Gerichtsorganisation im Großherzogtum Frankfurt

Die Gerichtsorganisation im Großherzogtum Frankfurt war von den Vorgängerstaaten übernommen worden und entsprechend heterogen.

Hintergrund

Während in den anderen napoleonischen Staaten in Deutschland die Gerichtsorganisation des revolutionären Frankreichs eingeführt wurde, wurde im Großherzogtum die bisherige Struktur „vorläufig“ beibehalten. Auch das Höchste Organisations-Patent der Verfassung des Großherzogtums Frankfurt von 1810 regelte in § 38: „Die Gerichtsstellen in Civil- und Kriminalsachen bestehen provisorisch, wie bisher.“ Dies umfasste auch die Patrimonialgerichtsbarkeit, die ebenfalls bestehen blieb. Das Prinzip der Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung war daher ebenfalls nicht umgesetzt worden. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig endete 1814 das Großherzogtum, ohne je dieses Provisorium zu beenden. Lediglich die Obergerichte waren neu eingerichtet worden.

Liste der Gerichte

An der Spitze der Gerichte des Großherzogtums stand das Großherzogliche Kassationsgericht Frankfurt. Darunter stand das Oberappellationsgericht Aschaffenburg.

Gerichte im Departement Frankfurt

Erste InstanzZweite InstanzGerichtssprengel
Stadtgericht Frankfurt am MainSchöffen-Appellationsgericht FrankfurtStadt Frankfurt am Main
Landamt Frankfurt am MainSchöffen-Appellationsgericht FrankfurtLandgemeinden der Stadt Frankfurt
Gräflich Solms-Rödelheimisches Patrimonialgericht NiederurselSchöffen-Appellationsgericht FrankfurtSolms-Rödelheimische Hälfte von Niederursel
Gräflich Ingelheimisches Patrimonialgericht Ober-ErlenbachSchöffen-Appellationsgericht FrankfurtOber-Erlenbach
Stadtamt WetzlarAppellationsgericht Wetzlar (auch Justizsenat)Unterpräfektur Wetzlar

Gerichte im Departement Aschaffenburg

Das Oberlandgericht Aschaffenburg war zweite Instanz für alle Ämter (außer den Standesherrlichen) bei Streitsummen von 101 Gulden und mehr. Bei kleineren Beträgen waren die angegebenen Gerichte Gerichte zweiter Instanz.

