Gerald H. Haug
Gerald H. Haug (* 14. April 1968 in Karlsruhe) ist ein deutscher Paläoklimatologe, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis-Preisträger und seit 2007 Professor an der ETH Zürich, der sich auf die Untersuchung von Sedimentkernen aus Ozeanen und Seen spezialisiert hat.[1] Seit 2015 ist Gerald Haug Direktor der Abteilung Klimageochemie und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und seit März 2020 Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.[2]
Biographie
Gerald Haug legte sein Diplom in Geologie an der Universität in Karlsruhe 1992 ab und promovierte 1995 an der Universität Kiel. 1995–1996 war er Postdoktorand am GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. 1996–1997 war er Postdoktorand in der Abteilung für Ozeanografie an der University of British Columbia in Vancouver, Canada. Anschließend verbrachte er ein Jahr als Postdoktorand an der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts, USA, und wurde anschließend (1997–1998) Research Assistant Professor an der University of Southern California in Los Angeles, USA. 2000–2002 arbeitete er als Oberassistent an der ETH Zürich und habilitierte dort in den Geowissenschaften (2002).
2003 wurde er Professor an der Universität Potsdam und Leiter der Abteilung Klimadynamik und Sedimente am Deutschen GeoForschungsZentrum. Im Jahr 2007 erhielt er den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis[3] und wurde zum Professor für Klimageologie an die ETH Zürich berufen. Seit 2008 ist er Mitglied der Academia Europaea.[4] Im Jahr 2012 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt,[5] 2018 in die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.[6]
Besonderes Medienecho fand sein Nachweis historischer Dürreperioden aus Untersuchungen von Sedimenten vor der Küste Venezuelas. Mehrere langanhaltende Trockenperioden in den Jahren 810 bis 910 führten nach Haug mit zum Fall der Hochkultur der Maya.[7] Abgeschwächte Monsunzeiten könnten demnach auch den Untergang mehrerer chinesischer Dynastien wie etwa der Tang-Dynastie erklären.[8][9]
Im Zusammenhang mit seinem Wechsel an die ETH Zürich äußerte Haug sich kritisch über die deutsche Forschungslandschaft, die er in einem Widerstreit zwischen wissenschaftlicher Freiheit und Forschungsbürokratie sieht. Haug kritisierte dabei „typisch deutschen Dirigismus“ und eine „irrwitzige Relevanzdebatte“, auf die er einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit verwenden musste.[10][11]
Haug ist Unterzeichner einer Protestnote von 2009, in der auf die Gefahren einer Verharmlosung der Klimaveränderung hingewiesen wird.[12][13]
Am 11. Dezember 2019 wurde Haug zum 17. Präsidenten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt. Haug folgte dem Mikrobiologen Jörg Hacker am 1. März 2020 im Amt nach.[2]
Forschung
Die Abteilung Klimageochemie am Max-Planck-Institut für Chemie befasst sich mit den Prozessen und Interaktionen des Klima-, Ozean- und Atmosphärensystems von geologischen bis hin zu jährlichen Zeitskalen. Das Klimasystem ist charakterisiert durch zahlreiche Rückkopplungsprozesse und Schwellenwerte. Zu diesen internen Rückkopplungen gehören Änderungen in den Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre, der Wärmetransport des Ozeans, das ozeanische Nährstoffreservoir und die biologische Produktivität, die große Auswirkungen auf die atmosphärische Treibhausgaskonzentration hat. Von besonderem Interesse ist das Känozoikum, also die letzten 65 Millionen Jahre, einschließlich der Pliozänen Warmzeit vor rund drei Millionen Jahren. Letztere ist das jüngste Erdzeitalter, in dem der CO2-Gehalt der Atmosphäre 400 ppm (Teilchen pro einer Million Teilchen) betrug – der gleiche Wert, der heute aufgrund von menschgemachten CO2-Emissionen vorliegt.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den biogeochemischen Prozessen in den Polarmeeren und ihre Rolle bei der Regulierung der atmosphärischen CO2-Konzentration zwischen Eiszeiten und wärmeren Zeitperioden. Um die Mechanismen und Ursachen für einschneidende Veränderungen der Umweltbedingungen der Erde ermitteln zu können, verwendet die Abteilung verschiedene geochemische Methoden. Die analytische Palette reicht von leichten stabilen Isotopenmessungen an Foraminiferen (einzellige Kleinstlebewesen) bis zur Isotopenanalyse von Biomarkern und Spurenmetallen. Des Weiteren kommen hochauflösende zerstörungsfreie Analysetechniken, wie beispielsweise das XRF-Scannen, zum Einsatz. Die Abteilung untersucht verschiedenste geologische Archive wie Sedimente aus dem offenen Ozean, isolierten Meeresbecken, Süßwasserseen und Tropfsteine.
