Gerhard Roßbach

Paul Wilhelm Gerhard Karl Roßbach (* 28. Februar 1893 in Kehrberg, Provinz Pommern; † 30. August 1967 in Hamburg) war ein deutscher Freikorpsführer und rechtsextremer politischer Aktivist.

Biografie

Roßbach wurde 1893 als Sohn einer klassischen Sängerin geboren; sein Vater war Pächter und starb früh. Ab 1903 wurde der Junge in den Kadettenanstalten in Köslin und Groß-Lichterfelde erzogen und 1911 als Fähnrich in die preußische Armee aufgenommen.[1] 1913 wurde er Leutnant im 8. Westpreußischen Infanterie-Regiment Nr. 175, mit dem er in den Ersten Weltkrieg zog. Nach einer schweren Verwundung im Frühjahr 1918 wurde er zum Oberleutnant befördert.[2] Nach dem Waffenstillstand stellte Roßbach im November 1918 aus Resten seiner Einheit in Graudenz eine Freiwilligen-Maschinengewehr-Kompanie auf, die Grenzsicherungsaufgaben übernahm.

Im Januar 1919 wurde diese Einheit im Rahmen des Grenzschutz Ost in die Sturmabteilung Roßbach umbenannt, die als Jägerbataillon 37 Anfang 1919 in die Vorläufige Reichswehr übernommen wurde.

Im Oktober 1919 marschierte Roßbach mit seiner Einheit von etwa 1000 Mann über die gesperrte Grenze bei Tilsit über Litauen nach Lettland. Dort konnte er noch den Rückzug der Baltikum-Freikorps aus Thorensberg bei Riga decken. Am 12. Dezember 1919 mussten die Truppen in das eigene Hoheitsgebiet zurückkehren.

Der befehlswidrige Entschluss, mit seiner Einheit ins Baltikum zu ziehen, führte zum Ausschluss des Freikorps aus der Vorläufigen Reichswehr wegen Meuterei. Anfang 1920 wurde die Sturmabteilung Roßbach offiziell aufgelöst, bestand aber im Untergrund in sogenannten „Arbeitsgemeinschaften“ in Pommern und Mecklenburg fort und nahm als Freiwilligen-Regiment Schlesien an den Kämpfen in Oberschlesien teil. Dabei wurde Roßbachs Truppe durch Lieferungen der Reichswehr inoffiziell unterstützt. Die Truppe beteiligte sich 1920 am Kapp-Putsch und nahm anschließend an der Niederschlagung des Ruhraufstands teil.

Im Mai 1920 wurde seine Truppe in Güstrow aufgelöst. Die Männer seiner Einheit wurden aber in den als „Selbstschutzformation“ gegründeten Pommerschen Landbund aufgenommen. Bei der Auflösung dieser Formation im November 1921 erfolgte dann die Gründung verschiedener Nachfolgeorganisationen wie des „Vereins für Wanderfahrten“, der „Nationalen Sparvereinigung“ und des „Vereins für landwirtschaftliche Berufsbildung“.

Gleichzeitig baute Roßbach in der ganzen Republik ein Netzwerk auf, das bis zu 8000 Angehörige umfasste. Besonders straff organisierten sich seine Leute Ende 1921 in Oberschlesien in Wach- und Schließgesellschaften. In Berlin-Wannsee, Otto-Ehrich-Straße 10, betrieb er ein „Auskunftsbüro“ mit einer Nebenstelle in der Bayreuther Straße 13.

Der scharfe politische Gegensatz Roßbachs zur demokratisch-parlamentarischen Republik führte zu seiner Verhaftung unter dem Gesetz zum Schutze der Republik am 11. November 1922, er wurde jedoch kurz darauf wieder frei gelassen. Seine Tarnorganisationen wurden für aufgelöst erklärt. Am 19. November 1922 wollte Roßbach eine Ortsgruppe der NSDAP, deren Mitglied er inzwischen war, in Berlin gründen. Da die NSDAP aber bereits am 15. November verboten worden war, gründete er als Ersatz die Großdeutsche Arbeiterpartei (GAP), die sich aber schon am 20. Januar 1923 per Vorstandsbeschluss wieder auflöste, um sich am 10. Februar 1923 der Deutschvölkischen Freiheitspartei anzuschließen. Hier gehörte er sogleich der Parteileitung an und wurde mit dem Aufbau von Turnerschaften, eine Verharmlosung von paramilitärischen, für einen Putsch ausgebildeten Einheiten, betraut.[3] Roßbach wurde damit gleichzeitig von der Polizei bekämpft, während Reichswehrstellen ihn umwarben.