Erste InstanzZweite InstanzGerichtssprengel
Justizsenat AschaffenburgOberlandgericht AschaffenburgPrivilegierte Gerichtsstände im Departement Aschaffenburg
Stadtamt AschaffenburgVizedomamt AschaffenburgStadt Aschaffenburg
Amtsvogtei KaltenbergVizedomamt AschaffenburgAmtsvogtei Kaltenberg
Amtsvogtei KleinwallstadtVizedomamt AschaffenburgAmtsvogtei Kleinwallstadt
Stadt- und Amtsvogtei ObernburgVizedomamt AschaffenburgStadt- und Amtsvogtei Obernburg
Amtsvogtei RothenbuchVizedomamt AschaffenburgAmtsvogtei Rothenbuch
Amtsvogtei SchweinheimVizedomamt AschaffenburgAmtsvogtei Schweinheim
Patrimonialamt KrombachVizedomamt AschaffenburgGräflich von Schönbornisches Patrimonialamt Krombach
Patrimonialamt NiedersteinbachVizedomamt AschaffenburgFreiherrlich von Forstmeisterisches Patrimonialamt Niedersteinbach
Patrimonialamt SommerauVizedomamt AschaffenburgFreiherrlich von Fechenbachisches Patrimonialamt Sommerau
Patrimonialamt UnterhausenVizedomamt AschaffenburgGräflich von Ingelheimisches Patrimonialamt Unterhausen
Amtsvogtei KlingenbergOberamt KlingenbergAmtsvogtei Klingenberg
Amtsvogtei StadtprozeltenOberamt KlingenbergAmtsvogtei Stadtprozelten
Amt HobachOberamt KlingenbergAmt Hobach
Patrimonialamt FechenbachOberamt KlingenbergFreiherrlich von Reigersbergisches Patrimonialamt Fechenbach
Stadt- und Amtsvogtei OrbOberamt OrbStadt- und Amtsvogtei Orb
Amtsvogtei BurgjosOberamt OrbAmtsvogtei Burgjos
Amt AusenauOberamt OrbAmt Ausenau
Stadt- und Amtsvogtei LohrJustizsenat Aschaffenburg für das aufgelöste Oberamt LohrStadt- und Amtsvogtei Lohr
Amtsvogtei FramersbachJustizsenat Aschaffenburg für das aufgelöste Oberamt LohrAmtsvogtei Framersbach
Amt Rieneck und AuraJustizsenat Aschaffenburg für das aufgelöste Oberamt LohrAmt Rieneck und Aura
Justizamt KreuzwertheimJustizkanzlei Kreuzwertheim (Fürstlich und gräflich Löwenstein-Wertheimsche und gräflich Erbachsche Justizkanzlei Kreuzwertheim)Justizamt Kreuzwertheim (Löwenstein-Wertheim)
Justizamt KreuzwertheimJustizkanzlei KreuzwertheimJustizamt Kreuzwertheim (Löwenstein-Wertheim)
Amt Eschau oder WildensteinJustizkanzlei KreuzwertheimAmt Eschau oder Wildenstein (Erbach)
Amt RothenfelsJustizkanzlei KreuzwertheimAmt Rothenfels (Löwenstein)
Amt TrisensteinJustizkanzlei KreuzwertheimAmt Trisenstein (Löwenstein)

Gerichte im Departement Fulda

Im Departement Fulda bildete die Großherzogliche Regierung Fulda das Gericht zweiter Instanz. Hierzu bestand das Justiz-Departement in der Regierung. Dieses war auch die Eingangsinstanz für die privilegierten Gerichtsstände. Für Appellationen dieser war in der Regierung das Revisions-Department gebildet worden. Darunter standen als Untergerichte die Ämter:

Gerichte im Departement Hanau

Als Gericht zweiter Instanz diente das Hofgericht Hanau. Die Gerichte erster Instanz wurden von den Ämtern gebildet.

Gemeinschaftliche Gerichte

Sonstiges

Neben den staatlichen Gerichten bestanden kirchliche Gerichte. Mit Verordnung vom 28. Januar 1812 wurde ein allgemeines lutherisches und ein reformiertes Konsistorium mit Sitz jeweils in Hanau geschaffen. Diese waren für das ganze Großherzogtum für Disziplinar- und geistliche Sachen zuständig, im Gegensatz zu vorher aber nicht für Zivilrechtsangelegenheiten des Klerus.[1]

Reform 1813

Zum 1. Januar 1813 trat eine Justizreform in Kraft, die die Gerichte gemäß französischem Vorbild einheitlich reorganisierte. Für Fälle unter 75 Gulden waren nun Friedensgerichte, für höhere Streitwerte Departementsgerichte zuständig. Die Patrimonialgerichtsbarkeit wurde stark eingeschränkt und entsprach nun nur noch einer Polizeigerichtsbarkeit. Durch das Ende des Großherzogtums im gleichen Jahr blieb diese Gerichtsorganisation Episode.

Literatur

  • Staats-Calender der Großherzoglichen Stadt und des Departements Frankfurt 1812, S. 179–220, online
  • Günther Christ: Lohr am Main, Historischer Atlas von Franken, 2007, ISBN 978-3-7696-6854-4, S. 359–360.

Einzelnachweise

  1. Max Bär: Die Behördenverfassung der Rheinprovinz, 1919, Nachdruck 1965, S. 426–427.