Seit 2018 betreibt die Arbeitsgruppe die nach Eugen Seibold (1918–2013) benannte Hochseeforschungsyacht Eugen Seibold, um die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre zu untersuchen.[14][15]
Auszeichnungen
- 2001: Albert Maucher-Preis für Geowissenschaften der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)[16][17]
- 2007: Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der DFG[18]
- 2010: Rössler-Preis der ETH Zürich[19]
- 2012: Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina[20]
- 2021: Aufnahme in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften[21]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Zur Paläo-Ozeanographie und Sedimentationsgeschichte im Nordwest-Pazifik während der letzten 6 Millionen Jahre. Dissertation. Kiel 1996
- mit Ralf Tiedemann: Effect of the formation of the Isthmus of Panama on Atlantic Ocean thermohaline circulation. In: Nature. Vol. 393, 1998, S. 673–676, doi:10.1038/31447 (PDF)
- mit Daniel M. Sigman, Ralf Tiedemann, Thomas F. Pedersen & Michael Sarnthein: Onset of permanent stratification in the subarctic Pacific Ocean. In: Nature. Vol. 401, 1999, S. 779–782, doi:10.1038/44550 (PDF)
- mit Ralf Tiedemann, Rainer Zahn & A. Christina Ravelo: Role of Panama uplift on oceanic freshwater balance. In: Geology. Band 29, Nr. 3, 3. Januar 2001, S. 207–210, doi:10.1130/0091-7613(2001)029<0207:ROPUOO>2.0.CO;2 (ethz.ch [PDF]).
- mit Konrad A. Hughen, Daniel M. Sigman, Larry C. Peterson & Ursula Röhl: Southward Migration of the Intertropical Convergence Zone Through the Holocene. In: Science. Vol. 299, No. 5533, 2001, S. 1304–1308, doi:10.1126/science.1059725 (PDF)
- mit Daniel M. Sigman: The biological pump in the past. In: Henry Elderfield (Hrsg.): Treatise on Geochemistry. Volume 6: The Oceans and Marine Geochemistry. Elsevier, 2003, ISBN 0-08-043744-3 (PDF)
- mit Detlef Günther, Larry C. Peterson, Daniel M. Sigman, Konrad A. Hughen & Beat Aeschlimann: Climate and the Collapse of Maya Civilization. In: Science. Vol. 299, No. 5613, 2003, S. 1731–1735, doi:10.1126/science.1080444 (PDF)
- mit Andrey Ganopolski, Daniel M. Sigman, Antoni Rosell-Mele, George E. A. Swann, Ralf Tiedemann, Samuel L. Jaccard, Jörg Bollmann, Mark A. Maslin, Melanie J. Leng & Geoffrey Eglinton: North Pacific seasonality and the glaciation of North America 2.7 million years ago. In: Nature. Vol. 433, 2005, S. 821–825, doi:10.1038/nature03332 (PDF)
Weblinks
- Gerald H. Haug auf der Webseite des Max-Planck-Instituts für Chemie, Mainz
- Gerald H. Haug auf der Webseite der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Einzelnachweise
- ↑ Samiha Shafy: Stadt für die Wissenschaft. In: Der Spiegel. Nr. 25, 2007, S. 164–165 (online).
