Gertraud von Schellenbühel

Kandelaber
Gertraud von Schellenbühel, 1910–13
Messing, versilbert
Stadtmuseum, München.

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Gertraud (Schnell) von Schellenbühel (* 19. Mai 1878 in Jena; † 1959 ebenda) war eine Bildhauerin und Silberschmiedin. Sie war Teil der Jugendstilbewegung in München. Der Entwurf für einen Kerzenleuchter gilt als ihr herausragendstes Werk.

Leben

1878 kam Gertraud von Schellenbühel als Tochter von Emilie Schnell von Schellenbühel, geborene Markscheffel, und ihres Ehemanns Karl, einem Major, zur Welt. Die Familie lebte ab den 1890er Jahren in Weimar. Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter 1899 in das Haus in der Lisztstraße 25, in dem Schellenbühel ab 1915 im ersten Obergeschoss eine Werkstatt betrieb. Die Mutter starb 1925.

Schellenbühels Schwester Jenny wurde Illustratorin. Gertraud von Schellenbühel studierte an der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst, Weimar Malerei bei Carl Frithjof Smith. Nach ihrem Umzug nach München im Jahr 1900 wechselte sie an die Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins zu Angelo Jank. 1902 besuchte sie die neu gegründete Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte und freie Kunst, München. Dort wurde sie in der Metallwerkstätte von Else Sapatka-Hartmann ausgebildet und präsentierte schon im Dezember 1903 eigene Arbeiten in der ersten öffentlichen Ausstellung der Schule. In der Ausstellung im Großherzoglichen Museum im Dezember 1904 in Weimar äußerte ein Besucher über die Künstlerin, sie stelle „so schöne Goldschmiede-Sachen aus, dass es einem fast unglaublich vorkommt, dass ein Mädchen sie nicht nur entworfen, sondern auch ausgeführt hat.“ Weiter bemerkte er „Die Preise sind nicht sehr hoch.“[1]

Nach Ihrer Ausbildung pendelte Gertraud von Schellenbühel zwischen den Wohnorten Weimar und München, hielt dabei aber stets engen Kontakt zu den Künstlern und Künstlerinnen der Debschitz-Schule. 1911 arbeitete sie in der Werkstätte des Gold- und Hofsilberarbeiters des Prinzen Alfons von Bayern Adalbert Kinzinger. Nach 1915 gab Schellenbühel sowohl ihre Werkstatt als auch ihre Wohnung in München auf.

Schellenbühel trat dem Deutschen Werkbund 1917 bei.

Werk

Ihre bekannteste Arbeit, einen vierundzwanzigflammigen Kerzenleuchter aus versilbertem Messing, entwarf die Künstlerin im Jahr 1913. Kunsthistorisch wird er auf eine Stufe gestellt mit dem Wandbehang Der Peitschenhieb (Hermann Obrist und Berthe Ruchet, 1895), dem Schwanenteppich (Otto Eckmann, 1896/1897), dem Farbholzschnitt Der Kuss (Peter Behrens, 1898), dem dreizehnflammigen Kerzenleuchter in Pfauenradform (Bruno Paul, 1901) und den Illustrationen zu Nietzsches Also sprach Zarathustra (Henry van de Velde, 1908).[2] Der Leuchter gehört stilistisch mit seinen schwingenden, dynamischen Formen eher zum frühen Münchner Jugendstil. Erstmals wurde er im Haus der Gesellschaft Museum im Palais Porcia, München durch den Kleinen Ausstellungsverband für Raumkunst, deren Mitglieder zum Umfeld der Debschitz-Schule gehörten, ausgestellt. Die Gruppe verfolgte das Ziel, „die freudige Reformbewegung der neunziger Jahre mit Hilfe der inzwischen gewonnenen besseren technischen Schulung fortzuführen. Man erstrebt das persönlich gestaltete Einzelstück für sehr differenzierende Kulturbedürfnisse.“ (Wolfgang von Wersin)[3] Der Leuchter wurde in der Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1914 in Köln gezeigt und im Jahrbuch 1915 ganzseitig abgebildet.

Die Münchner Zeitschrift Die Kunst, das Leipziger Kunstgewerbeblatt, die Fachzeitschrift Deutsche Goldschmiede-Zeitung und Die Goldschmiedekunst veröffentlichten regelmäßig Werke von Gertraud von Schellenbühel. Über eine Tätigkeit als Silberschmiedin nach 1945 fehlen jedoch bisher jegliche Hinweise.

Der überwiegende Teil ihrer Arbeiten gilt als verschollen. Eine ihr zugeschriebene Stickarbeit (um 1902) befindet sich im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.[4] Einige Schmuckstücke und der große Leuchter aus versilbertem Messing werden heute in Ausstellungen zum Jugendstil regelmäßig gezeigt. Die 1952er Schau Um 1900 – Art nouveau und Jugendstil im Kunstgewerbemuseum Zürich machte nach dem Zweiten Weltkrieg den Anfang. 1959 wurde er auch im Museum of Modern Art, New York ausgestellt. 1988 schaffte es der Leuchter auf das Titelblatt des Ausstellungskataloges Art Nouveau in Munich: Masters of Jugendstil, die 1988 im Philadelphia Museum of Art, 1988/89 im Los Angeles County Museum of Art und 1989 im Saint Louis Art Museum gezeigt wurde.[4]

