Gerhard Bereswill

Gerhard Bereswill (* 1957[1]) ist ein deutscher Polizist und war von September 2014[2] bis April 2022[3] Polizeipräsident der Stadt Frankfurt am Main.

Gerhard Bereswill (2017)

Ausbildung und polizeilicher Werdegang

Sein polizeilicher Werdegang begann 1974 in Fulda beim damaligen Bundesgrenzschutz (BGS), der heutigen Bundespolizei. Dort war er zuletzt Gruppenführer in einer Einsatzhundertschaft.

1978 wechselte er in den Polizeivollzugsdienst des Landes Hessen. Zunächst war er als Streifenbeamter und ab 1984 bei der Kriminalpolizei in Darmstadt tätig. Im Anschluss an seine Studienzeit für den gehobenen Polizeivollzugsdienst von 1988 bis 1990 wurde er stellvertretender Kommissariatsleiter im Rauschgiftkommissariat der Kriminalpolizei in Darmstadt, in der er als einer der ersten Ermittler in Hessen ein Großverfahren gegen den aufkommenden Handel mit synthetischen Drogen führte.

Von 1993 bis 1995 besuchte er die Polizeiführungsakademie in Münster. Nach seinem Studium führte ihn sein Weg 1995 das erste Mal nach Frankfurt am Main – als Leiter des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) des Polizeipräsidiums Frankfurt. In den folgenden fünf Jahren als Leiter des MEK führte er unter anderem eine Vielzahl an operativen Maßnahmen, so auch in mehreren Erpressungs-Großverfahren. Für Schlagzeilen sorgte ein derartiger Fall, bei dem Brieftauben mittels Polizei-Hubschraubern verfolgt wurden. Die Tauben sollten in Rucksäckchen transportierte Diamanten zu einem Erpresser bringen, der hierdurch schlussendlich festgenommen werden konnte.[4]

Es folgten von 2000 bis 2005 diverse Führungsämter im hessischen Landeskriminalamt (HLKA) sowie im Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden. Hierbei verantwortete er von 2000 bis 2002 die sichere Einführung des Euro in Hessen. 2005 wechselte er als Referent ins Landespolizeipräsidium, bis er 2010 als Polizeivizepräsident nach Frankfurt wechselte.[5]

Polizeipräsident der Stadt Frankfurt

2014 wurde er als Polizeipräsident der Stadt Frankfurt ernannt.[6] In seine Amtszeit als oberster Frankfurter Polizist fallen polizeiliche Großlagen wie die Eröffnung der Europäischen Zentralbank im Jahr 2015[7] oder die Bombenentschärfung im Frankfurter Westend mit der Evakuierung von rund 60.000 Menschen 2017.[8] Innerorganisatorisch trieb er die Weiterentwicklung des Polizeipräsidiums zu einer effizienten und zukunftsfähigen Polizei voran. Hierzu wurden u. a. acht kleine Reviere zu vier modernen Schwerpunktrevieren verschmolzen[9][10], zusammen mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt und der Stadt Frankfurt vier Häuser des Jugendrechts im gesamten Stadtgebiet errichtet[11][12] und für die besonderen Herausforderungen des Bahnhofsviertels wurde eine eigene Dienststelle, die „Regionale Einsatz- und Ermittlungseinheit“, gegründet.[13] Auch wurde in seiner Amtszeit das Konzept des „Schutzmannes vor Ort“ eingeführt – als Bindeglied zwischen Polizei und Bevölkerung.[14]

Im Polizeipräsidium Frankfurt wurde aber auch die polizeiliche Analysesoftware „hessendata“ entwickelt[15] und in der Kriminaldirektion erfolgten Schwerpunktsetzungen auf islamistischen Terrorismus, Rechtsextremismus und Kinderpornografie. Darüber hinaus war das Polizeipräsidium Frankfurt auch das erste Präsidium in Hessen, das sogenannte Super-Recognizer in den eigenen Reihen identifizierte und im Rahmen eines Pilotprojektes in Fahndungsmaßnahmen einband; mittlerweile wurde das Super-Recognizer-Projekt auf ganz Hessen ausgeweitet.[16][17] Die Mitarbeiterzahl des Polizeipräsidiums stieg auf mehr als 4000 an. Von 2014 bis 2021 sank in Frankfurt am Main die Kriminalität um rund ein Fünftel (- 18,8 Prozent), zugleich stieg die Aufklärungsquote der Straftaten um 4,6 Prozent.[18] Die Verzahnung mit der Zivilgesellschaft, insbesondere mit der Stadt Frankfurt am Main, wurde in vielen Facetten intensiviert.[19]

Während seiner Amtszeit wurden interne Ermittlungen gegen einzelne Frankfurter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Kontext der Chatgruppen- und Drohschreiben-Thematik geführt. Hierzu stellte er von Anfang an intern und auch öffentlich klar, dass die Polizei die Grundrechte nicht nur zu beachten, sondern aktiv dafür einzutreten habe. Folgerichtig wurden die Ermittlungen gegen tatverdächtige Mitarbeitende konsequent geführt. Er setzte aber auch eine breite interne Präventionskampagne[20] auf, u. a. mit interkulturellen und Demokratieseminaren, der Einführung von Supervision als Standardmaßnahme, transparenter interner und externer Kommunikation[21] oder auch der Herstellung von geschichtlichem Kontext zu Polizisten im Dritten Reich.[22][23] Dies fand öffentlich überregionale Beachtung[24], z. B. auch in der vom Land Hessen eingesetzten unabhängigen Expertenkommission zur Verantwortung der Polizei, die diese Maßnahmen in ihrem Abschlussbericht 2021 als „beispielgebend“ bewertete.[25] Für die Aufarbeitung und sein konsequentes Eintreten gegen Rechtsextremismus wurde Bereswill am 3. März 2022 von der B’nai B’rith Frankfurt Schönstädt Loge mit der Ehrenmedaille in Gold ausgezeichnet.[26][27]

