravestiekünstler
Rose Zwi1928Mexiko2018Schriftstellerin

Politik

Helen Zille, 2010
NameGeburtLandTodLand
Lionel Bernstein1920Südafrika, Durban2002Vereinigtes KönigreichPolitiker
Brian Bunting1920Südafrika, Johannesburg2008Südafrika, KapstadtPolitiker
Sidney Bunting1873Vereinigtes Königreich1936Südafrika, KapstadtPolitiker
Sonia Bunting1922Südafrika, Johannesburg2001Südafrika, KapstadtPolitikerin
Abba Eban1915Südafrika, Kapstadt2002Israelisraelischer Politiker
Ruth First1925Südafrika, Johannesburg1982MosambikSozialwissenschaftlerin
Denis Goldberg1933Südafrika, Kapstadt2020Südafrika, KapstadtBürgerrechtler
Joel Joffe1932Südafrika, Johannesburg2017Vereinigtes KönigreichPolitiker
Ronnie Kasrils1938Südafrika, JohannesburgPolitiker
Tony Leon1956Südafrika, DurbanPolitiker
Solly Sachs1900Litauen1976Vereinigtes KönigreichGewerkschafter
Harry Schwarz1924Deutschland2010Südafrika, JohannesburgPolitiker
Joe Slovo1926Litauen1995Südafrika, JohannesburgPolitiker
Helen Suzman1917Südafrika, Germiston2009Südafrika, JohannesburgPolitikerin
Helen Zille1951Südafrika, JohannesburgPolitikerin

Rechtswesen

NameGeburtLandTodLand
Arthur Chaskalson1931Südafrika, Johannesburg2012Südafrika, JohannesburgJurist
Richard Goldstone1938Südafrika, BoksburgJurist
Albie Sachs1935Südafrika, JohannesburgJurist
Harold Wolpe1926Südafrika, Johannesburg1996KapstadtJurist
Percy Yutar1911Südafrika, Kapstadt2002Südafrika, JohannesburgJurist

Religion

NameGeburtLandTodLand
Joseph Hertz1872Ungarn1946Vereinigtes KönigreichGroßrabbiner

Sport

Jody Scheckter, 1976
NameGeburtLandTodLand
Ilana Kloss1956Südafrika, JohannesburgTennisspielerin
Sarah Poewe1983Südafrika, KapstadtSchwimmerin
Philip Rabinowitz1904Litauen2008Südafrika, KapstadtLeichtathlet
Jody Scheckter1950Südafrika, East LondonRennfahrer
Shaun Tomson1955Südafrika, DurbanSurfer

Wirtschaft

NameGeburtLandTodLand
Barney Barnato1852Vereinigtes Königreich1897Portugal, MadeiraDiamantenmagnat
Alfred Beit1853Deutschland1906Vereinigtes KönigreichDiamantenmagnat
Sol Kerzner1935Südafrika, Johannesburg2020Südafrika, KapstadtHotelinhaber
Ernest Oppenheimer1880Deutschland1957Südafrika, JohannesburgDiamantenmagnat
Harry Frederick Oppenheimer1908Südafrika, Kimberley2000Südafrika, JohannesburgDiamantenmagnat

Wissenschaft

Aaron Klug, 1979
NameGeburtLandTodLand
Sydney Brenner1927Südafrika, Germiston2019SingapurBiologe
Ruth First1925Südafrika, Johannesburg1982MosambikSozialwissenschaftlerin
Meyer Fortes1906Südafrika, Britstown1983Vereinigtes KönigreichAnthropologe
Max Gluckman1911Südafrika, Johannesburg1975Vereinigtes KönigreichEthnosoziologe
Aaron Klug1926Litauen2018Vereinigtes Königreich, CambridgeBiochemiker
Ludwig Lachmann1906Deutschland1990Südafrika, JohannesburgÖkonom
Arnold A. Lazarus1932Südafrika, Johannesburg2013USAPsychologe
Stanley Mandelstam1928Südafrika, Johannesburg2016USAPhysiker
Seymour Papert1928Südafrika, Pretoria2016USAMathematiker
Peter Sarnak1953Südafrika, JohannesburgMathematiker
Isaac Schapera1905Südafrika, Garies2003Vereinigtes KönigreichAnthropologe
Selmar Schönland1860Deutschland1940Südafrika, GrahamstownBotaniker
Joseph Sherman1944Südafrika, Johannesburg2009Vereinigtes KönigreichJiddist
Phillip Tobias1925Südafrika, Durban2012Südafrika, JohannesburgPaläanthropologe
Joseph Wolpe1915Südafrika, Johannesburg1997USAPsychiater
Lewis Wolpert1929Südafrika2021Biologe
Solly Zuckerman1904Südafrika, Kapstadt1993Vereinigtes KönigreichZoologe

