Gertrude Fröhlich-Sandner

Gertrude Sandner (1970)
Gertrude Fröhlich-Sandner Signatur 1976.jpg

Gertrude Fröhlich-Sandner (* 25. April 1926 als Gertrude Kastner in Wien; † 13. Juni 2008 ebenda) war von Beruf Lehrerin und österreichische Politikerin (SPÖ).

Privatleben

Gertrude Kastner besuchte während des Zweiten Weltkriegs die Lehrerbildungsanstalt und heiratete einen Soldaten, der aus dem Krieg nicht mehr zurückkehrte. Seit dieser (ersten) Heirat trug sie den Familiennamen Sandner. Gertrude Sandner unterrichtete ab 1948 als Volksschullehrerin.

Aufsehen erregte sie, als sie, bereits prominente SPÖ-Politikerin, am 10. Februar 1971 den ÖVP-Gemeinderat Josef Fröhlich, Wirt und Interessenvertreter der Wiener Tourismuswirtschaft, heiratete. Josef Fröhlich schied aus diesem Anlass aus dem Gemeinderat aus, behielt aber seine Funktionen in der Wirtschaftskammer noch jahrzehntelang bei. Eheschließungen von Politikern „unterschiedlicher Parteifarbe“ waren damals noch absolut unüblich. In ihren letzten Jahren lebte Fröhlich-Sandner von Josef Fröhlich getrennt.

Politik

Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin engagierte Sandner sich bei den Kinderfreunden und bei der SPÖ.

1959 wurde sie für den 6. Bezirk in den Gemeinderat gewählt. Ab 1965 war sie unter Bürgermeister Bruno Marek amtsführende Stadträtin für Kultur, Schulverwaltung und Sport, 1969–1984 außerdem Vizebürgermeisterin und Landeshauptmann-Stellvertreterin (siehe die sieben Landesregierungen und Stadtsenate von Marek I bis Gratz IV). Gleichzeitig war sie Präsidentin der Wiener Festwochen, der Wiener Symphoniker, des Wiener Fremdenverkehrsverbandes (heute Wiener Tourismusverband) und anderer Einrichtungen. Sie blieb auch unter den Bürgermeistern Felix Slavik (in dessen Amtszeit sie politisch unkonventionell heiratete, siehe Privates) und Leopold Gratz im Stadtsenat.

Als Kulturstadträtin vertrat sie den Dialog mit der Wiener 68er-Bewegung. Durch Verhandlungen mit Hausbesetzern (Arena, Amerlinghaus, Gassergasse) konnte unter anderem das heute beliebte Spittelbergviertel dank ihr ebenso erhalten werden wie das 1962 unter ihrem Vorgänger Hans Mandl von der Stadtverwaltung angekaufte Raimundtheater. Fröhlich-Sandner führte über das Landesjugendreferat in der Magistratsabteilung 13 in Wien „Streetworker“, sozialtherapeutische Wohngemeinschaften sowie in städtischen Heimen statt Schlafsälen familienähnliche Kleingruppen ein.

1979 übergab Gertrude Fröhlich-Sandner auf Wunsch von Bürgermeister Gratz die Kulturagenden an den von ihm neu in den Stadtsenat geholten Medienstar Helmut Zilk und war dann bis 1984, als Zilk zum Bürgermeister gewählt wurde, als amtsführende Stadträtin für Bildung und außerschulische Jugendarbeit zuständig.

Am 10. September 1984 holte Bundeskanzler Fred Sinowatz sie als Bundesministerin für Familie, Jugend und Konsumentenschutz in die rot-blaue Bundesregierung Sinowatz; der Regierung gehörte sie bis zum Ende der folgenden Bundesregierung Vranitzky I am 21. Jänner 1987 an.