Ausstellungen

  • 1903: Präsentation von Kupfer-, Silber- und Schmuckarbeiten in der ersten öffentlichen Ausstellung der Lehr- und Versuchs-Ateliers für freie und angewandte Kunst, München.
  • 1904: Ausstellung von Gold- und Silberschmiedearbeiten im Großherzoglichen Museum für Kunst und Gewerbe, Weimar.
  • 1906: Teilnahme an der Bayerischen Jubiläums-Landes-Ausstellung in Nürnberg, Lobende Erwähnung ihres Kaffeeservices in Silber mit Ebenholz und Perlmutteinlagen.
  • 1907: Präsentation von Metallarbeiten, einer Plastik und einer Holzarbeit in der Ausstellung für angewandte Kunst der Ateliers und Werkstätten für angewandte Kunst W. v. Debschitz und H. Locher.
  • 1910: Atelierausstellung für Kunst und Gewerbe durch Schwabinger Künstler (Gertraud von Schellenbühel, Georg von Mendelssohn, Walter Haggenmacher, Lotte Pritzel, Rolf von Hoerschelmann und Karl Thylmann).
  • 1913: Sonderausstellung der Debschitz-Schule im Königlichen Kunstgewerbemuseum Berlin
  • 1913: Erstmalige Präsentation ihres großen Leuchters in der Ausstellung des Kleinen Ausstellungsverbandes für Raumkunst, München
  • 1914: Präsentation des großen Leuchters als kunstgewerbliches Einzelstück in der Deutschen Werkbundausstellung in Köln
  • 1914: Präsentation ihrer Arbeiten in Leipzig
  • 1915: Ausstellung in Mannheim
  • 1917: Ausstellung von silbernem Besteck, getriebenem Silbergerät, einem Handspiegel in Silber, Schmuck und Riechfläschchen in der Frühjahrs-Ausstellung Deutscher Werkbund im Gewerbemuseum Basel
  • nach 1934: Ausstellung von Bernsteinketten, silbergeschmiedeten Löffeln, handgeschlagenem Silber und Silberschmuck in Leipzig, im Haus der deutschen Kunst in München und in Stuttgart

Werkstücke (Auswahl)

  • 1904: Schmuck[5]
  • 1904: Vase[6]
  • 1904: Sektbecher[7]
  • 1905: Collier[8]
  • 1906: Kaffeeservice[9]
  • 1906: Collier mit Mondsteinen[10]
  • 1906: Halskette[11]
  • 1907: Anhänger[12]
  • 1913: Großer Kerzenleuchter aus versilberter Bronze[13]
  • 1914: Silbergerät[14]

Weiterführende Literatur

  • Kathrin Bloom Heisinger: Die Meister des Münchner Jugendstils. Prestel, München 1988, ISBN 3-7913-0887-4, S. 156–157.
  • Antonia Voit (Hrsg.): Ab nach München! Künstlerinnen um 1900. Süddeutsche Zeitung GmbH, München 2014, ISBN 978-3-86497-193-8, S. 227–231 und 398–399.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. S.A., Weimar. Skizzen aus der Landeshauptstadt, 3. Januar, in: Jenaische Zeitung, Jg. 232, 8. Januar 1905. Zitiert nach: Antonia Voit (Hrsg.): Ab nach München! Künstlerinnen um 1900. Süddeutsche Zeitung GmbH, München, 2014, S. 229, 230
  2. Antonia Voit (Hrsg.): Ab nach München! Künstlerinnen um 1900. Süddeutsche Zeitung GmbH, München, 2014, S. 227
  3. Alfred Ziffer: Wolfgang von Wersin 1882–1976. Vom Kunstgewerbe zur Industriereform, Villa Stuck München, 1991, S. 12. Zitiert nach: Antonia Voit (Hrsg.): Ab nach München! Künstlerinnen um 1900. Süddeutsche Zeitung GmbH, München, 2014, S. 228
  4. a b Kathrin Bloom Heisinger: Die Meister des Münchner Jugendstils. Prestel, München, 1988, S. 4 und 156
  5. Schmuck in Die Kunst: Monatsheft für freie und angewandte Kunst, Band 10, 1904, S. 223
  6. Vase in Die Kunst: Monatsheft für freie und angewandte Kunst, Band 10, 1904, S. 225
  7. Sektbecher in Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851, Band 56, 1905–1906, S. 351
  8. Collier in Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851, Band 56, 1905–1906, S. 362
  9. Kaffeeservice in Die Kunst: Monatsheft für freie und angewandte Kunst, Band 14, 1906, S. 361
  10. Collier mit Mondsteinen in: museum-digital.de Landesmuseum Mainz
  11. Halskette in: museum-digital.de Landesmuseum Mainz
  12. Anhänger in Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851, Band 58, 1907–1908, S. 32
  13. Großer Kerzenleuchter aus versilberter Bronze in Dr. Peter Jessen: Die Deutsche Werkbundausstellung Köln 1914, Jahrbuch des Deutschen Werkbunds 1915, Verlag F. Bruckmann AG, München, 1915, S. 103
  14. Silbergerät; Tablett aus Macassarholz mit Silbergriffen in: Die Kunst: Monatsheft für freie und angewandte Kunst, Band 30, 1914, S. 329

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Wand Decoration Obrist 1895.png
Wandbehang mit Alpenveilchen, image of a silk and wool textile wall tapestry designed by Hermann Obrist, using the cyclamen to forge the motive. Reproduced in Pan, 1896, feb.-mars, page 327 [zyncography process, E. Albert & Co.].
Eckmann Otto, 5 Swans.jpg
Five Swans, woven wool, 26.4 x 76 cm (9 3/8 x 29 7/8), Danish Museum of Decorative Art, Copenhagen; The same Tapestry is e.g. also to find in the town museum of Flensburg