- ↑ a b Gerald Haug zum neuen Präsidenten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt (11.12.2019). Abgerufen am 13. Dezember 2019.
- ↑ Leibniz-Preis 2007: Zehn Forscher ausgezeichnet. In: Spiegel Online. 7. Dezember 2006, abgerufen am 12. Oktober 2013.
- ↑ Mitgliederverzeichnis: Gerald H. Haug. Academia Europaea, abgerufen am 9. August 2017 (englisch).
- ↑ Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Gerald H. Haug (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 12. Juli 2016.
- ↑ Prof. Dr. Gerald Haug: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Abgerufen am 31. Mai 2018.
- ↑ Klimabeweise: Dürre brachte Maya zu Fall. In: Spiegel Online. 14. März 2003, abgerufen am 12. Oktober 2013.
- ↑ Findings: Did Weak Monsoons End the Tang Dynasty? In: The Washington Post. 4. Januar 2007, abgerufen am 12. Oktober 2013.
- ↑ Sven Stockrahm: Paläoklima: Eine Brise Apokalypse. In: Die Zeit. Nr. 46, 7. November 2008
- ↑ Christian Schwägerl: Leibniz-Preisträger: Gerald Haug Flucht vor dem „deutschen Paradoxon“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. März 2007
- ↑ Andreas Sentker: Brain Drain: Forschung im Korsett. In: Die Zeit. Nr. 12, 15. März 2007
- ↑ Gerald Traufetter: Erderwärmung: Klimaforscher protestieren gegen Institutsdirektoren. In: Spiegel Online. 17. November 2009, abgerufen am 12. Oktober 2013.
- ↑ Hubertus Fischer, Nicolas Gruber, Gerald Haug & Peter Lemke: Ein Limit von zwei Grad Erwärmung ist aus geowissenschaftlicher Sicht notwendig. In: KlimaLounge (SciLogs). 18. November 2009, abgerufen am 12. Oktober 2013.
- ↑ Das Schiff Eugen Seibold. Website des Max-Planck-Instituts für Chemie. Abgerufen am 18. Mai 2020.
- ↑ Claus Reissig: Der Ozean, der Professor und die Yacht. In: Frankfurter Allgemeine, 11. Januar 2018.
- ↑ Deutsche Forschungsgemeinschaft: Albert Maucher-Preis 2001 an Gerald Haug. 5. November 2001
- ↑ Deutsche Forschungsgemeinschaft: Albert Maucher-Preis 2001
- ↑ Deutsche Forschungsgemeinschaft: [1]
- ↑ Simone Ulmer: [2]. In: ETH Life. 18. Juni 2010
- ↑ Gerald H. Haug. Leopoldina, abgerufen am 12. März 2021.
- ↑ Ann-Christin Bolay: 14 neue Mitglieder in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. idw - Informationsdienst Wissenschaft, 17. Juni 2021, abgerufen am 10. Juli 2021.
Personendaten | |
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NAME | Haug, Gerald H. |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Paläoklimatologe |
GEBURTSDATUM | 14. April 1968 |
GEBURTSORT | Karlsruhe |
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Illustration der heterogenen zeitlichen Einordnung von Konzepten einer "Mittelalterlichen Warmzeit (MWP)" / "Mittelalterlichen Klimaanomalie (MCA)" und "Kleinen Eiszeit (LIA)"
Autor/Urheber: Carsten Costard für das Max-Planck-Institut für Chemie, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Gerald H. Haug
Autor/Urheber: Hannes Grobe, AWI, Lizenz: CC BY 3.0
Sedimentkern, entnommen mit einem Schwerelot vom Forschungsschiff POLARSTERN im Südatlantik; die wechselnde hell/dunkel-Färbung ist ein Abbild der Klimazylen im Quartär; das Basisalter des Kerns beträgt ca. 1 Million Jahre (die Länge der einzelnen Segmente beträgt 1 m). Für eine detailliertere Beschreibung und Detailaufnahmen des Kerns siehe Gersonde (2003).[1]