Synagogen

In Südafrika befinden/befanden sich folgende Synagogen:[20][21]

  1. Kimberley Road Shul[22]
  2. Poswohl Synagogue
  3. President Street Synagogue
  4. Park Synagogue
  5. Wolmarans Synagogue
  1. Tikvath Israel Synagogue
  2. Arthur’s Road Orthodox Hebrew Congregation
  3. Garden Shul (älteste Synagoge Südafrikas, 1841)[23]
  4. Great Synagogue
  5. Green and Sea Point Hebrew Congregation
  6. Chabad Synagogue
  7. Sephardic Hebrew Congregation
  1. Glendinningvale Synagogue
  2. Raleigh Street Synagogue - aufgegeben, beheimatet seit 1986 das Jewish Pioneer’s Memorial Museum.
  1. Paul Kruger Street Synagogue (eingeweiht 1898, älteste in Pretoria, 1952 umgewandelt in Gerichtsgebäude)

Siehe auch

Weiterführende Literatur

Lisa Greenstein (Hrsg.): Jewish life in the South African country communities. South African Friends of Beth Hatefutsoth, Johannesburg 2002 (3 Bände[24])

Weblinks

Quellen

  1. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/South_Africa.html
  2. http://jewishencyclopedia.com/articles/13936-south-africa
  3. Südafrika. In: Julius Hans Schoeps (Hrsg.): Neues Lexikon des Judentums. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1992, ISBN 3-570-09877-X, S. 436.
  4. Michael Brenner: Kleine jüdische Geschichte, Googlebook
  5. www. kapstadt.de, abgerufen am 2. Februar 2013.
  6. a b c «Garden Shul» am Kap der Guten Hoffnung – Auf Besuch bei jüdischen Gemeinden in der «Regenbogen-Nation» Südafrika (Memento vom 21. Februar 2009 im Internet Archive), abgerufen am 7. Mai 2013
  7. Zum Überblick in die Garden Shul
  8. South Africa, National Legislation Index. auf www.legalb.co.za, abgerufen am 21. April 2013
  9. 1937. Aliens Act. auf www.nelsonmandela.org, abgerufen am 21. April 2013
  10. Encyclopaedia Judaica: South Africa. auf www.jewishvirtuallibrary.org, abgerufen am 21. April 2013
  11. SAIRR: A Survey of Race Relations in South Afrika 1963. Johannesburg 1964, S. 143
  12. Kleine jüdische Geschichte von Michael Brenner, Googlebook
  13. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/South_Africa.html#Apartheid%20Regime
  14. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/South_Africa.html#Apartheid%20Regime
  15. Südafrika. In: Julius Hans Schoeps (Hrsg.): Neues Lexikon des Judentums. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1992, ISBN 3-570-09877-X, S. 436.
  16. [1] www.kapstadt.de, abgerufen am 2. Februar 2013.
  17. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 29. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ajcarchives.org (PDF; 97 kB) www.ajcarchives.org, englisch, abgerufen am 18. Januar 2013
  18. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 29. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ajcarchives.org (PDF; 72 kB) www.ajcarchives.org, englisch, abgerufen am 18. Januar 2013
  19. Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 4. August 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ajcarchives.org (PDF; 420 kB) www.ajcarchives.org, englisch, abgerufen am 18. Januar 2013
  20. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Judaism/synsa.html
  21. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/South_Africa.html
  22. Archivlink (Memento vom 15. März 2011 im Internet Archive) Fotos
  23. The Gardens Shul
  24. JISC: bibliografischer Nachweis (englisch)

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