Am 17. Februar 1923 wurde Roßbach, als er in Altona auftrat, erneut verhaftet, einen Tag später aber schon wieder entlassen. Im Oktober 1923 erneut in Haft, wurde er vom Staatsgerichtshof in Leipzig überraschend und praktisch ohne Auflagen und ohne Kaution freigelassen, um einem Schutzhaftbefehl der sächsischen Staatsregierung zuvorzukommen.[4] Roßbach entwich sofort nach München, wo er sich im November 1923 dem Hitler-Ludendorff-Putsch anschloss und versuchte, die Zentrale Infanterieschule der Reichswehr zur Beteiligung am Putsch zu überreden. Nach dem Scheitern des Putsches floh er ins Exil nach Österreich.[5] Dort wandte er sich von Hitler ab und gründete 1925 gemeinsam mit Werner Lass die Schilljugend, eine Wehrjugendbewegung. 1926 rief er den Bund Ekkehard ins Leben. 1927 startete er zudem die Sport- und Richtschule am Plauer See in Mecklenburg.

Im Jahre 1933 wurde er zum Ausbildungsinspekteur im Reichsluftschutzbund ernannt. Im Juni 1934 wurde er im Rahmen des Röhm-Putsches für kurze Zeit verhaftet. Roßbach besaß enge Kontakte zu Ernst Röhm und Edmund Heines. Am 30. Juni 1934 wurde seine Wohnung durchsucht, wobei zahlreiche homoerotische Photographien beschlagnahmt wurden.[6] Nach eigenen Angaben vor die Alternative gestellt, sich zu erschießen oder sich amtlich für tot erklären zu lassen, entschied er sich, unter neuem Namen eine Anstellung bei der Iduna-Germania-Versicherung anzunehmen.[7] Seine Tätigkeit im Versicherungswesen setzte er bis zum Kriegsende fort. Nach dem Kriege betätigte er sich in Bayreuth im Umkreis der Familie Wagner und beteiligte sich an der Organisation der Festspiele. 1949 gehörte er zu den Mitbegründern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.[8]

1950 veröffentlichte er seine Autobiographie Mein Weg durch die Zeit. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war er zum zweiten Mal verheiratet und hatte eine einjährige Tochter.

Ehe und Familie

In erster Ehe war Roßbach seit dem 12. Dezember 1921 verheiratet mit Hildegard Damcke (* 6. Oktober 1898 in Berlin-Charlottenburg; † 30. April 1937). Aus der Ehe gingen die Tochter Ingeborg und der Sohn Eckart hervor. Am 3. März 1939 heiratete er in zweiter Ehe die Schauspielerin Brigitte von Bülow (* 25. Mai 1914). Diese Ehe wurde 1948 geschieden.

Schriften

  • Erinnerungen: 1928 in serialisierter Form abgedruckt in mehreren Ausgaben der Deutschen Illustrierten.
  • Mein Weg durch die Zeit. Erinnerungen und Bekenntnisse, Weilburg-Lahn 1950.

Literatur

  • Arnolt Bronnen: Roßbach. E. Rowohlt, Berlin 1930.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-039309-0.
  • Emil Julius Gumbel: Verschwörer. Zur Geschichte u. Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918–1924. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-24338-6.
  • Hannsjoachim W. Koch: Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918–1923. Ullstein, Frankfurt 1978, ISBN 3-550-07379-8.
  • Lexikon zur Parteiengeschichte, Band 2, Leipzig 1984.
  • Bernhard Sauer: Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. Metropol, Berlin 2004, ISBN 3-936411-06-9.
  • Bernhard Sauer: Gerhard Roßbach – Hitlers Vertreter für Berlin. Zur Frühgeschichte des Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 50. Jahrgang 2002, Heft 1, S. 5–21. (PDF, 3,8 Mbyte)
  • Bernhard Sauer: "Auf nach Oberschlesien" – Die Kämpfe der deutschen Freikorps 1921 in Oberschlesien und den anderen ehemaligen deutschen Ostprovinzen In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 58. Jahrgang 2010, Heft 4, S. 297–320. (PDF, 7,6 Mbyte)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rüdiger Ahrens: Bündische Jugend. Eine neue Geschichte 1918–1933. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1758-1, S. 412.
  2. Deutsche Verlustlisten des Ersten Weltkriegs: Ausgabe 1889 vom 10. Mai 1918 (Preußen 1034), S. 23503: Roßbach, Gerhard, Ltn., 28. 2. Kehrberg, Greifenhagen, schwer v.
  3. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland: Kaiserreich und Weimarer Republik. Wiss. Buchges, Darmstadt 2008, ISBN 3-534-21354-8, S. 195.
  4. Die Weltbühne 1923/II (25. Oktober 1923), S. 416.
  5. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (= Die Zeit des Nationalsozialismus. Bd. 16048). 2. aktualisierte Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 509.
  6. Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann, S. 593.
  7. Gerhard Roßbach: Mein Weg durch die Zeit, Weilburg (Lahn) 1950, S. 216.
  8. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 499.