Gerhard Bereswill ging Ende April 2022 in den Ruhestand.[28]

Privates

Gerhard Bereswill ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

Einzelnachweise

  1. Neuer Polizeipräsident gilt als besonnen. In: Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de. 26. August 2014, abgerufen am 29. August 2014.
  2. Bereswill folgt Thiel: Neuer Polizeipräsident eingeführt. (Nicht mehr online verfügbar.) Hessischer Rundfunk, 21. Oktober 2014, archiviert vom Original am 14. Juli 2015;.
  3. Frankfurter Polizeichef Bereswill geht in den Ruhestand: Nachfolge unklar. Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de., 6. April 2022, abgerufen am 2. Juni 2022.
  4. Nestlé-Erpressung. "Es war wie eine Sucht". In: Spiegel Online. 19. August 1999, abgerufen am 25. Januar 2022.
  5. Landespolizeipräsident Norbert Nedela führt neuen Polizeivizepräsident im Polizeipräsidium in seine Amtsgeschäfte ein. In: Presseportal news aktuell. 11. Oktober 2010, abgerufen am 25. Januar 2022.
  6. Polizeipräsident Bereswill. Neuer Polizeipräsident gilt als besonnen. In: Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de. 26. August 2014, abgerufen am 25. Januar 2022.
  7. Blockupy-Protest in Frankfurt. 17.000 demonstrieren gegen EZB. In: Hessenschau online www.hessenschau.de. 18. März 2015, abgerufen am 25. Januar 2022.
  8. Die Bombe ist entschärft. In: Hessenschau online www.hessenschau.de. 3. September 2017, abgerufen am 25. Januar 2022.
  9. Judith Dietermann: Polizei eröffnet zweitgrößtes Revier in Frankfurt. In: Frankfurter Neue Presse www.fnp.de. 26. September 2018, abgerufen am 25. Januar 2022.
  10. Katharina Iskandar: Frankfurter Polizei schließt Reviere. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Online-Ausgabe www.faz.net. 28. April 2020, abgerufen am 25. Januar 2022.
  11. Besuch des Haus des Jugendrechts Frankfurt Süd.Viertes Haus des Jugendrechts Frankfurt Mitte/Ost hat seine Arbeit aufgenommen. 13. Januar 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  12. Erfolgsgeschichte des Haus des Jugendrechts, Teil 4. In: Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de. 13. Januar 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  13. Frankfurt: REE Regionale Einsatz- und Ermittlungseinheit der Polizei mit rund 150 Einsatzkräften im Bahnhofsviertel. In: Metropolnews. 20. Dezember 2017, abgerufen am 25. Januar 2022..
  14. Frankfurt am Main: Schutzleute vor Ort des 3. Reviers offiziell vorgestellt. In: Presseportal news aktuell. 1. September 2021, abgerufen am 24. März 2022.
  15. Palantir in Deutschland: Wo die Polizei alles sieht. In: Süddeutsche Zeitung Online-Ausgabe. 18. Oktober 2018, abgerufen am 25. Januar 2022.
  16. Katharina Iskandar: Super Recogniser. „Diese Begabung ist herausragend“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Online-Ausgabe www.faz.net. 4. Februar 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  17. Gesichtserkennungs-Offensive Polizei will Super-Recogniser in ganz Hessen einsetzen. In: Hessenschau online www.hessenschau.de. 4. Februar 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  18. Kriminalstatistiken der Polizei Frankfurt. Abgerufen am 17. März 2022.
  19. Frankfurt: Oberbürgermeister Peter Feldmann begrüßt die neuen Polizeibeamten für das Polizeipräsidium Frankfurt im Kaisersaal. In: Metropolnews. Abgerufen am 25. Januar 2022.
  20. Der aufrechte Beamte. In: Journal Frankfurt. Abgerufen am 25. Januar 2022.
  21. Georg Leppert: Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill: Der Kommunikator. In: Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de. 26. August 2014, abgerufen am 25. Januar 2022.
  22. Polizei Frankfurt benennt Räumlichkeiten im Polizeipräsidium um - Namensgeber sind drei aufrechte Polizisten zu Zeiten des Nationalsozialismus. In: Presseportal news aktuell. Abgerufen am 25. Januar 2022.
  23. Lutz Becht, Thomas Bauer: Die Frankfurter Polizei und drei aufrechte Beamte im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 2020, Hrsg. Polizeipräsidium Frankfurt ISBN 978-3-944542-25-6.
  24. Katharina Iskandar: Polizeipräsident Bereswill: Wo steht die Frankfurter Polizei nach der Krise? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Online-Ausgabe www.faz.net. 21. September 2021, abgerufen am 25. Januar 2022.
  25. Verantwortung der Polizei in einer pluralistischen Gesellschaft. (PDF) S. 38, abgerufen am 25. Januar 2022.
  26. Kampf gegen Rechtsextremismus. „Engagierter Demokrat“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Online-Ausgabe www.faz.net. 4. März 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  27. Mann mit klarer Haltung. In: Jüdische Allgemeine. 15. März 2022, abgerufen am 18. März 2022.
  28. Frankfurter Polizeichef Bereswill geht in den Ruhestand: Nachfolge unklar. Frankfurter Rundschau Online-Ausgabe www.fr.de., 6. April 2022, abgerufen am 2. Juni 2022.

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Polizeipräsident Gerhard Bereswill vor dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main.