2011 wurde bekannt, dass es im Schloss Wilhelminenberg, das 1961 bis 1977 als Heim für Sonderschülerinnen diente, laut Opferangaben zu zahlreichen Übergriffen und Vergewaltigungen von dort untergebrachten Mädchen gekommen ist.[1] Die Stadtverwaltung sah sich veranlasst, eine Kommission zur Aufklärung dieser juristisch längst verjährten kriminellen Vorfälle einzurichten. Dabei sollte auch geklärt werden, ob die politische Ebene damals von den Vorfällen Kenntnis erlangte und wie sie gegebenenfalls darauf reagierte.[2]

Die Kommissionsvorsitzende, Richterin Barbara Helige, erklärte dazu im Juni 2013 in einem Interview mit der Wiener Wochenzeitung Falter:

Frage: Die Stadt wusste es also und hat zugeschaut?
Helige: Die MA 11 wusste alles, bis 1973 war Maria Jacobi als verantwortliche Stadträtin und danach war Gertrude Fröhlich-Sandner zuständig. Wir haben Briefe an Jacobi gefunden. Sie war voll informiert – allerdings nicht über die sexuellen Übergriffe.[3]

Ehrungen

Wiener Zentralfriedhof – Ehrengrab von Gertrude Fröhlich-Sandner
Campus Gertrude Fröhlich-Sandner im Nordbahnviertel in Wien-Leopoldstadt

Belletristik

Peter Henisch ließ seinen 1975 erschienenen Roman Die kleine Figur meines Vaters mit einer Szene im Wiener Rathaus beginnen, bei der sein Vater Walter Henisch von der Frau Vizebürgermeister für seine Verdienste als Fotograf geehrt wurde. Da Gertrude Fröhlich-Sandner erster weiblicher Vizebürgermeister und erster weiblicher Kulturstadtrat Wiens war, bezieht sich die Szene zweifelsfrei auf sie, obwohl ihr Name im Text nicht aufscheint.[6]

Weblinks

Commons: Gertrude Fröhlich-Sandner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vergewaltigungen im Kinderheim?, auf orf.at, 15. Oktober 2011, zuletzt aufgerufen am 28. März 2013; Georg Hönigsberger, Julia Schrenk: Kinderheim des Grauens: „Wir wurden alle vergewaltigt und verkauft.“ auf kurier.at, 5. Dezember 2011, zuletzt aufgerufen am 28. März 2013. Gewalt und Demütigungen. In: Der Spiegel vom 27. Februar 2012.
  2. Barbara Helige leitet Aufklärungskommission, Meldung vom 21. Oktober 2011 auf der Website der Wiener Tageszeitung Der Standard
  3. Florian Klenk, Barbara Tóth: „Die Stadt wusste alles“, Gespräch über die große Schande des Roten Wien und die Lehren für die Gegenwart, in: Wochenzeitung Falter, Wien, Nr. 25 / 2013, 19. Juni 2013, S. 16 ff.
  4. Lageplan des Grabes auf der Website von Hedwig Abraham, Guide: Kunst und Kultur in Wien
  5. Campus Gertrude Fröhlich-Sandner auf der Website der Wiener Stadtverwaltung
  6. Peter Henisch: Die kleine Figur meines Vaters, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1975, Fischer-Taschenbuch, 1980, ISBN 3-596-22097-1, S. 7 f.

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Vice-burgemeester van Wenen Gertrude Sandner (Sociale Partij Oostenrijk) gaat trouwen met Josef Frohlich (Volkspartij Oostenrijk), koppen
Wiener Zentralfriedhof - Gruppe 14 C - Gertrude Fröhlich-Sandner.jpg
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Wiener Zentralfriedhof - Gruppe 32 C, Ehrengrab von Getrude Fröhlich-Sandner
Austria Bundesadler.png
Wappen der Republik Österreich (Bundeswappen): Österreichisches Staatswappen in der offiziellen Version entsprechend dem Bundesgesetz vom 28. März 1984 über das Wappen und andere Hoheitszeichen der Republik Österreich (Wappengesetz), BGBl. Nr. 159/1984.

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch ein Wappen mit Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Es versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981 mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurde das Wappengesetz von 1945 außerkraftgesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 wurde das Wappen der Republik Österreich (Bundeswappen) in seiner aktuellen Version eingeführt.
Austria Bundesadler.svg
Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Die Schule Campus Gertrude Fröhlich-Sandner in der Ernst-Melchior-Straße in der Wiener Leopoldstadt.
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Gertrude Fröhlich-Sandner Signatur 1976